Lasst uns mal ein bisschen in der "Befragung des Ugra(datta)" lesen. Jan Nattier (übrigens die Frau von John McRae, dem Experten für chinesisches Zen), hat ein sehr lesenswertes Buch inclusive Übersetzung des Ugrapariprcchâ geschrieben, mit einem wahninnig ausführlichen Apparat, den man aber nicht unbedingt braucht, um sich über so manche Textstelle nicht schlecht zu wundern: A Few Good Men (Honolulu 2003). Das Sutra, das hier verhandelt wird, liegt mal wieder nicht vollständig im Sanskrit vor, dafür aber in drei chinesischen Übersetzungen (u.a. von Dharmaraksha alias Chu Fa-hu), einer tibetischen und indischsprachigen Auszügen in Shântidevas Shikshâmuccaya. Das Sutra wird von Nattier als Bodhisattva-, nicht als Mahayana-Sutra eingestuft, weil es sich nicht explizit vom Hinayana abgrenzt, nicht die "Leere" erörtert, keine Verehrung himmlischer Buddhas und Bodhisattvas kennt (ein schöner Zug, statt Bodhisattvas um Hilfe zu bitten, wird hier auf Selbstverantwortung und Einsicht gesetzt).
Ein zentraler Begriff ist der grhapati (Pali: gahapati), der gemeinhin als "Haushälter" übersetzt wird und den Laien bezeichnet, der nicht im Kloster lebt. Übersetzungsvorschläge reichen bis hin zu "Kapitalist", da mit dem grhapati oft der Beruf eines Händlers verbunden wird. Der "Haushälter" ist hier also stets jemand von gewissem finanziellem und gesellschaftlichem Status. Im Gegensatz zum upâsaka, der als Laie im Grunde an einen klösterlichen Orden angebunden war, waren die grhapati ungebundener. Der Buddhologe Hirakawa sieht einen Wandel von dieser ursprünglich unabhängigen Bodhisattva-Bewegung hin zu einer klösterlichen Form des Mahayana, bis auch die Laien sich einer Ordination unterzogen. Das vorliegende Ugra-Sutra beschreibt sowohl die Regeln für (vorklösterliche) Laien wie auch für Mönche. Es wendet sich, wie man an den Formulierungen erkennt, an Männer. Im Gegensatz zu den Weisheits-Sutren betont das Ugra-Sutra von den sechs pâramitâ in erster Linie die Gebefreudigkeit (dâna).
Kommen wir zum Sutra selbst. Zunächst macht es uns Männern Hoffnung: "Zufrieden mit den eigenen Frauen (ja, Plural, laut des Sanskritzitates!) und ohne Verlangen nach den Frauen der anderen" heißt es da in einem Satz aus einem der Gebote, und endlich wähnt sich der Buddhist im Muslimdasein, das ihm die Vielweiberei gestattet (wenn auch nur mit "eigenen" Frauen). Doch schon geht's in die andere Richtung: Packt einen das Verlangen nach der eigenen Frau, so sollte man diese als unrein ansehen. In einem späteren Kapitel wird detailliert beschrieben, wie man die Abneigung gegen die eigene Frau kultiviert. Sie sei anzusehen als "Freund in Glück und Genuss, doch nicht im nächsten Leben, Gefährtin beim Essen und Trinken, aber nicht beim Erfahren der Früchte des Handelns, kurz: eine Freundin im Vergnügen, aber nicht im Leid." Die tibetische Übersetzung verschärft noch den Ton, man solle die Frau als Feindin, Henker, Dämon, Hexe, Menschenfresser ansehen, als undankbar, begehrlich und als schlechten Freund. Im folgenden Kapitel wird erläutert, wie man sich dem eigenen Sohn entfremdet. Wer schon immer mal einen Hinweis brauchte, um seine Familie zu zerrütten - hier wird er fündig. Und das sind erst die Regeln für den Laien. Selbst zusammengefasst klingen sie noch unmenschlich: Sei niemandem Freund noch Feind ...
Namaste!
AntwortenLöschenIch persönlich sehe ja die 10 Hauptregeln des Brahmanetz-Sutras, wie sie im Soto Kyokai Shushogi aufgeführt sind, als angemessen und praktikabel für den Laien an.
Was die Vielweiberei anbelangt: wer kann sich heute noch erlauben mehrere Frauen zu ehelichen (ich gehe mal davon aus, dass man sie nicht alle einfach malochen schickt)?
< gasshô >
Benkei