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Posts

Es werden Posts vom August, 2010 angezeigt.

Angkor 1999 (I)

Mein Visum für Thailand lief aus. Ich musste kurz aus dem Land heraus, um bei der Einreise ein neues zu bekommen. Darum flog ich nach Phnom Penh. Meinen Kambodscha-Reiseführer hatte ich vergessen, also schloss ich mich einem älteren Pärchen aus Neuseeland an, das ich beim Geldumtausch am Flughafen kennenlernte. Wir bestiegen ein Taxi und steuerten N.s Gästehaus an, eine typische Backpacker-Absteige, eigentlich das, was ich sonst meide, wegen des unvermeidlichen Geschwätzes und der Kifferei der Jugendlichen, die man dort regelmäßig antrifft. Man musste sein Zimmer mit einem Vorhängeschloss verriegeln, vor dem mehrstöckigen Haus warteten bereits aufdringliche Mopedfahrer, um einem die wichtigsten Ausflugsziele aufzudrängen. „Killing Fields, Mister?“, meinte einer, „I am policeman, you safe with me.“ – „Oh, fine, I am policeman myself, so you safe with me, too“, log ich radebrechend und stapfte zu Fuss einmal ums Karree, um mich später in der Nacht besser orientieren zu können. Mit dem

Hirnforschung und die Zukunft der Meditation

Ich wurde auf das unten stehende Video aufmerksam gemacht. Es brachte mich darauf, dass die Hirnforschung hilft, den Buddhismus zu demystifizieren. Ihre wesentlichen Erkenntnisse, an Meditierenden gewonnen: 1) Der Meditierende ist glücklicher. Diese Erkenntnis bringt dem Buddhisten nicht viel, da auch Glück vergänglich und eine Form des Leidens ist. Außerdem kennt jeder glückliche Menschen, die nicht meditieren. 2) Der Meditierende entwickelt mehr Mitgefühl. Im Buddhismus ist dies karuna und entsteht - so man nicht glaubt, es auf einem ethischen Pfad entwickeln zu können - durch die Erfahrung der "Einheit alles Seienden". Damit steht sie mit Erkenntis 3) in Verbindung: Der Meditierende erlebt die Aufhebung der Trennung von Subjekt und Objekt, das Alleinssein. Dafür werden zwei Hauptgründe genannt: Die mangelnde Durchblutung bestimmter Hirnregionen und die durch Meditation erhöhte Funktion von sogenannten Gamma-(Hirn-)Wellen (über 30 Hz). Daraus folgt für mich, dass in abs

Das Oberflächen-Zen Nishijimas

"Menschen, die Schlechtes begehen, sinken und Menschen, die Gutes praktizieren, steigen auf." Aargh, wo sind nur die wahren Zen-Lehrer???    Heute machte ich mal wieder eine konsternierende Leseerfahrung. Nein, nicht mit guter Literatur, sondern mit diesem Vortrag des Nishijima-Schülers Seggelke. Er dreht sich um Ursache und Wirkung und Dogens Shobogenzo-Kapitel "Shinjin inga" - genau dasjenige, das die größten Widersprüche etwa zu seinen Erkenntnissen in "Uji" (Raum-Zeit) aufwirft. Seggelke greift die Gedanken des Normalbürgers auf, dass es nun mal böse Menschen gäbe, die davonkommen, und hält dagegen das Gleichnis von jenem Menschen, der nicht ans Karmagesetz glaubte und sich immer wieder als Fuchs reinkarnierte: "Dōgen macht aber deutlich, dass dieser Satz („Sei nicht unklar über Ursache und Wirkung“) unmissverständlich Klarheit darüber schafft, dass es überhaupt keine Ausnahme und keine Abweichung bei diesem Gesetz gibt. Nishijima Roshi vertri

Dôgen Zenjis Eihei Kôroku

Ich habe heute, am 08.08.2019, einige Auszüge aus dem Eihei Kôroku in diesem Blog entfernt (vor allem Verse wie den untenstehenden). Es gibt nun eine - 2017 überarbeitete - gedruckte Gesamtausgabe (25 €) und ein Ebook (9,90 €) , und ich freue mich, wenn Ihr sie Euch - als Ergänzung zum Shôbôgenzô - zulegt. Einige relevante - und teils überraschende - Aussagen aus dem Eihei Kôroku findet Ihr weiterhin, wenn ihr den Buchtitel oder "Dôgen" in die Suchfunktion oben rechts im Blog eingebt. *** Auf die Verse von Shûsai Bunpon reimend a. Nach dem Weg strebend, verfasst er manchmal Gedichte, vollkommen und herausragend in Wort und Wahrheit. Doch die Weisheit scheint aufs gesamte Universum. Welchen Teil hältst du für jenseits des Buddha-Landes oder des Nicht-Handelns? b. Ein abgestorbener Baum und ein Fels sind ein Labyrinth. Wenn du von jemandem ein Pferd bekommen hast, gib einen Ochsen zurück. Entsage der Welt und geh auf einen abgelegenen Berg, ohne den Wunsch

Alkohol und Weisheit

Sich durch Alkohol zu berauschen ist verpönt im Buddhismus. Die Übersetzungen des entsprechenden Gebotes, der betreffenden Regel, weichen voneinander ab. Zuweilen werden auch andere Drogen damit umfasst, und die Interpretation des Gebotes wird angewandt auf alle Suchtmittel, auch Zigaretten.    Viele von uns werden jedoch den Verdacht nicht los, dass es neben all dem Leiden, dass der Alkoholiker sich und seinen Nächsten einbrockt, auch einen Zusammenhang zwischen den im Rausch gewonnenen Einsichten und einer gewissen Kreativität geben könnte. Ich glaube, so kann man es sagen, ohne jemanden zum Säufer zu machen. Denn in einer Hinsicht dürften wir alle zustimmen, dass dies möglich ist: im Hinblick auf den Liebes-Rausch.    Raymond Carvers erste Frau berichtet im folgenden Film freilich von "kreativen Pausen" ihres Mannes, wenn der Suff im Vordergrund stand. (Die Fortsetzung des Filmes findet man auf youtube.)     Wer Carvers Leidens- und Schriftstellerkollegen John Cheever, sc

Schreiben ist Religion

Heute las ich in "On Becoming a Novelist" von John Gardner (1933-1982). Er war Autor und Schreiblehrer, mit Einfluss auf einen meiner Lieblingsautoren, Raymond Carver. Der letzte Absatz seines Ratgebers für Romanautoren zieht eine interessante Parallele zwischen dem religiösen Pfad und dem Weg eines Autors. Ich übersetze:    "Der wahre Romanautor ist einer, der nicht aufgibt. Romane schreiben ist nicht so sehr ein Beruf wie es ein yoga ist, ein 'Weg', eine Alternative zum gewöhnlichen Leben-in-der-Welt. Sein Nutzen ist quasi-religiös: eine veränderte Qualität von Geist und Herz - Befriedigungen, die kein Nicht-Autor verstehen kann; die Härten dieses Lebens bringen im Allgemeinen nur dem Geist (spirit) Gewinn. Wer sich authentisch zu solch einer Tätigkeit berufen sieht, dem genügt dieser spirituelle Gewinn."

Zen-Buddhismus und Pali-Kanon

(recycelt aus einer Mailingliste)   Es gibt nicht DIE "Sicht des Buddha" - nur Deine eigene. Würde man sich bemühen - statt dem Zugeständnis an die eigene Schulrichtung und Lehrtradition, inclusive eines Bewusstseins für deren Schwerpunkte und deren Versuche, Ungereimtheiten auszubügeln - eine "objektive" Sicht aus den Schriften allein zu entwickeln, so wäre diese eine der "Verwirrung". Eine kongruente Sicht aus der schriftlichen Überlieferung abzuleiten ist unmöglich, das sollte man sich zunächst klarmachen, ehe man an die Schriften herangeht. Wer das nicht tut, wird zwangsläufig enttäuscht - oder geistige Verrenkungen vornehmen müssen. Widersprüche werden bleiben - und die Frage, was wir heute daraus machen. Wir sehen das immer wieder, wenn verschiedene Schulrichtungen hier aus dem gleichen Kanon zitieren. Daran erkennt man auch, wie weit Zen-Lehrer wie Seggelke sind, wenn er Folgendes behauptet - selbst wenn es gut gemeint sein sollte: &

Kodo Sawakis Lieblingsnonne

Kasai Joshin-san (1914-1984), Kikue genannt, war noch ein Baby, als ihr Vater, ein Arzt, Selbstmord beging. Auch Kikues Mutter starb früh, weshalb ihr Großvater sie großzog. Mit Anfang Zwanzig wurde sie mit dem Besitzer eines Kleidergeschäftes verheiratet. Dieser besuchte gern Geishas, und so ließ sich Kikue schon bald von ihm scheiden und zog zu ihrer Tante in Tokio, die Schülerin von Harada Sogaku Roshi war. Kikue nahm an deren wöchentlichen Zazen-Treffen für Laien teil (zazenkai). Bald wurde sie von Hashimoto Eko Roshi ordiniert und übte sich im Kesanähen, Zazen und dem Bettelgang (takuhatsu) im Kaizenji, einem Nonnentempel in der Präfektur Aichi. Nach einigen Jahren hegte sie Zweifel und kehrte zu ihrer Tante in Tokio zurück. Dort hörte sie zum ersten Mal Lehrreden (teisho) von Sawaki Roshi  (1880-1965) und wollte seine Schülerin werden. Es war nicht leicht, den Lehrer zu wechseln, doch Hashimoto und Sawaki kannten sich. Trotzdem hielten sich beide bedeckt und ermutigten Kikue nich

Warum Weisheit vor den Geboten kommt

(recycelt aus einer Mailingliste) Kürzlich hatte ich eine ernüchternde Erfahrung mit jemandem, dessen Blog ich schätze. Es ging um die Ansicht, belegt durch Zitate, dass der Buddha gegen Ehebruch sei. Ich analysierte diese Zitate und sagte, hier sei klar davon die Rede, dass ein Verheirateter nicht seine eigene Frau teilen solle (also Egoismus). Ehebruch war in diesen Zitaten stets, nicht eine verheiratete Frau zu nehmen, und eben nicht, was im Fall des Buddhisten Tiger Woods diskutiert wurde, dass ein Verheirateter irgendeine (auch nicht-verheiratete) Frau nimmt. Schließlich zog sich der Theravada-Mönch auf eine Auslegung zurück, die doch nun mal seit 2.500 Jahren Bestand habe und nach der dann eben die unverheiratete Frau den Ehebruch beginge. Das aber stand in seinen Zitaten eben gar nicht. Und ich warte bis heute auf umfassendere. Es ist absolut klar, dass Lehren, die zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten entstanden, nicht allgemein verbindlich sein können.

Warum man alle das Gleiche lehren sollte und Nibbana gemäß der dukkha-Lehre gleich dem Tod sein müsste

(aus einer Mailingliste) I. "Die häufigsten Mißinterpretationen der Lehre rühren von der Annahme, daß jede Belehrung für jedermann gleichermaßen geeignet ist und daß sie, jeweils für sich genommen, nur vorläufige Belehrungen sind." In Foren habe ich immer wieder erfahren, dass dies nicht eine häufige Mißinterpretation, sondern im Gegenteil die gängigste ist. Und erkannt, dass genau sie falsch ist. Dies ist also eine der Meinungen, gegen die ich scharf angehe. Aus einem einfachen Grund. Aus eigener Erfahrung betrachte ich es als Aufgabe, den Dharma allen Menschen gleichzeitig vermitteln zu können - in einer heterogenen Gruppe von Akademikern und Analphabeten wäre es die Aufgabe Buddhas, die passenden Worte oder Gesten für alle zu finden. Ich halte dies für möglich. Ansonsten stelle ich die Gegenfrage: "Was im Pali-Kanon hat der Buddha denn für die Gebildeteren gesprochen, sag es mir, dann spar ich mir den Rest." Diese elitären Ausreden haben für mich gar keinen We

Ratschläge fürs Leben

"Sei frei von Habgier    - das ist besser als Spendenfreudigkeit. Sei frei von Unwissenheit    - das ist besser als Zazen. Sei frei von Zorn    - das ist besser als Gelübden zu folgen. Sei frei von Gedanken    - das ist viel besser als ihnen nachzujagen." (Baisaô, 1675-1763, der alte Zen- und Teemönch) [Bild: Porträt Baisaôs von Ike Taiga mit Kalligrafie von Baisaô. Aus: Eastern Buddhist, No. XVII, 2.]

"Illusionen" beim Philosophen Hartmann

"Damals war die öffentliche Diskussion (...) über Hartmann als den Schöpfer des neuesten großen philosophischen Systems so lebhaft, dass man sogar sagte, das 19. Jahrhundert habe zwei Dinge hervorgebracht: die Eisenbahn und Hartmanns Philosophie.    Vor allem die 'drei Stadien der Illusion' ließen mich Dankbarkeit der Philosophie gegenüber empfinden. Um zu beweisen, dass das Glück nicht Ziel des Menschenlebens sein könne, entwickelte Hartmann das Konzept der drei Stadien der Illusion. Im ersten Stadium versuche der Mensch, in der realen Welt das Glück zu erreichen. Hartmann zählt die Illusionen dieses Stadiums: Jugend, Gesundheit, Freundschaft, Liebe, Ehre auf und zerstört eine nach der anderen. Liebe etwa sei im Wesentlichen Leiden. (...) Im zweiten Stadium suche man das Glück nach dem Tode. Die Voraussetzung hierfür sei die Annahme der Unauslöschlichkeit des Individuums. Das Bewusstsein des Individuums verlösche jedoch mit dem Tode. (...) Im dritten Stadium suche man da

Eine kleine Persiflage

""MEIN LEERES ICH Unzählige Flüsse habe ich überquert. Bei jeder Überquerung gab es einen Abschied. Und bei jedem Abschied habe ich meine Schätze einen nach dem anderen abgestreift. Zum Durchschwimmen der Flüsse entledigte ich mich meiner Kleidung. Um auf den Flößen treiben zu können, gab ich meine Edelsteine ab. Das Übersetzen mit den Fähren bezahlte ich mit meinen letzten Münzen. Unzählige Berge habe ich überquert. Bei jeder Überquerung gab es einen Abschied. Und bei jedem Abschied habe ich meine Schätze einen nach dem anderen abgestreift. Am Abgrund hängend löste ich mich vom Leid, den Steilhang erklimmend trennte ich mich von der Freude. Beim Überqueren der letzten Bergpässe habe ich schließlich sogar die Sehnsucht nach dir aufgegeben. Nachdem ich all diese Berge und Flüsse überquert habe, ist mir nichts mehr geblieben, was ich dir darbringen könnte. Da ich völlig leer bin, bin ich nun auch nicht mehr ich. So vermag ich nur noch als vollk