"Menschen, die Schlechtes begehen, sinken und Menschen, die Gutes praktizieren, steigen auf." Aargh, wo sind nur die wahren Zen-Lehrer???
Heute machte ich mal wieder eine konsternierende Leseerfahrung. Nein, nicht mit guter Literatur, sondern mit diesem Vortrag des Nishijima-Schülers Seggelke. Er dreht sich um Ursache und Wirkung und Dogens Shobogenzo-Kapitel "Shinjin inga" - genau dasjenige, das die größten Widersprüche etwa zu seinen Erkenntnissen in "Uji" (Raum-Zeit) aufwirft. Seggelke greift die Gedanken des Normalbürgers auf, dass es nun mal böse Menschen gäbe, die davonkommen, und hält dagegen das Gleichnis von jenem Menschen, der nicht ans Karmagesetz glaubte und sich immer wieder als Fuchs reinkarnierte: "Dōgen macht aber deutlich, dass dieser Satz („Sei nicht unklar über Ursache und Wirkung“) unmissverständlich Klarheit darüber schafft, dass es überhaupt keine Ausnahme und keine Abweichung bei diesem Gesetz gibt. Nishijima Roshi vertritt dies genau so."
Abgesehen von der wirklichen albernen Vorstellung, die doch nur noch als märchenhafte Metapher taugt, jemand würde sein Menschen- gegen ein Fuchsdasein eintauschen können und dies sei quasi eine Strafe, ist eine solche Argumentationsweise geradezu fundamentalistisch. Dem common sense wird einfach der Buchstabenglaube entgegengesetzt, und dies im Namen eines Zen-Meisters. Das ist ja haarströmend, wie ich wohl schon oft meinen ehemaligen Religionslehrer zitierte. Der Satz Dogens bedeutet genau dies, wenn man Dogen nicht zu einem weltabgewandten Trottel machen will: "Achte auf Ursache und Wirkung." Wer jedoch die meditative Erfahrung der Einheit von Raum und Zeit gemacht hat, kann nicht mehr behaupten, dieses Gesetz würde "ohne Ausnahme" gelten, denn genau die von Seggelke selbst erwähnte Gleichzeitigkeit oder "Nicht-Zeit" lässt ein Ursache-Wirkungsprinzip auf einer gedachten Zeitachse von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in sich zusammenfallen.
Muss ich noch einmal den Namen Henry Kissinger erwähnen? Mitverantwortlich für den Bombentod unbeteiligter Kamodschaner und Laoten im Vietnamkrieg und vor allem, weswegen ihm in einigen Staaten die Auslieferung nach Den Haag droht, für den Völkermord in Osttimor. Nur, weil's ein so prominentes Beispiel ist. Der Typ wird immer noch z.B. von Sandra Maischberger hofiert und ins deutsche Fernsehen eingeladen. Aber wahrscheinlich besitzt Seggelke kein TV-Gerät. So wie Dogen keinen Boten hatte, der ihm was von Dschingis Khan erzählt hätte.
Also: Keine Regel ohne Ausnahme. Das gilt insbesondere im Zen. Die wahre Erkenntnis im Zen besteht in jener der Regellosigkeit, das Leben ist bar jeder Gerechtigkeit per se, wenn der Mensch sich nicht selbst darum kümmert. Und dann ist es zwar Ursache-Wirkung, doch niemand wird dadurch von selbst zum Fuchs. Ursache-Wirkung heißt einfach: Du bist moralisch für das verantwortlich, was du tust, und es hat Folgen.
Zu dieser Erkenntnis gelangte ich selbst übrigens, als ich beim Gassigehen mit einem Tierheimhund auf einen toten Fuchs stieß. Ich rief das Forstamt an und sagte: "Da liegt Dogens Shinjin inga, schauen Sie doch mal, vielleicht war es die Tollwut."
Namaste!
AntwortenLöschenDanke für diesen Beitrag!
Es bleibt einfach nur noch peinlich, wenn buddhistische Größen Upaya-Lehren, wie die separate "Einzel-Geist zu Einzel-Geist: genau jenes Leben folgt auf genau dieses Leben"-Doktrin für bare Münze verkaufen.
Das ist nix anderes wie die Predigten des Fundi-Imam über die 72 Huris im Paradies.
Da lassen sich mündige Bürger, die vielleicht ihrer angestammte Religion wegen zu viel "Hokuspokus" den Rücken gekehrt haben einlullen, um dann selbst wieder das "Abrakadabra" zu beten. Ich wüsste nicht, was eher unter das Stichwort "Verblendung" fallen würde?
Und im sonntäglichen Vorabendprogramm wird auf RTL das ganze dann pseudo-wissenschaftlich aufbereitet um zur Bild-Zeitungs-tauglichen Landesdoktrin zu werden; getreu dem Motto: "Also ich war im letzten Leben die-und-die Persönlichkeit."
Dann will mal wieder niemand die einfache Ameise oder Schmeisfliege gewesen sein, oder der spanische Gossenhund; keiner war jemals Hitler oder Pol Pot.
< gasshô >
Benkei
Das Beispiel Henry Kissingers hakt. 1. Was Seggelke meint ist, dass schlechte Taten in irgendeiner Form auf einen selbst zurückfallen. Kissinger mag von vielen Leuten für seine Verbrechen nicht öffentlich verurteilt werden. Das heißt aber noch nicht, dass er nicht in anderer Form darunter leidet, so achtlos mit dem Leben anderer Menschen umgegangen zu sein.
AntwortenLöschen2. Ich bin trotzdem der Meinung, dass Seggelke unrecht hat, da es einerseits Menschen gibt, die über kein Gewissen verfügen (dissoziale Persönlichkeitsstörung) und außerdem Menschen sterben können, bevor ihnen eine "schlechte Tat" bewusst wird bzw. sie in endo- oder exogener Form darunter leiden könnten (sofern man den Tod, wie im Zen, nicht als Strafe ansieht).
Seggelkes Sicht auf Dogens Werk, scheint mir ein wenig kindlich naiv und immer wieder darum bemüht, es in (s)ein christlich humanistisches Weltbild zu integrieren. Widersprüche im Werk selbst sowie zu westlichen Denkansätzen lässt er nicht gelten.
Dennoch glaube ich, dass man Seggelkes Sicht nicht mit der Nishijimas gleichsetzen kann.
Gassho