"Irgendwo in der Steppe saß mit untergeschlagenen Beinen ein Alter im Turban und meditierte. Als er aufsah, fragte ich ihn: Worauf zielt dein Gebet? Der Alte erwiderte: Auf das Nicht-Denken; wenn du verstehst, was ich meine. Und weiter fragte ich: Wie könnte einer ins Reich des Nicht-Denkens gelangen? Darauf der Alte: Halte die Zunge im Munde, auf dass du nichts berührst.
Unterwegs im fremden Land, auf dem Bettrand sitzend morgens im Hotel, machte ich einmal das Experiment. Bald schlossen mich flackernde Flammen ein, oder der Nordwind umwirbelte mich mit Geheul, ein eisiger Regen strich über mich hin. Jetzt war ich Fudo-myoo, jetzt Han-shan oder Shih-te. (...)
Indessen schwebte mir das Gesicht des Alten im Turban herauf. Ein einsames Gesicht. Gesicht eines Mannes, der fahnenflüchtig war seit Jahrzehnten."
[Yasushi Inoue: Eroberungszüge. Berlin 1982. Fudo-myoo, der "Unbewegliche", ist der Vernichter allen Übels, Han-shan und Shih-te waren Dichtermönche im China der Tang-Zeit (618-905)]
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