Einige Jahre, bevor mein Vater wegen seiner Krebserkrankung immer weniger körperlich aktiv sein konnte, tapezierte er mit mir meine Wohnung (der Vermieter hatte dazu aufgefordert). Für ihn, den ehemaligen Landwirt, einen Schaffer, Handwerker und späteren Hobbygärtner, war das Routine, für mich, einen Leser, Studenten und Träumer schon eine kleine Herausforderung. So ließ ich mich nicht lumpen und machte des Nachts einfach weiter, als er nach Hause zurückgekehrt war. Am folgenden Morgen präsentierte ich stolz meine kleinen Flur, ganz alleine tapeziert. Eine bläuliche Tapete mit weißen Vögeln drauf. "Warum fliegen die denn nach unten", fragte mein Vater und deutete auf einen Streifen, den ich anders als die anderen angeklebt hatte.
Heute habe ich über ein Stück vergilbter und braun gewordener Rauh- fasertapete, die ich zwischen die Vogeltapete geschaltet hatte, weil von der nicht genug übrig war, endlich etwas Schöneres geklebt, direkt über eine Tür. Es handelt sich um einen Enso, den typischen Zen-Kreis, den so viele Meister hinterließen. (Diesen von Torei Enji gibt es übrigens zu kaufen.) Er stellte mich vor ein Rätsel, bis ich unten ganz klein einen Herstellervermerk entdeckte. Ah, so rum ist es also richtig. Aber irgendwas schien noch immer nicht zu stimmen. In Gedanken nahm ich einen Pinsel in die Hand und malte den Kreis nach. Unmöglich. Was für eine Sauklaue, grinste ich in mich rein. Und kurz juckte es mich in den Fingern, den Kreis auf den Kopf zu stellen.
Ich glaube, heute habe ich mir diese Krawatte redlich verdient. Vorsicht: Der Werbetext wurde "von Robotern übersetzt" ...
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