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Der Shobogenzo-Kommentator Tenkei Denson: Erleuchtung ohne Meister

Nach Manzan ist in der Edo-Zeit der bedeutendste Interpret des Werks Dôgens Tenkei Denson (1648-1735), der Verfasser des groß angelegten, umfassenden Kommentars Shôbôgenzô Benchû. Er stammte aus der Provinz Kii (Bezirk Wakayama), reiste in jungen Jahren ausgiebig durchs Land, studierte bei berühmten Meistern, auch bei Tetsugen aus der Ôbaku-Schule. Die Erleuchtungserfahrung erlangte er unter der Führung des Gohô Kaion, der zur Linie des Taigen Sôshin, eines Hauptjüngers Gasans, des hervorragenden Dharma-Erben Keizans, gehörte. Tenkei verwaltete das Vorsteheramt in mehreren Tempeln, aber sein Herz gehörte der Wissenschaft. Früh schon zog er sich zu privaten Studien in die Klause Yôshôan im Lande Tettsu zurück.
   Wie Manzan hegte er eine tiefe Verehrung für Dôgen. Aber bezüglich der Bestimmung der Nachfolgelinie stand er gegen Manzan. Die Bedeutung des Meister-Jünger-Verhältnisses tritt bei ihm gegenüber der Erfassung des wahren Dharma in der Erleuchtung zurück. Nicht die Übung bei einem Meister ist nach seiner Ansicht ausschlaggebend, sondern die Erlangung der Erleuchtungserfahrung, die auf mannigfache Weise angeregt sein kann. Das Siegel der Erleuchtung ist das Selbst. In der Begegnung des Selbst mit dem ursprünglichen Antlitz des Selbst wird die Erleuchtung erfasst. Das gesamte Universum kann diese Intuition bewirken. In der Berührung mit Sonne, Mond und Sternen, oder auch mit Bäumen, Gras und der Großen Erde kann der Mensch sein Selbst erfassen. Im Selbst kann er des wahren Dharma inne werden. Dies kann mit Hilfe eines Meisters geschehen, aber auch in ureigenster Erfahrung. Diese Interpretation Tenkeis zeigt zweifellos ein tiefes Verständnis von Zen, ja einen metaphysischen Anflug im Ergreifen des Wesentlichen.
  Die zeitgenössischen Sôtô-Meister zogen in ihrer Mehrzahl Manzans Erklärung vor. Die Weitergabe von Geist zu Geist im Meister-Jünger-Verhältnis ist eine in der Zen-Tradition tief verwurzelte Anschauung. Freilich haftet ihr ein Mangel an, der in der Zeit des niedergehenden Dharma besonders schmerzlich empfunden wurde. Wo gab es in der Edo-Zeit unter den Mönchen die genügende Zahl echter, ungetrübter Meister und Jünger, die die lautere Weitergabe des Geistes verbürgten?
   Die Angriffe gegen die Interpretation des Tenkei Denson waren weniger metaphysischer als vielmehr philologischer Art. Tenkei hatte seinem Kommentar die sechzigbändige Ausgabe des Shôbôgenzô (hg. von Giun) zugrunde gelegt. Mit der Textgestalt war er großzügig umgegangen, hatte Veränderungen vorgenommen, so dass Manzans Jünger ihm Willkür in der Textbehandlung vorwarfen. Auf beiden Seiten sammelten sich eine Anzahl von Gelehrten. Es fehlte nicht an Gegenschriften gegen Tenkei Denson, unter diesen wohl die schärfste das Shôbôgenzô Benbenchû (2 Bde. 1766) des zeitgenössischen Kommentators Manjin (auch gelesen Banjin) Dôtan (1698-1775). Trotz der harten Kritik aus der eigenen Schule gilt Tenkei Denson als ein großer Gelehrter des Sôtô-Zen während der Edo-Periode.

[Heinrich Dumoulin: Geschichte des Zen-Buddhismus, Band II]

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