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Es werden Posts vom April, 2012 angezeigt.

Geburtsfehler der Religion

Fundamentalisten gibt es auch im Buddhismus zuhauf. Nicht nur Theravadins, die am Wortlaut des Palikanon kleben, auch solche, die das Wort ihrer Lehrer und Überlieferungen - welcher Tradition auch immer - wie als gottgegeben ansehen. Stefan Weidner verglich das in seiner Islambetrachtung "Mohammedanische Versuchungen" (Frankfurt 2008) so: "Wie jede Religion die Mängel ihres Anfangs bis zu ihrem Verblühen mit sich herumschleppt und manche an diesen Mängeln verblüht ... Keine Religion ist frei davon, und die Aufgabe der Theologen besteht häufig nur darin, diese Mängel in Vorteile umzudeuten, sie wegzudiskutieren oder auf günstige Weise zu begründen und zu rechtfertigen. Sie gleichen damit den Chirurgen, die Geburtsfehler nachträglich operativ korrigieren, und wie ein Erwachsener nach einer solchen Operation von seinem ursprünglichen Gebrechen kaum etwas spürt und man es ihm nicht ansieht, erkennt der unbefangene Gläubige bei einer theologisch gut verarzteten Religion

Der Zen-Meister Taego (I)

Taego (1301-1382) verkörperte koreanisches Zen und wetterte gegen minderwertige Lehrer und die allgemeine Dummheit. Ich möchte hier ein paar seiner stärksten Sätze aus dem Taego Hwasang Orok vorstellen. *** Hier ist ein gutes Zimmer für den König der Leere. Früher nannte man es Glückswolkenhöhle. Heutzutage lebt hier nur ein verarmter Mann des Weges. Mögen auch Buddhas und Patriarchen vorbeikommen, er wird sie nicht empfangen. Klaräugige Berobte können sich ihm nicht nähern. Doch sag mir, wer kann ihn sofort abschneiden?  Die Lehre gemäß des Buddha verbreiten, Wesen gemäß ihrer Fähigkeiten empfangen: Pah! Was für ein eitles Geschwätz! *** Der ganze Kanon der schriftlichen Lehren, die auf Worte Buddhas zurückgehen, ist nur ein geschicktes Mittel, um die innewohnende erleuchtete Natur der Menschen aufzuzeigen.  *** Geist ist Buddha, Buddha ist Geist. Außerhalb des Geistes kein Buddha, außerhalb Buddhas kein Geist. *** Nun, wo du dein Zuhause verlasse

Daitô Kokushi: Reden ist Zen

Wie öde, untätig auf dem Boden zu hocken, nicht meditierend, ohne Durchbruch. Schau da die Pferde am Kamo-Fluss galoppieren! Das ist Zazen! Daitô alias Myôchô Shuhô (1282-1334) war in China ein Schüler Hsü-tangs (jap. Kidô) und in Japan ein Schüler vor allem Daiôs. Aus der Linie von Daitôs Nachfolger Tettô Gikô stammen prominente Meister wie Ikkyû und Takuan. Daitô ist vor allem als wichtiger Interpret der Kôan-Tradition bekannt. Einst stellte er klar: "Das Herz (heart) selbst ist wahrlich der Buddha. Was 'die eigene Natur sehen' genannt wird, bedeutet, den Herz-Buddha zu erkennen. Legt wieder und wieder eure Gedanken ab und entdeckt den Herz-Buddha. Man könnte annehmen, dass er nur in der Sitzmeditation erkannt würde. Dies ist jedoch ein Fehler. Yung-chia sagte: 'Gehen ist Zen, Sitzen ist Zen. Redend oder schweigend, den Körper bewegend oder nicht, ist er in Frieden.' Dies lehrt uns, dass Gehen, Sitzen und Reden allesamt Zen sind. Nicht nur Zazen und das Unterd

Der Alte im Turban

"Irgendwo in der Steppe saß mit untergeschlagenen Beinen ein Alter im Turban und meditierte. Als er aufsah, fragte ich ihn: Worauf zielt dein Gebet? Der Alte erwiderte: Auf das Nicht-Denken; wenn du verstehst, was ich meine. Und weiter fragte ich: Wie könnte einer ins Reich des Nicht-Denkens gelangen? Darauf der Alte: Halte die Zunge im Munde, auf dass du nichts berührst.    Unterwegs im fremden Land, auf dem Bettrand sitzend morgens im Hotel, machte ich einmal das Experiment. Bald schlossen mich flackernde Flammen ein, oder der Nordwind umwirbelte mich mit Geheul, ein eisiger Regen strich über mich hin. Jetzt war ich Fudo-myoo, jetzt Han-shan oder Shih-te. (...)    Indessen schwebte mir das Gesicht des Alten im Turban herauf. Ein einsames Gesicht. Gesicht eines Mannes, der fahnenflüchtig war seit Jahrzehnten." [Yasushi Inoue: Eroberungszüge. Berlin 1982. Fudo-myoo, der "Unbewegliche", ist der Vernichter allen Übels, Han-shan und Shih-te waren Dichtermönche im Chi

Wie das Selbst das Selbst abwirft

"Sieger bin ich über alles, das ich kannte, aber ungebunden bin ich an alles, das erobert und bekannt ist. Indem ich alles aufgebe, bin ich frei durch die Zerstörung des Begehrens. Nachdem ich so alles unmittelbar selbst verstanden habe, wen soll ich meinen Lehrer nennen?" Edie Meidav erzählt in ihrem Epos "Henry Goulds magische Reise" (München 2003) von einem, der auszog, um ausgerechnet auf Sri Lanka (Ceylon) in den 30er-Jahren eine ideale Gesellschaft zu errichten. Viele Kapitel werden durch buddhistische Ideale wie im obigen Zitat eingeleitet. An einer Stelle siegt jedoch die Sinnlichkeit über den religiösen Pfad ( fette Hervorhebung von mir): "Als sie und Henry sich lieben an diesem windigen Nachmittag (...) geschieht eine Preisgabe, wie Henry sie niemals zuvor erfahren hat. Nicht bei der Meditation und niemals beim Erfolg. (...)    Es ist vielleicht, weil er sich endlich gestattet, mit ihr zusammen zu sein - an dem Angelpunkt, an dem er nicht mehr sag

Warum Fremdgehen gut sein kann

Im Blog des Theravada-Mönchs Sujato findet sich ein Plädoyer für die Ehe von Partnern gleichen Geschlechts. Dabei wird auf die Regel/das Gebot gegen sexuelles Fehlverhalten eingegangen. Wie üblich, wird es so interpretiert, dass Ehebruch untersagt sei. Im Einzelnen wird dem Mädchen und der jungen Frau Schutz durch Familienmitglieder zugesagt, so lange sie also unter der Obhut anderer stünde, sei sie gewissermaßen tabu. Sujato meint, was explizit über die Frau bzw. das Mädchen im Palikanon gesagt wird, könne auch für den Mann gelten. Und dann: "Homosexuality is not an issue", der Buddha habe nicht die Person, sondern die Tat beurteilt, und er habe stets auch das Mitempfinden für die Ausgegrenzten gezeigt, was sich also auf sexuelle Minderheiten beziehen ließe. Seltsamerweise sagt Sujato jedoch auch: "Rape, paedophilia, adultery: these and many other problems are clearly mentioned in the early texts, and the Buddha made it clear that he didn’t approve of them." Er ne

Wollt ihr ewig leben?

Im letzten Kapitel von Julian Barnes Roman "Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln" (Reinbek 2000) führt er einen interessanten Gedanken aus: Was, wenn die Menschen ewig leben könnten? Hier kommen sie alle ins Himmelreich und können sich aussuchen, wie sie es gerne hätten. Am längsten halten auf diese Weise die Religiösen durch, die sich am Gottesdienst ergötzen. Von den Nicht-Religiösen sind es z.B. Gelehrte und Juristen, die so viel zu untersuchen und zu streiten haben, dass sie jahrhundertelang damit beschäftigt sind. Schließlich wollen aber auch sie nicht mehr. Dann genügt es, einfach sterben zu wollen, und es geschieht ...    "Und wie sterben sie? Bringen sie sich selber um? Bringt ihr sie um?" (...)    "Gottes willen, nein. Wie gesagt, heutzutage geht es demokratisch zu. Wenn man wegsterben will, tut man es. Man muss es nur lange genug wollen, dann klappt es schon, es geschieht einfach. Der Tod hat nichts mehr mit Zufall oder düsterer Unvermeidlichk

Verse des Zen-Mönches Shôtetsu (1381-1459)

Wie natürlich sie einander zur rechten Zeit begegnen: Das Wasser, das nicht denkt: "Komm, nimm dir hier deine Herberge!" Der Mond, der nicht nach einer Unterkunft fragt. *** Da niemand zu Besuch kommt,  habe ich keinen zum Quatschen, was mein Haus zu einem Ort macht, wo ein Mensch ohne Sorgen lebt. *** Mit jedem neuen Frühling sprechen die Blüten kein Wort und legen doch den Dharma dar. Sie wissen um dessen Kern von den sich zerstreuenden Sturmböen. *** Hier bin ich nun, fort von der grausamen Welt, auf einer Insel, und vertraue den Faden meines Lebens einer Leine ohne Haken an! (Steven D. Carter: Unforgotten Dreams. New York 1997)

Der Körper lebt, die Seele stirbt

Die Terasse des Leprakönigs ist ein Bühnenstück von Yukio Mishima (1925-1970), benannt nach dem gleichnamigen Tempelkomplex in Angkor. Am Ende gibt es einen Dialog zwischen der Seele, die stirbt, und dem Körper. Mishima interpretiert den Bayontempel mit seinen Gesichtern des Buddha Avalokiteshvara als quasi ewige, spiegelbildliche Verkörperlichung des Khmer-Königs Jayavarman VII., der den Bau in Auftrag gab. Die Idee, dass nicht die Seele, sondern der Körper unsterblich sei, findet hier ihren in Stein gemeißelten Ausdruck. Der Körper spricht zur Seele in einem zennahen Duktus: "Stirb nun also, verlösche. Der frische Morgenatem, der Morgenwind, in die weiten Lungen inhaliert - auf diese Weise beginnt der Tag für den Körper. Dann badet der Körper, kämpft, rennt, liebt, betrinkt sich mit den besten Weinen der Welt, wetteifert, um zu sehen, welche Form die schönere ist, macht Komplimente usf. - bis er sich am Ende des Tages mit einem anderen Körper zur Ruhe bettet. Der Körper ei

Verse von Kenji Miyazawa

Wenn du so sehr am Frieden leidest, werde ich dir die Familie ins Haus schicken, die jene Exekution überlebt hat. *** Und es muss sein, dass ich bald sterben werde, doch was auf Erden ist das, was man Ich nennt? Ich dachte, überdachte es mehrere Male, las und las, hörte, es wäre dies, wurde gelehrt, es wäre jenes, doch am Ende ist es noch nicht klar, was Ich genannt wird ... (Kenji Miyazawa, Lyriker, 1896-1933, Anhänger des Nichiren-Buddhismus und der Kokuchûkai .)

Nicht-Gier

So heißt eines der zehn "Gebote" von Jiun Sonja (1718-1804), einem gelehrten Mönch der Shingon-Schule des Buddhismus: "Wenn du mit der Regel der Nicht-Gier lebst und Farben betrachtest, dann sind alle - ob blau, gelb, rot oder weiß - hinreichend, um deine Augen zu nähren; und all die Winde in den Kiefern und das Murmeln des Wassers - wie Saiten- und Flötenmusik - sind deinen Ohren genug."

Wessen Gedicht steckt dahinter?

Den ganzen Tag höre ich die Worte der Freudenmädchen. Es ist, wie alte Bekannte zu treffen. Sag nicht, dass immer wieder Zweifel aufsteigen - jedes Mal, wenn es aufgebracht wird, ist es neu. (Tipp: Gesucht wird eine Frau, die an Ta-hui schrieb. Nur ihre erste Verszeile wurde hier geändert. [Ein Preis war ausgelobt, wurde aber abgelehnt.])

Das Ultrabuch des Zen-Meisters

Der am Ende des Spots zu sehende Phil Jackson war ein bekannter US-Basketballcoach, der mit den Chicago Bulls und Los Angeles Lakers elf Mal den NBA-Titel holte. Sein holistischer Trainingsansatz brachte ihm den Beinamen "Zen-Meister" ein, da er sich nach eigenen Angaben in seinem Leben vor allem an Robert Pirsigs "Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten" orientierte. 

Was Günter Grass gesagt werden muss

Es war eigentlich strategisch falsch, weil gegen einen ehemaligen Waffen-SSler die Vorwürfe nur aus dem Setzbaukasten der politisch Korrekten geholt werden mussten. Aber da Günter Grass ein Literatur-Nobelpreisträger ist und ich nicht, hat man weltweit seine nur lachhaft als Gedicht verkleidete politische Botschaft abgedruckt, und mein nun gleich entstehendes wahres Gedicht wird bloß eine Hundertschar wahrnehmen, obwohl ich nie was mit den Nazis zu tun hatte. Immerhin hat der mich zuvor oft durch eher verwirrte Botschaften nervende Grass für einen erheiternden TV-Abend gesorgt, an dem noch einmal das blödeste Märchen aller Zeiten auf allen Kanälen erzählt werden durfte: Dass ein muslimisches Land wie der Iran, das mit den muslimischen Palästinensern sympathisiert, die - wie wir alle wissen - in Israel Tür an Tür mit den Israelis leben, durch einen atomaren Erstschlag Israel auslöschen könnte. Also seine eigenen Glaubensbrüder notgedrungen gleich mit. Etwas Dümmeres wurde seit der Biow

Enni Ben'en: Selbsterwachen und Zen

Enni Ben'en (1202-1280) fuhr 1235 nach China und wurde nach sieben Jahren von einem Nachfolger in der Yang-ch'i-Linie des Lin-chi, Wu-chun Shih-fan (1177-1249) authorisiert. In Japan genoss er im Vergleich zu seinem Zeitgenossen Dôgen, der ihn folglich attackierte, einen besseren Ruf in den Herrschaftskreisen. Enni begründete das im chinesischen Stil errichtete Tôfuku-ji-Kloster, in dem er auch Hallen für die Tendai- und Shingon-Praktiken zuließ. Interessant ist seine Sicht auf Bodhidharma, den er als Selbsterwachten bezeichnet und der für ihn offenbar nicht als Metapher für die Sitzmeditation steht. Vielmehr seien nach dem Selbsterwachen das Zazen und direktes Zeigen (auf den eigenen Geist) als (weitere) anleitende Techniken dazugekommen. "Ihr sollt verstehen, dass es Methoden gibt, zu helfen und anzuleiten: eine ist die Technik der Sitzmeditation, die andere die Technik des direkten Zeigens. Sitzmeditation ist die große Ruhe, direktes Zeigen

April, April,
ich bin gar nicht tot!

Wenn ich auf den Seiten von Buddhismus heute der Diamantweg-Sekte (Karma Kagyü) surfe, kommen mir Ideen für eine Glosse nach der anderen. Kürzlich wurde der Tod Tenga Rinpoches vermeldet, und auf der englischen Wiki fand sich folgender Abgesang: "Rinpoche has entered the after-death-meditation, called Thugdam." Der Rinpoche ist also in die Nachtodmeditation namens Thugdam eingetreten. Wie ihr auf obigem Link sehen könnt, erscheint ihm beim Sterben für einen Augenblick die "wahre Natur des Geistes". Halt!, denkt da der Zenbuddhist, was kann denn daran Besonderes sein, wo sie sich bei einem "fortgeschrittenen Praktizierenden", dem allein sich solches offenbaren soll, doch längst im Laufe seines Vorlebens gezeigt haben müsste - sonst wäre er ja nicht erwacht. Ein schönes Beispiel tibetischer Logik, und dafür trainieren die Adepten zwanzig Jahre lang eifrig das Debattieren ...  Viel lehhreicher ist freilich die Einleitung zur Erklärung von Thugdam. "