"Der wesentliche Gedanke der Friedlichkeit ist der, dass mich die Dinge nicht isolieren [wörtlich: 'das Bewusstsein spalten']. Durch Friedlichkeit erlangt man die Kräfte (kago)* der strahlenden Götter des Himmels und der Erde; man wird eins mit ihrer Wirkkraft und erfüllt die große Leere. So wird man, ohne danach zu trachten, von selbst den Sieg erlangen. Es ist wie mit dem Echo in einem Tal. Folgt man der Friedlichkeit, wird man Eine Kraft mit Himmel und Erde bilden; man kennt bei sich selbst weder Innen noch Außen, Gestalt und Energie sind nicht voneinander getrennt und man benutzt keine mindere Wirkkraft mehr. Die grundlegende Wirkkraft von Himmel und Erde ist wie die grundlegende Wirkkraft des Wachsens großer Bäume. Man selbst und andere erscheinen in Energie und Gestalt. Die Verzweigungen dieser Energie sind dennoch dieselbe Energie wie bei mir selbst. Der Baum verteilt seine Energie von Anfang bis Ende, von den Wurzeln bis in die Blätterspitzen. Wenn daher die Wurzel feucht ist, dann gedeihen auch die Äste und Zweige. Wenn aber die Wurzel trocken ist, dann sterben auch die Äste und Zweige ab. Ebenso verhält es sich mit der Einheit der grundlegenden Energie. Und so ist es auch mit meiner eigenen Gestalt und Energie, wenn die Extremitäten [Äste und Zweige] zwar vital sind, aber nicht den Beistand der grundlegenden Energie haben. Darum erschließen die friedlichen Mittel die grundlegende Wirkkraft von Himmel und Erde und lassen diese im Körper zirkulieren, so dass man nicht mehr unterliegen kann; dies sollte man wissen. Energie und Gestalt zu trennen und sich auf sich selbt zu stützen bedeutet hingegen, nur die Zweige und Äste zu gebrauchen."
[* Anm.: kago, der 'göttliche Beistand' ist auch ein Synonym für 'Kraftübertragung' (kaji) im Shingon-Buddhismus]
[Quelle: Dr. Julian Braun (mit freundlicher Genehmigung): Texte aus der 'Schule der anhaltenden Feindlosigkeit' (Heijô muteki-ryû). Ein Beitrag zum 'gemeinsamen Weg von Schwert und Pinsel' der Samurai im Japan der Tokugawa-Zeit.]
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