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Ein paar Fehler Nishijima Roshis ...
und wie man eine Robe anlegt

Im letzten Jahr war ich stark in Zen-Foren unterwegs, noch immer diskutiere ich auf einer Mailingliste mit, und ich bin mir bewusst, dass meine Anschauungen einigen dort aufstoßen und auch nicht unbedingt meinem Verlagsgeschäft dienen müssen. Doch der Zen-Weg ist keiner des Kommerzes, und wenn es dabei um Leben-und-Tod geht, dann sicher auch um so etwas Hehres wie die Wahrheit.
   Zuletzt rissen wir das Thema an, was eigentlich "Erwachen" sein könne, und wie ich in einem anderen Blog-Beitrag schrieb, möchte ich Dogens Sichtweise insofern korrigieren, als ich nicht an ein "Abfallen des Körpers" noch einer "Geist-Körper-Einheit" glaube (auch wenn die erlebte Entgrenzung vorübergehend den Körper mit einschließt) bzw. meine Erfahrung nicht so nenne möchte.
   In einem Blog der Dogen-Sangha stieß ich bereits nach ein paar Minuten Lesen auf zwei offensichtliche Lehrinhalte Nishijima Roshis, der nicht nur wegen seiner Shobogenzo-Übersetzungen als Dogen-Experte gilt. Dogen-Experte heißt aber meist eben auch: mit der Dogenschen Betriebsblindheit geschlagen. Ich greife die Punkte heraus, die sein Schüler Seggelke über ihn behauptet.
   1) "Nishijima Roshi ergänzt, die Verwirklichung oder Erleuchtung bedeute, dass wir zu unserem eigenen natürlichen Ursprung zurückkehren, weshalb sie keinen fundamentalen Umbruch in unserem ursprünglichen Charakter bewirke." (Eintrag vom 5. Juli 2010)
   Falls mit dieser nebulösen Formulierung kein Zirkelschluss gemeint sein soll, (Ursrpung=Charakter)  sondern was ich denke, möchte ich widersprechen. Keine fundamentale religiös-mystische Erfahrung bleibt ohne entscheidende Auswirkungen auf den Charakter und die Lebensweise. Bei mir führte sie z.B. dazu, dass ich einen Verlag mit Zen-Schwerpunkt gründete und mich verstärkt und im Lauf der Zeit von Dingen (Besitz) trennte. Außerdem sah ich den Tod anders als zuvor und verhielt mich anders dazu. Es sind manchmal nur kleine Kursänderungen, die an ganz andere Orte führen. Dies leitet über zu Punkt
   2) "Nishijima Roshi sagt dazu, dass es bei der Erleuchtung wesentlich sei, sich diese immer als Zustand des Gleichgewichts zu vergegenwärtigen. Wir sollten niemals irgendeine großartige Besonderheit dabei erwarten. Da die Erleuchtung im Gleichgewicht stattfinde, sei sie immer ruhig und schön wie die Natur." (Eintrag vom 30. Juni 2010)
   Sicher ist es richtig, "nichts zu erwarten". Jedoch wird ja im nächsten Satz genau das Gegenteil gemacht, nämlich eine bestimmte Erwartung erzeugt: Die Erleuchtung sei "ruhig und schön wie die Natur". Tatsächlich gibt es keine festgelegte Form der Erleuchtung, und ganz sicher kann man nicht nur zu einer Seite der Wirklichkeit erwachen und dies für eine vollständige Erleuchtung halten. Die Natur ist nun mal auch "unruhig und hässlich", wenn wir ihr denn schon Eigenschaften zuweisen. In ihr findet ein in unseren Augen oft grausamer Kampf ums Überleben statt. 
   Wenn wir erwachen, dann zum Guten wie zum Bösen. Alles findet seinen Platz, nichts ist ausgeschlossen. Erst die Tatsache, dass wir die Phänomene als das erkennen, was sie sind (als "leer"), macht dann auch das Loslassen so viel leichter. 
   Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, ein Erwachter kenne nur noch "das Gute". Wir könnten nun zahlreiche Zen-Meister aufführen, die als erwacht galten, aber offenbar - zum Beispiel durch Kriegsteilnahme - nicht nur Gutes taten. Im Umkehrschluss ließe sich ihnen das Erwachtsein absprechen. Es ist jedoch realistischer, davon auszugehen, dass sie in ihrem (vollständigen) Erwachen die Notwendigkeit des Bösen erkannt haben könnten, so wie es sich zum Beispiel darstellt, wenn man es gegen etwas anderes einsetzt, das man als böse empfindet (sei es der Kommunismus oder sei es ein Hitler, der auch nur mit Gewalt zu beseitigen war).
   Zu erinnern ist jedoch auch daran, dass im Dogenschen Sinn - wenn wir den Schwerpunkt seiner Lehre etwas anders setzen - kein singuläres (oder wiederholtes) Erleuchtungserlebnis vonnöten ist. Die Haltung des Zazen ist eines der brauchbarsten Mittel, das Erwachen zu "symbolisieren", also dessen Kern - das Nicht-Anhaften an Gedanken - zu praktizieren. Man kann dies auch ohne Zazen tun. Man kann auch als Nicht-Buddhist so tief von einer Erkenntnis erschüttert werden, dass wir sie als Erwachen bezeichnen dürfen. Wenn das Erwachen jedoch nicht unseren Charakter und unser Handeln verändert, dann dreht es sich sinnlos um sich selbst.

Kommentare

  1. Danke für diese Information. Haha.
    Für so einen Quatsch habe ich keine Zeit und keine Lust, weder chinesisch noch japanisch.

    _()_

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