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Yamazaki Ansai:
Shintoismus und Buddhismus

"Yamazaki Ansai (1618-1682) ist in den Darstellungen zur japanischen Philosophie und Geistesgeschichte v.a. als Begründer des Suika-Shintô bekannt; eine der großen Shintô-Strömungen der Tokugawa-Zeit (neben dem Yoshida-Shintô, dem Watarai-Shintô, dem Fukko-Shintô und dem Sannô Ichijitsu Shintô). Während dieser Zeit wandten sich die Shintô-Denker vom Buddhismus ab und den konfuzianischen Lehren zu; daneben prosperierten natürlich auch die konfuzianischen Strömungen (Shushigaku, Yômeigaku, Kogaku, Shingaku, Mitogaku, Setchugaku, Kokugaku)." 
   Es folgt ein Auszug aus seinem Text „Vermeidung der Irrlehren“ (Byaku´i), wie die Einleitung mit freundlicher Genehmigung von Dr. Julian Braun.

„Die konfuzianischen und die buddhistischen Lehren ähneln sich in vielen Punkten. Aber selbst wenn sich die Übereinstimmungen wie z.B. bei zwei sich äußerlich gleichenden Menschen nicht auf die Erscheinung beschränken, sondern sich sogar auf ihr Bestreben und Gemüt erstrecken, so sind die beiden ihrem eigentlichen Wesen (黄本) nach doch gänzlich verschieden. Darum muss hier unbedingt Richtiges von Falschem unterschieden werden. Meister Cheng Hao, der ´Klare Weg´ (廖明), hat demgegenüber vehement darauf hingewiesen, dass die beiden Lehren sich vielleicht äußerlich gleichen, innerlich aber völlig verschieden sind. Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden zu verdeutlichen, hat er folgende Methode benutzt: Wir verwenden häufig den Ausdruck, ´auf den Weg hören/den Weg vernehmen´. Dieses Hören beschränkt sich dabei nicht auf das alltägliche Hören, sondern meint das eigenen Verkosten der Gründe (天理お味わわ) und das rechte eigene Verhalten. Der Weg existiert ganz natürlich als Prinzip der Beziehungen zwischen Herr und Untertan, Eltern und Kindern, Eheleuten, Geschwistern und Freunden und hat nichts mit dem unergründlichen Mysterium der Buddhisten zu tun, demzufolge man, wenn man einmal zur großen Erleuchtung gelangt ist, von diesem Augenblick an alles klar versteht. Wir selbst sind mit den täglichen Dingen zufrieden und dem Bemühen sie zu achten; was darüber hinaus geht, bereitet nur Kummer und Schmerzen, weshalb es besser ist, nicht danach zu verlangen. Aber solche einfachen, grundlegenden Prinzipien machen den heutigen Menschen nicht mehr genug Freude. Statt dessen erfreuen sie sich lieber an aufgeblasenen buddhistischen Lehren und irgendwelchen tiefgründigen Vorlesungen; ist so etwas nicht unvernünftig? 
   Die Heiligen und Weisen des Altertums erklärten den Weg damit, dass ´die Worte unbedingt redlich und die Taten unbedingt anständig´ sein sollten*; sie lehrten, dass man diese beiden  Anforderungen im täglichen Leben durchsetzen solle, ohne auch nur im Geringsten davon abzulassen. Der erleuchtete Shun vergaß nicht den weisen Yao; selbst wenn er in seinen eigenen vier Wänden oder beim Essen war, dachte er immer an ihn. In den buddhistischen Lehren wird hingegen das eigene Herz nur von einem selbst reflektiert; heißt dies nicht, dass man lediglich sich selbst beobachtet? Wohin soll das führen? Das eigentliche Wesen des Herzens ist unvorstellbar und unerreichbar. Und ferner besteht ein gewaltiger Unterschied zu Eurer Erklärung, derzufolge sich das Bewusstsein, welches die Dinge anfänglich nicht erkennt, nachdem es einmal in Kontakt mit ihnen getreten ist, sich auf alles erstreckt.
   In eurer Zen-Schule geht es doch darum, alles im eigenen Herzen zu finden; dies ist ein höchst missverständlicher Ausdruck. Die rechte geistige Haltung den Dingen gegenüber kommt vom Himmel und liegt im eigentlichen Wesen (des Menschen); sie erfolgt ohne Mühe, wenn man die grundlegenden himmlischen Prinzipien entdeckt. Was aber sind die ´himmlischen Prinzipien´ (天天)? Wenn Sakyamuni die himmlischen Prinzipien erkannt hätte, wie könnten sich dann seine früheren und späteren Lehren so widersprechen? Das entscheidende an seinen Unterweisungen ist die Verirrung des ursprünglichen Geistes (黄人), doch war er sich dessen nicht bewusst. Heutzutage folgen viele Gelehrten solchen falschen Erklärungen. Ich bin zwar noch nicht davon beeinflusst, befürchte aber, dass sie sich bereits auch auf redliche Menschen erstrecken; darum sollte man besonders vorsichtig sein.“

(* Lunyü, XV.6: „Zi-Zhang fragte, wie man sich benehmen solle, um überall zurecht zu kommen. Konfuzius antwortete: Offen und ehrlich reden, redlich und pflichtbewusst handeln – damit kommst du selbst bei den Barbaren zurecht. ... Stehst du, dann sieh diese Worte ´offen, ehrlich, redlich, pflichtbewusst´ gleichsam vor dir, wie der Wagenlenker das Pferdegespann. Sitzt du im Wagen, dann sei es, als ob sie im vorderen Querbalken eingeritzt seien. So wirst du dich überall richtig verhalten.“)

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