Das Tetteki tôsui (鐵笛倒吹), eigentlich „Die Flöte auf dem Kopf stehend blasen“, wurde
hierzulande in den 60er- und 70er-Jahren schon einmal als „Eiserne Flöte“ mit
Kommentaren von Nyôgen Senzaki aufgelegt (momentan als günstige
Kindle-Ebook-Version The Iron Flute, Tuttle 2011, erhältlich). Wir
bieten eine neue Übersetzung dieser 1783 zusammengestellten Koan-Sammlung von
Genrô Ôryû (1720–1813), einem Meister der Sôtô-Schule, ausschließlich mit
Teilen seiner Anmerkungen und seiner Verse sowie denen seines Schülers Fûgai Honkô
(1779–1847), die oft als jakugo (Schlüsselwörter) benutzt werden, aber
unserer Ansicht nach gegenüber Genrôs Worten schwächeln. In den Fällen, zu denen
bisher keine Kommentare auf Deutsch vorlagen, haben wir erstmals welche von
Gidô ergänzt. Die vollständige Version findet sich im Band Juko der
zehnbändigen Reihe Zoku Sôtôshu zensho (續曹洞宗全書 Tôkyô 1974–1977).
Die neue Koan-Sammlung mit dem Shûmon kattôshu, Tetteki tôsui ("Eiserne
Flöte") und - dem nun vollständigen - Shônan kattoroku ("Der Zen-Weg der Samurai") ist u. a. hier erhältlich.
Auszüge:
1
Manjushrî
tritt durchs Tor
Manjushrî stand
vor dem Tor. Der Buddha rief: „Manjushrî, warum kommst du nicht herein?“
Manjushrî
antwortete: „Ich sehe hier vor dem Tor nicht ein einziges Ding. Warum sollte
ich eintreten?“
Gidô: Warum macht Manjushrî nicht die Augen auf?
2
Eröffnungsrede
für Lo-shan
Der Fürst
Minwang ließ ein Kloster für Lo-shan erbauen und bat ihn, die Eröffnungsrede in
der Vortragshalle zu halten. Als Abt saß Lo-shan dabei auf einem Stuhl, sagte
aber nichts weiter als: „Habe die Ehre!“, und kehrte in sein Zimmer zurück. Der
Fürst suchte ihn auf und meinte: „Buddhas Lehre auf dem Gradhrakuta-Berg muss
deiner heute geglichen haben.“ Lo-shan erwiderte: „Ich dachte, dir sei die
Lehre fremd, doch nun muss ich erfahren, dass du etwas vom Zen verstehst.“
Gidô: Dem Gönner schmeicheln! Dreißig Stockschläge für Lo-shan.
Auf dem Gradhrakuta-Berg wird noch immer gequatscht.
3
Nan-ch’üans
Steinbuddha
Der Laie
Liukeng sagte zu Nan-ch’üan: „In meinem Haus gibt es einen Stein, der aufrecht
sitzt oder danieder liegt. Ich möchte aus ihm einen Buddha meißeln. Kann ich
das tun?“ Nan-ch’üan antwortete: „Ja, du kannst das tun.“ Liukeng fragte weiter:
„Kann ich es nicht tun?“ Nan-ch’üan erwiderte: „Nein, du kannst es nicht tun.“
Genrô: Ich sehe einen Stein, den der Laie ins Kloster trug.
Ich sehe einen anderen Stein, den Nan-ch’üan in seiner Meditationshalle
aufbewahrte. Alle Hämmer in China können diese beiden Steine nicht zertrümmern.
4
Pai-lings
Erlangen
Pai-ling und der
Laie Pang Yün schulten sich bei Ma-tsu, dem Nachfolger Nan-yüehs. Als sie sich
eines Tages auf der Straße begegneten, meinte Pai-ling: „Unser Zen-Großvater
sagte: ‚Wenn jemand behauptet, es sei etwas, verfehlt er es gänzlich.‘ Ich
frage mich, ob er es je einem Menschen zeigte.“ Der Laie Pang Yün erwiderte:
„Ja, das tat er.“ Der Mönch fragte: „Wem denn?“ Der Laie deutete auf sich
selbst und sagte: „Diesem Kerl hier.“ Pai-ling sagte: „Dein Erlangen ist so
schön und tiefgründig, dass selbst Manjushrî und Subhûti dich nicht angemessen
preisen könnten.“ Da meinte der Laie zum Mönch: „Ich frage mich, ob es jemanden
gibt, der versteht, was unser Zen-Großvater meinte.“ Der Mönch erwiderte
nichts, setzte aber seinen Strohhut auf und ging davon. „Achte auf deine
Schritte!“, rief ihm der Laie Pang Yün nach, doch Pai-ling ging seines Weges, ohne
sich umzudrehen.
Genrô: Eine Wolke ruht am Höhleneingang und tut den ganzen
Tag nichts. Das Mondlicht durchdringt die ganze Nacht Wellen, doch hinterlässt
es keine Spuren im Wasser.
[Foto: Keller; Graffitiwand in Bangkok]
Danke hierfür!
AntwortenLöschenDas 3. verstehe ich nicht. (das vs. es?!)
Gruß
Funktor
PS: Ich träumte neulich, wie vor meinen Augen Kodo Sawaki erdolcht wurde.
Aus dem schwarzen, leeren Nichts kam ein Katana, dann er fiel stumm.
War gruselig, wohl auch richtungsweisend...
ruht ein gang-höhlt wolke wellen- licht lässt mond- hinter sich spuren
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