In einem intelligenten Beitrag hat der ehemalige Oberstaatsanwalt und immer noch Filmspezialist Dietrich Kuhlbrodt - pikanterweise in "der Freitag" - eine Art Verteidigungsschrift für den Filmemacher Lars von Trier verfasst, der bei den letzten Filmfestspielen von Cannes zur persona non grata erklärt worden war, nachdem er auf einer Pressekonferenz zunächst seine Vorliebe für nationalsozialistische Ästhetik, dann den Wunsch, ein Jude zu sein bekundet und schließlich gesagt hatte: "Ich bin ein Nazi." Mir war sofort klar, dass man einen solchen Satz aus seinem Mund wie aus dem eines Harald Schmidt nehmen sollte, als blanken und herausfordernden Zynismus. Denn ich hatte ihn schon einmal gehört, vor vielen Jahrzehnten von meinem Vater.
Damals hatte ich ein wenig Ahnenforschung betrieben und mich u.a. mit dem Dritten Reich befasst. Schließlich stellte ich die Frage, die so viele Söhne ihren Vätern stell(t)en, wenn diese am Zweiten Weltkrieg teilnahmen. Mein Vater war Jahrgang 1927. Viele Patronen konnte er offenbar nicht abfeuern, erzählte stattdessen, wie sie als Minderjährige mit Suppenkübeln durch Wälder eilten. Er geriet aber in französische Gefangenschaft und musste dort unter Tage arbeiten (wo, wie er betonte, die marokkanischen Aufseher die unmenschlichsten waren, während er mit den Franzosen auch später noch Freundschaft hielt). Ich bohrte und bohrte, wollte wissen, was er im Krieg so angestellt hatte. Schließlich sagte er entnervt: "Ja, ich war ein Nazi."
Es ist fast wie mit Judenwitzen - Juden selbst dürfen sie natürlich erzählen, alle anderen sollen vorsichtig sein. Darum durfte mein Vater, ein gelernter Landwirt, als Betroffener auch einen zynischen Schlusspunkt zu unserem Gespräch setzen, ein 55-jähriger dänischer Künstler darf dies jedoch nicht ungestraft tun. Freiheit des Geistes sieht anders aus. Wie heißt es doch so schön: Man beurteile einen Menschen nicht nach seinen Worten, sondern nach seinen Taten. Mein Vater musste sich darum auch bei niemandem weicheiig für seinen Satz entschuldigen. Der dänische Regisseur tat es - und damit der Meinungs- und Redefreiheit wie der Aufgabe eines Künstlers so wenig einen Gefallen wie die Verantwortlichen des Filmfests.
(Abbildungen: Beim Aufräumen des Kellers meiner Mutter haben wir vor ein paar Wochen diese Schulunterlagen mit Schreibübungen meines Vaters entdeckt. Die Beilage zum Abschlusszeugnis kann einen ob ihrer kräftigen Worte zur Heimatliebe - wenn man den "Führer" wegstreicht - durchaus beeindrucken; zu meiner Zeit gab es beim Abitur einen läppischen Text von Alexander Solschenizyn, von einem Schuldirektor, der den Eindruck eines Kommunistenhassers gemacht hatte.)
Hallo Guido,
AntwortenLöschenich bins wieder, der anonyme von gestern.
Das mit dem NPD-Vergleich ging möglicherweise tatsächlich etwas zu weit. Falls ich dich damit beleidigt haben sollte, entschuldige ich mich dafür.
Ich wollte dir damit nur zeigen, dass das was du schreibst eben auch so ankommen kann, und du dich dann eben auch nicht über solche Reaktionen wundern musst.
Du schreibst selber, dass es bei den Muslimen "eigentlich" so ist, bzw dem Koran nach so sein sollte, dass sie sich sehr wohl um das Wohl ihrer Nachbarn kümmern sollten.
Wenn sie das nicht tun, d.h. einige von ihnen sich asozial verhalten, wie kannst du dann sagen, dass sie so asozial sind, weil sie Muslime sind?
Ich denke, dass eher der Bildungsstand oder die fehlende Reflexionsfähigkeit sie zu diesem Verhalten bringt, dass dich hin und wieder stört. Der Grund kann also nach deiner Beschreibung nicht der Islam an sich sein.
Leider wird hier wieder am falschen Ende angepackt: die guten assimilierten, und die schlechten nicht-assimilierten (so wie du es in deinem Beitrag auch tust).
Dass die "Schlechten" teilweise nie eine reale Chance zur Integration erhalten haben, sondern dass die gesellschaftlichen Verflechtungen sie in dieser gefesselt haben, und sie somit nie zu den "Guten" aufsteigen konnten...das interessiert nicht.
Natürlich sind wir alle frei, und für unser Denken und Handeln selber verantwortlich, und es gibt hier nichts schönzureden. Wenn mich jemand nervt, dann nervt er mich, Punkt. Da interessiert mich in dem Moment nicht, aus welchem Umfeld er stammt, und ob er eine Chance hatte oder nicht.
Aber ich kritisiere nach wie vor, dass du deinen Frust an einem Gesetz (bzw an der deutschen Politiklandschaft im Allgemeinen) an den Muslimen im Lande auslässt.
Auch wenn du mit was anderem gerechnet hast, an deinem letzten Beitrag über deinen Vater und den Dänen habe ich nichts auszusetzen.
Das Thema mit dem Dänen zeigt einfach, dass bestimmte Themen eben nicht so frei gehandhabt werden können, da sie von den meisten Menschen unserer Gesellschaft nicht als Spiel, sondern als Politikum angesehen werden.
Und ich denke nicht, dass seine Entschuldigung der Meinungs- und Redefreiheit schadet. Die Leute haben ihn einfach nicht verstanden, sondern falsch verstanden. Sie haben etwas verstanden, was er nicht meinte. Das liegt aber daran, dass er sich so ausgedrückt hat, dass ihn die meisten nicht verstehen können, wenn sie seine Geschichte nicht kennen. Somit ist es ok sich zu entschuldigen, ohne die Konsequenz die du darin bezüglich der Meinungsfreiheit siehst.
Wenn ich nen Insider-Witz mache, den jemand "versehentlich" als Beleidigung empfindet, dann entschuldige ich mich evtl bei dieser Person und poche nicht darauf, dass ich das jetzt sagen durfte...
Noch nen schönen Abend.
Sicher, das Milieu, die Armut, der Bildungsmangel, all das wirkt. Was den Islam angeht, habe ich eine andere Auffassung. Er lehrt, genau wie die Thora den Juden ihren Auserwählten-Status suggeriert (wohlgemerkt: Juden, das kann man auch per Übertritt werden, wenn man will), auf andere insgeheim herabzublicken. Den Angehörigen von Religionen ist so etwas nicht immer bewusst (Buddhisten kann das ebenso passieren, natürlich auch mir, wenngleich das Schriftgut weniger Anlass gibt als bei diesen beiden monotheistischen Religionen). Die anderen sind die "Ungläubigen", und wie weit die Auslegung des Umgangs mit diesen Ungläubigen im Islam geht, ist bekannt.
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