Direkt zum Hauptbereich

Wenn Zen-Meister irren

Wie amüsant, einen verehrten Meister bei  einem Irrtum zu ertappen.  Vor mir liegen Deshimaru Roshis Kommentare zum Plattform-Sutra, die er im Dojo Paris kurz vor dem legendären Sesshin in Val d'Isère gab:

Frage: "Das Plattform-Sutra des 6. Patriarchen, das für das Verständnis von Zen im Westen wesentlich wurde, wurde so interpretiert, dass der 6. Patriarch Eno [Hui-neng] gelehrt hätte, der wahre Weg würde durch die rechte Haltung des Geistes gefunden, nicht durch die des Körpers - also nicht durch die Praxis des Zazen. Können Sie das bitte kommentieren?"

[Hier kündigte Deshimaru an, am folgenden Morgen einen ausführlichen Kommentar abzugeben, was er dann tat.]

Deshimaru: "Das Dankyo [Plattform-Sutra] enthält viele erfundene Geschichten ohne ein Körnchen Wahrheit (...) Sie wurden für Professoren und Intellektuelle erfunden. (...)

Eno (638-718) erhielt die Robe und die Schalen von seinem Meister Konin, als er noch nicht Mönch war. Er wurde erst im Daibon-Tempel in Südchina ordiniert, praktizierte Zazen, gab Kusen [mündliche Unterweisungen] , hatte viele Schüler und Besucher. Er übte nichts als Zazen, besonders mit seinen Schülern Seigen und Nangaku. (...) Als Yoka Daishi zu ihm kam, saß Eno in Zazen (...) Ebenso, als er starb.

Das Plattform-Sutra ist von geringem Interesse für Soto, Rinzai und Obaku. Im Soto ist es verboten [sic!], es zu lesen. Auch wenn es nicht völlig in die Irre geht, verfehlt es doch die Essenz des wahren Zen. (...) Es konzentriert sich auf Weisheit. Westler sind verrückt, besonders die Intellektuellen. Sie suchen nur nach Weisheit."

Dann verweist Deshimaru darauf, dass nur die Fassung des "Daikan Shingi" die korrekte Überlieferung von Eno enthalte: "1228 brachte Meister Dogen eine Kopie des Plattform-Sutras mit nach Japan. Er erwähnte es nie, schrieb jedoch darüber. Im Kapitel 'Shizenbiku' des Shobogenzo sagt er: 'Das Dankyo enthält nicht die Worte Enos. Es ist eine Imitation, darum sollten wahre Nachkommen der Übertragung es nicht benutzen. Dieses Buch stellt eine Gefahr für das Verständnis des wahren Zen dar.'

Zu glauben, das Plattform-Sutra stamme vom 6. Patriarchen, ist ein großer Fehler."

Diesen Fehler sollten wir alle machen. Er könnte heilsam sein.

Kommentare

  1. Hallo Gui Do,

    dass die Soto-Schule verbietet bestimmte Schriften zu lesen, lässt mich doch sehr an die Katholische Kirche, ihre zusammen gewürfelte Bibel und die restlichen "Apogryphen" denken.

    Vielleicht sollten wir mal eine ZEN-Richtung gründen, in der das Lesen des Shobogenzo mit 100 keisaku Hieben korrigiert wird - in diesem Fall die geistige Haltung und nicht die Körperliche ;-)

    Aber noch mal zurück zu Deinem Artikel oben. Nachdem Du darin von so vielen Fehlern geschrieben und so weit ausgeholt hast, habe ich nun nicht mehr eindeutig mitbekommen, auf welchen Fehler sich nun Dein letzter Satz bezieht ...

    Grüsse
    michael

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Michael - ich wollte damit nur sagen: Machen wir doch den "Fehler" und studieren wir das Plattform-Sutra - und vertrauen Hui-neng. Und den Kommentaren von Sokei-an, die man vielleicht noch antiquarisch bekommt.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Das Sichten und Freischalten der Kommentare kann dauern.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Falscher "Shaolin-Mönch" aufgeflogen

Den aktuellen Artikel zu Shi Heng Yi (Tien Sy Vuong) findet Ihr hier.    Am Samstag, den 19.03.2011, ist in der Süddeutschen Zeitung ein größerer Artikel über den Fake-Abt (Shi Heng Zong alias Monroe Coulombe) des "Shaolin Temple Europe" erschienen - Seite 11: "Der Shaolin-Schwindel". Wir hatten bereits im Januar 2010 das Thema aufgegriffen. (Dank an Heino für den Tipp.)

The poser Shi Heng Yi alias Tien Sy Vuong / Der Blender Shi Heng Yi vom Shaolin Tempel Europe

(English version first, translated with DeepL - zunächst auf Englisch, unten auf Deutsch) Since last year, I have been improvising a series of YouTube posts that deal with a certain "Shi Heng Yi". You can find the playlist here . Back in 2011, I took a critical look at the "Shaolin Temple Europe" (later the newspaper SZ reported on it). The "Shaolin Temple Europe GmbH " of the same name is now headed by Shi Heng Yi, who is said to have a business degree (MBA), among other things. This man, whose real name is Tien Sy Vuong and whom I have so far described as German-Vietnamese, is trying hard to market himself in social and other media as a " Shaolin master of the 35th generation " and also offers online courses. In the meantime, two people have reported "threats" and warnings to me via Messenger and in a forum. In one case, a critical video was deleted and only uploaded again in abridged form, in which a former student of Shi Heng Yi (S

Die Kommerzialisierung der Shaolin

Am Samstag Abend lief unter "Spiegel TV" (d.h.: besserer Boulevardjournalismus) ein mehrstündiges Porträt über einen engagierten jungen Mann, der sich dem "Shaolin-Tempel" in Kaiserslautern angeschlossen hat. Sein Werdegang wurde über einen längeren Zeitraum verfolgt, Ausschnitte dieser Sendung hatte ich schon mal gesehen. Keine Frage, der junge Mann meinte es ernst und war sympathisch. Wie ein freundlicher, harmloser Herbergsvater kam dann sogar der Abt rüber, Shi Heng Zong genannt, oder auch: der Sitaigung. Da macht einen ja schon mal stutzig, dass ein bärtiger Deutscher nur noch mit chinesischen Namen tituliert wird. Dabei hat er die buddhistischen Essensgebete durchaus eingedeutscht, und auch die Aufnahmezeremonie des jungen Mannes als Mönch lief ganz verständlich und routiniert auf Deutsch ab. Man muss den Leuten hinter dem Tempel auch ihre Ehrlichkeit (oder Naivität?) lassen, mit der sie den Werdegang des Abtes beschreiben, den wir natürlich - bei seiner Le