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Kiye Jilue: Ein Gespräch über die Kunst der Strategie (II)

   Ich fragte: Ist das, was man kleines (Somun, 소문) und großes Tor (Daemun, 대문) nennt, links und rechts oder vorn und hinten?
   Hu antwortete: Das große Tor ist vorn und das kleine Tor hinten. Vorn ist links und hinten ist rechts.
   Ich erkundigte mich weiter: Was ist die "Hand des Yin-Yang" (Umyangsu, 음양수)?
   Hu antwortete: Eine Waffe wird mit den Händen geführt. Sie nach unten zu halten heißt Yin (kor. um), sie nach oben zu halten heißt Yang. Mit Yang fordert man heraus, mit Yin zerstört und tötet man. So ist es mit allem.
   Darüber wollte ich mehr wissen, und Hu fuhr fort: Wegen des Krieges sind all meine Soldaten besorgt, weil sie um die Sicherheit Koreas fürchten und nicht wissen, wann sie in ihre Heimat zurückkehren können. Darum habe ich dir nur eine ungefähre Antwort gegeben, ohne sie tiefer zu bedenken. Selbst die Cho- und die Je-Dynastie versagen, wenn sich im Land kein Talent findet, und sie erblühen, wenn solches Talent ausreichend vorhanden ist. Da nun plötzlich große Meister das Land verlassen haben und keine Nachfolger in Sicht sind, können wir schlecht erkennen, welche Theorie richtig und welche falsch ist. Selbst wenn ich also das, was ich sage, als Theorie bezeichnete, wäre es nur ein Teil des Ganzen und womöglich in der Zukunft nutzlos. Dennoch können wir das Thema nun gemeinsam untersuchen.
   Ich war zunächst Verwaltungsbeamter und wurde dann Befehlshaber, weshalb ich die Kunst der Strategie studierte. Darin enthalten sind: Handtechniken (Subup, 수법), Fußtechniken (Jokbup, 족법), Körpertechniken (Shinbup, 신법) und Wurftechniken (Tubup, 투법). Sich nur dieser Worte zu erinnern wäre natürlich sinnlos.
   Da das Überleben unseres Landes davon abhing, fertigte ich ein Dokument an, das auf Hus Entwurf beruhte und das er genehmigte. Hu selbst war so besorgt, dass er drei Tage lang nichts essen konnte und nach China zurückkehren wollte. Zu weiteren Erläuterungen war er also nicht in der Lage. [...]
   Im Juhae Jungpyun gibt es einen Vergleich der Vor- und Nachteile von Mo Won-uis alter Kampfkunst. Es wird beschrieben, dass bei der Anwendung der mehrspitzigen Bambuslanze (Nangsun, 낭선) eine Technik entwickelt wurde, bei der sich die Hände bewegten, als spielten sie mit Blumen, die Füße aber niemals nach vorn gingen. Eine weitere Waffe nannte man Speerspitze (Changsun, 창선). Als die Lehrer dieser Waffen gefragt wurden, wer gewänne, wenn ein Mann mit einer mehrspitzigen Lanze gegen einen mit einem Speer (Chang, ) antrete, antworteten sie: Wie könnte ein Speer die mehrspitzige Lanze bezwingen? Diese kennt doch Techniken wie den langen Griff (Daedang, 대당), den kurzen Griff (Sodang, 소당), den harten Druck (Daeap, 대압) und den weichen Druck (Soap, 소압). [...]
   Im "Buch des Schwertes"(Kumkyung, 검경) heißt es: Im Echo eines Schwertstreiches verteilen tausend Goldstücke ihre Kraft und machen eine Verteidigung nutzlos.
   Ich entwickelte zusätzliche Angriffstaktiken und gab sie sowohl an Lehrer der mehrspitzigen Lanze wie auch an die des Speeres weiter. Sie gewannen zehn von zehn Kämpfen. Dann kniete einer der alten Meister nieder und sagte: "Der Ursprung der Technik für die mehrspitzige Lanze war genau so, doch er wurde nicht bis in unsere Zeit übermittelt."
   Ein Gast fragte den Meister: "Warum habt Ihr, als Ihr diese Waffe beherrschtet, nicht Euer ganzes Heerlager damit ausgestattet?"
   Die Antwort lautete: "Wie könnten wir uns allein mit der mehrspitzigen Lanze zufrieden geben? Die Kunst des Schildes (Dungpae, 등패) ist dieser überlegen. Zwar hat jede Schild-Technik ihre eigenen Schwächen in unfertigen und steifen Stellungen, doch wenn jemand mit Schild und unbändiger Kraft angreift, wird auch die mehrspitzige Lanze nutzlos und kann einen Sieg nicht mehr gewährleisten."

(aus: Muye Tongji, einem koreanischem Kampfkunstklassiker, übersetzt unter Mitarbeit von H.-S. Kim)

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