9. Aniruddha: Herausragend in geistiger Erkenntnis
Von Geburt an glücklich
Aniruddha war Shakyamunis Cousin väterlicherseits. Von allen Schülern war sein geistiges Auge am Besten ausgebildet, die Wahrheit der Welt sowie das Leben und Sterben der anderen wahrzunehmen,. Als Sohn einer reichen Familie fehlte es ihm an nichts. Er wurde in seiner Kindheit von vier Kindermädchen betreut. Schon früh wurde er mit dem Studium verschiedener Fächer vertraut gemacht, wie der Arithmetik und Kunst. Er bezauberte seine Gefährten mit seinem guten Aussehen und seinem wohlproportionierten Körper. Seine Familienmitglieder waren von den Wundern, die um ihn herum passierten, erstaunt. Zum Beispiel hieß es, wenn er mit seinen Händen Wasser aus einer dreckigen Pfütze schöpfte, würde das Wasser sofort süß und sauber. Jeder, der ihn kannte, war fest überzeugt, dass er von Geburt an besonders gesegnet war.
Ins religiöse Leben
Später beobachtete er viele junge Männer der Shakya-Kaste, die dem weltlichen Leben den Rücken zugekehrt hatten, um ein Leben der religiösen Suche zu leben. Seine Beobachtungen und etwas, dass sein älterer Bruder einmal zu ihm sagte, brachten ihn zum Nachdenken. Sein Bruder äußerte: „Es ist traurig, aber niemand aus unserer Familie hat sich dem religiösen Leben zugewandt. Einer von uns – du oder ich – sollten den ersten Schritt tun.“ Sie besprachen die Angelegenheit und kamen zum Schluss, dass sein Bruder für die körperliche Arbeit besser geeignet wäre und den landwirtschaftlichen Familienbetrieb weiterführen sollte. Aniruddha sollte das Haus verlassen, um in religiöser Züchtigung zu leben.
Als er sich schließlich entschieden hatte, verstärkte sich seine Begeisterung und erfüllte seinen Körper. Seine Mutter, die ihn nur zögerlich gehen ließ, willigte schließlich unter der Bedingung ein, dass sein enger Freund Prinz Bhaddiya mit ihm gehen würde. Zunächst äußerte der Prinz Bedenken und bat um einen Aufschub von sieben Jahren, doch Aniruddha konnte ihn für sich gewinnen und sieben Tage später verließen beide ihr Zuhause und das weltliche Leben.
Den Stolz ablegen
Aniruddha gab sich auf eine Art der Selbstdisziplin hin, die den Anschein des Stolzes erwecken konnte, so groß war sein Wunsch, die Erleuchtung zu erfahren. Einmal, als Shariputra, der an Weisheit herausragte, ihn vor etwas warnte, antwortete er stolz: „Ich habe bereits das göttliche Auge empfangen, um durch diese und die andere Welt zu sehen, aber egal wie sehr ich mich selbst züchtige, das Reich der perfekten Erleuchtung habe ich noch nicht erreicht. Hast du einen guten Rat für mich?“
Shariputra antwortete ruhig: „Aniruddha, nur arrogante Menschen reden über ihre Errungenschaften und ihre begeisterte Selbstdisziplin. Wenn du deinen Stolz ablegst und dich Tag für Tag gewissenhaft der Übung hingibst, dann wird das Licht von selbst sichtbar.“ Shariputras Worte erneuerten die Demut in Aniruddhas jungem und formbarem Geist. Danach näherte er sich allmählich in vertiefter Übung dem Reich der Erleuchtung.
Eine Prostituierte unterrichten
Einmal hatte Aniruddhas gutes Aussehen einen überraschenden Effekt. Gegen Abend eines Tages, als er nach Kosala reiste, schaute er sich nach einer Schlafmöglichkeit um. Die Dorfbewohner verwiesen ihn an ein Haus, in dem eine Prostituierte lebte. Aniruddha blieb draußen, fragte aber nach einem Platz unter der Dachrinne, wo er meditieren konnte. Kunden kamen und die Prostituierte versuchte, Aniruddha ins Haus zu locken. In diesem Augenblick und mit Hilfe seiner übernatürlichen Fähigkeiten schwebte er sitzend in der Luft und wandte sich der Prostituierten zu. Es heißt, dass die Prostituierte bei seinem Anblick die Hände zusammenlegte und aufmerksam zuhörte, während Aniruddha das Gesetz erklärte.
Das göttliche Auge
Durch seine außergewöhnliche Gewissenhaftigkeit wurde Aniruddha als höchster Besitzer des göttlichen Auges verehrt – das ist die göttliche Erkenntnis. Von der Übung und der Selbstzucht erschöpft, geschah es einmal, dass er einschlief, während Shakyamuni unterrichtete. Shakyamuni tadelte ihn wie folgt: „Aniruddha, warum wolltest du eigentlich Mönch werden?“
Aniruddha antwortete: „Weil ich die Leiden der Geburt, des Alters, der Krankheit und des Todes ablehne.“
„Wenn das der Fall ist, warum bist du dann gerade eingeschlafen?“
„Oh, Ehrwürdiger Shakyamuni, ich werde nie wieder vor dem Buddha einschlafen. Ich werde diesen Schwur einhalten, egal, was mit meinem Körper passiert.“
Aniruddha hielt sein Wort und schlief nie wieder an Shakyamunis Seite ein. Shakyamuni, der sich um Aniruddhas Augenlicht sorgte, sagte einmal zu ihm: „Nahrung ist für alle Dinge notwendig. Für die Augen ist Schlaf die Nahrung. Für den Geist ist das Gesetz die Nahrung.“
Andiruddha fragte daraufhin: „Und das Nirvana?“
„Unaufhörliche Sorgfalt ist die Nahrung des Nirvana.“
„Dann“, sagte Aniruddha, „werde ich sehr gewissenhaft üben und nie wieder schlafen.“
Tief berührt von seinem Bestreben entschied Shakyamuni, dass Aniruddha machen könne, was er wolle. In der Tat verlor Aniruddha sein Augenlicht, doch gleichzeitig öffnete sich sein geistiges Auge, und so wurde der erste Mönch mit dem Göttlichen Auge geboren.
Shakyamunis Mitgefühl
Nachdem Aniruddha sein Augenlicht verloren hatte, behandelte ihn Shakyamuni mit besonderem Mitgefühl. Einmal, als seine Robe zerrissen war, benutzte Aniruddha seine übernatürlichen Kräfte, um jemanden herbeizurufen, der sich durch das Flicken dieser Kleidung Verdienst erwerben wollte.
Als er Aniruddhas Stimme hörte, ging Shakyamuni zu ihm und streckte seine Hand aus, doch Aniruddha sagte: „Ehrwürdiger Shakyamuni, diese Kleider sind für jemanden, der sich Verdienst erwerben will, indem er anderen hilft, nicht für jemanden, der die Buddhaschaft bereits erlangt hat.“ Daraufhin antwortete Shakyamuni: „Ich möchte Verdienst so sehr wie jeder andere. Ein Buddha strebt nach Verdienst, um alle lebenden Wesen zu retten.“
Aniruddha erinnerte sich dieses Ausdrucks von Shakyamunis unendlich mitfühlendem Herzen sein ganzes Leben lang.
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