Direkt zum Hauptbereich

Meister Dôgens Eihei Shingi:
Shuryô Shingi – Regeln für die Studienhalle (I)

 (Shin bedeutet hier die Akupunkturnadel - wie im Kapitel „Zazenshin“ aus Dôgens Shôbôgenzô - oder Ermahnung – im Gegensatz zum shin aus Eihei Shingi, das „rein“ bedeutet. Die Silbe gi steht für „Maßstab, Standard“.  Shuryô ist die Halle, die von Mönchen fürs Studium und in Pausen benutzt wird und in der für gewöhnliche eine Statue von Avalokiteshvara steht. Sie ist so angelegt wie die sôdô, die Mönchshalle, wo Zazen geübt, gegessen und geschlafen und der Bodhisattva Manjushri  verehrt wird.)

Die Etikette für die Studienhalle sollte sich nach den Regeln der Buddhas und Vorfahren und der Haltung der großen und kleinen Fahrzeuge richten, wie auch mit den „Regeln von Pai-Chang“(1) übereinstimmen. Im Zenen Shingi heißt es: „Alle Angelegenheiten, ob groß oder klein, sollten in Übereinstimmung mit den Regeln erledigt werden.“ Darum sollet ihr das Brahmanetz-Sutra(2) das Blumengirlanden-Sutra(3) und das „Sutra der dreitausend Verhaltensregeln“(4) studieren.

   Lest in der Studienhalle die Mahayana-Sutren und die Aussagen eurer Vorfahren; bringt euch auf natürliche Weise in Einklang mit den Lehren unserer Tradition, um euren Geist damit zu erleuchten. Mein verstorbener Lehrer Tiantong Rujing fragte einst: „Habt ihr je das Yuikyôgyo(5) gelesen?“ Die gesamte reine Gemeinschaft sollte in dem Bewusstsein verweilen, dass jeder hier wie ein Elternteil des anderen ist, wie ein Geschwister, Verwandter, Lehrer und guter Freund. Seid einander zugeneigt und kümmert euch mitfühlend umeinander, und wenn es euch irgendwie schwerfällt, bemüht euch dennoch um eine Atmosphäre der Harmonie und des Entgegenkommens.

   Wenn es irrige Rede gibt, sollte eine Ermahnung folgen. Wenn ihr Anweisungen erhaltet, solltet ihr sie akzeptieren. Diese Erfahrung wird euch nützlich sein. Kann man dies nicht als den großen Vorteil vertrauten Umgangs ansehen? Dankbar umgeben wir uns mit guten Freunden, die heilsame Eigenschaften im Überfluss besitzen, und wir sind glücklich, zu den Drei Schätzen Zuflucht nehmen zu können. Ist das etwa kein Grund zur Freude? Geschwister aus der Buddha-Familie sollten einander näherstehen als ihren weltlichen Geschwistern.

   Der Oberpriester(6) Huanglong Huinan sagte: „Selbst wenn man mit anderen beim Überqueren eines Flusses ein Boot teilt, resultiert das aus Begegnungen in früheren Leben. Dürfte darum unsere frühere Verbindung nicht noch stärker gewesen sein, wenn wir uns zu einem Sommer-Ango treffen?“ Ihr sollt verstehen, dass wir zeitweise wie Gast und Gastgeber sind, doch in unserem ganzen Leben nichts anderes als Buddhas und Vorfahren.(7)


[1] Das Hyakujô Shingi wird Pai-chang Huai-hai zugeschrieben, seine Existenz aber nie bewiesen; es ist die Grundlage für Klosterregeln im Zen und wird im letzten Teil des Zenen Shingi als „Verse aus dem Hyakujô Shingi“ zitiert.
[2] Enthält zehn Haupt- und achtundvierzig Nebengelübde des Mahayana.
[3] Enthält u.a. die drei reinen Gebote.
[4] Das „Sutra der dreitausend Verhaltensregeln“ entstammt der Theravada-Tradition und besteht aus den ca. 250 Regeln für Mönche multipliziert mit vier (für Gehen, Sitzen, Stehen, Liegen) und dann mit drei (für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Es wurde von An Shigao ca. 150 n.Chr. ins Chinesische übersetzt.
[5] Das „Sutra der letzten Anweisungen“, das der Mahayana-Tradition zugerechnet wird, wurde von Shakyamuni auf seinem Sterbebett gesprochen und enthält Ermahnungen und "Gebote". Eine Übersetzung folgt in den kommenden Tagen in diesem Blog.
[6] Jap. oshô, sanksr. upadhyaya.
[7] Ein Satz aus dem Zenen Shingi, wo jedoch von „Lehrern und Schülern“ gesprochen wird.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Falscher "Shaolin-Mönch" aufgeflogen

Den aktuellen Artikel zu Shi Heng Yi (Tien Sy Vuong) findet Ihr hier.    Am Samstag, den 19.03.2011, ist in der Süddeutschen Zeitung ein größerer Artikel über den Fake-Abt (Shi Heng Zong alias Monroe Coulombe) des "Shaolin Temple Europe" erschienen - Seite 11: "Der Shaolin-Schwindel". Wir hatten bereits im Januar 2010 das Thema aufgegriffen. (Dank an Heino für den Tipp.)

The poser Shi Heng Yi alias Tien Sy Vuong / Der Blender Shi Heng Yi vom Shaolin Tempel Europe

(English version first, translated with DeepL - zunächst auf Englisch, unten auf Deutsch) Since last year, I have been improvising a series of YouTube posts that deal with a certain "Shi Heng Yi". You can find the playlist here . Back in 2011, I took a critical look at the "Shaolin Temple Europe" (later the newspaper SZ reported on it). The "Shaolin Temple Europe GmbH " of the same name is now headed by Shi Heng Yi, who is said to have a business degree (MBA), among other things. This man, whose real name is Tien Sy Vuong and whom I have so far described as German-Vietnamese, is trying hard to market himself in social and other media as a " Shaolin master of the 35th generation " and also offers online courses. In the meantime, two people have reported "threats" and warnings to me via Messenger and in a forum. In one case, a critical video was deleted and only uploaded again in abridged form, in which a former student of Shi Heng Yi (S

Die Kommerzialisierung der Shaolin

Am Samstag Abend lief unter "Spiegel TV" (d.h.: besserer Boulevardjournalismus) ein mehrstündiges Porträt über einen engagierten jungen Mann, der sich dem "Shaolin-Tempel" in Kaiserslautern angeschlossen hat. Sein Werdegang wurde über einen längeren Zeitraum verfolgt, Ausschnitte dieser Sendung hatte ich schon mal gesehen. Keine Frage, der junge Mann meinte es ernst und war sympathisch. Wie ein freundlicher, harmloser Herbergsvater kam dann sogar der Abt rüber, Shi Heng Zong genannt, oder auch: der Sitaigung. Da macht einen ja schon mal stutzig, dass ein bärtiger Deutscher nur noch mit chinesischen Namen tituliert wird. Dabei hat er die buddhistischen Essensgebete durchaus eingedeutscht, und auch die Aufnahmezeremonie des jungen Mannes als Mönch lief ganz verständlich und routiniert auf Deutsch ab. Man muss den Leuten hinter dem Tempel auch ihre Ehrlichkeit (oder Naivität?) lassen, mit der sie den Werdegang des Abtes beschreiben, den wir natürlich - bei seiner Le