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Dôgen, Hui-neng und das Nirvana-Sutra

[Aus Anlass der Kommentare zu den letzten Blog-Beiträgen hier noch mehr von Dumoulin über Hui-neng. Die Frage, inwiefern das Hochsitzsutra und die hier zitierten Stellen daraus Hui-neng zugewiesen werden dürfen, bleibt offen.]

Zahlreiche Ausdrücke im Hochsitzsutra des Sechsten Patriarchen sprechen von der «Natur». Außer von der Natur schlechthin, wie im Kernwort vom «Sehen der Natur» (kenshô), ist die Rede von der «Eigennatur» oder «Selbstna­tur» (jishô), der «ursprünglichen Natur» (honshô), der «Weisheitsnatur» (chieshô), der «Dharma-Natur» (hosshô) und der «Buddha-Natur» (busshô). Der plötzliche Erleuchtungsweg Hui-nengs fügt sich, indem er die Lehre von der Buddha-Natur integriert, allseitig in das Mahâyâna-Denken ein. Die Lehre von der Buddha-Natur aller Lebewesen ist die Zentralbotschaft des wichtigen Nirvâṇa-Sutras, dem Hui-neng gemäß der «Besonderen Überlieferung» als erster Mahâyâna-Schrift begegnet sein soll. Das Hochsitzsutra spricht diesen Vorzug dem Diamantsutra zu, aber berichtet im autobiographi­schen Teil von einem Wechselgespräch zwischen dem fünften Patriarchen Hung-jen und dem Burschen Lu, in dem ziemlich unvermittelt das Wort «Buddha-Natur» fällt (Nr. 3).

Das Hochsitzsutra des Sechsten Patriarchen entwickelt die Lehre von der Buddha-Natur nicht ausführlich, wohl aber Shen-hui, der in seinen Reden im Anschluss an das Nirvâṇa-Sutra ausführt, dass die Buddha-Natur ungeboren und unzerstörbar ist. Er zitiert das Wort aus dem Sutra: «Weil sie (die Buddha-Natur) weder sinnlich wahrnehmbar noch übersinnlich, weder lang noch kurz, weder hoch noch niedrig, weder hervorgebracht noch der Zerstörung anheim­fallend ist, kann man sie beständig nennen (1).» Diese Aussage und andere ähnliche des Sutras sind verschieden ausgelegt worden. Die Südschule des chinesischen Zen erkennt der Buddha-Natur wie der Selbstnatur Realität, aber keine Substantialität zu. Bezüglich der Selbst-Natur sagt das Hochsitzsutra: «Auch wenn die Selbstnatur Gedanken entstehen lässt und obgleich Sehen, Hören, Wahrnehmen, Erkennen vorkommen, so wird sie dennoch von den mannigfachen Dingen der Umgebung nicht befleckt und ist immer frei (Nr. 17). Ebenso wenig wie die mit dem Nicht-Gedanken (munen) identische Selbstnatur kann die Buddha-Natur als eine von den Erscheinungen verschie­dene Grundsubstanz angesehen werden. Diesen Punkt stellt ein in der Zen-Chronik Keitoku Dentôroku überliefertes Lehrgespräch des Landesmeisters Hui-chung klar heraus (2).

[Zuvor schreibt Dumoulin etwas, das Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zwischen Dôgen und Hui-neng andeutet:]

Im Einklang mit den mahayanistischen Grundlehren von der mit der Meditation identischen Prajñâ und dem Nicht-Geist betont das Hochsitzsutra die geistige Dimension der Übung. Dass in der Südschule ein Klima intensiver Übung herrschte, kann nicht bezweifelt werden. In der folgenden Generation zeigt sich die Zen-Aktion in vollem Schwung. Die traditionelle Übung der Meditation im Hocksitz stand in Ehren. Dies bezeugt die unveränderte Hoch­achtung für den legendären Stifter Bodhidharma, dessen sechsjährige [sic!] Wand­meditation zur Grundlage des Zen-Mythos gehört. Hui-neng selbst ist gemäß der Überlieferung im Hocksitz meditierend ins Nirvâṇa eingegangen.
Der Erleuchtungsweg der Lehre der Plötzlichkeit ist im Hochsitzsutra des Sechsten Patriarchen nicht dem Phänomen nach beschrieben, aber die wesentlichen Hauptpunkte bezüglich der Übung und Erleuchtung sind klar herausge­hoben. Das Sitzen in Meditation ist als äußere Übung vorläufig und letztlich belanglos; das Eigentliche ist das Nichthaften des Geistes, die ungegenständli­che Meditation, die an keinem Etwas festhält. Der Geist bedarf keiner allmähli­chen Reinigung, da seine ursprüngliche Reinheit im Saṃsâra unbefleckt bleibt. Die Erfahrung geschieht im plötzlichen Erwachen zur Weisheit. Meditation und Weisheit sind identisch. Unbehindert von den Trübungen des Saṃsâra leuchtet die Weisheit. Der Erleuchtete versteht ihr Licht als seine eigene ursprüngliche Natur. In Hui-nengs Zen der Patriarchen fließen wichtige Hauptströme des Mahâyâna zusammen.


(1) Gernet, a.a.O., I, 6, S. 20. Ich (Gui Do) möchte hier auch auf das Kapitel "Busshô" im Shôbôgenzô verweisen, wo Dôgen das Nirvana-Sutra zitiert: Der Buddha sei ohne Veränderung.
(2) Buch 28, T. Bd. 51, S. 437c, vgl. Shoki, S. 161ff.

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