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Ein Zen-Mönch hat kein Geld

"Je höher der Gipfel der Erleuchtung erklommen wurde, desto weiter wird die Aussicht auf die Möglichkeiten moralischen Handelns."

Kaiten Nukariya, einst Professor der Sotoshu-Universität in Tokio, versucht in "The Religion of the Samurai: A Study of Zen Philosophy and Discipline in China and Japan" (1913) die Sonderstellung des Zen herauszuarbeiten. Dabei gelingen ihm neben etwas seltsamen Passagen auch ein paar interessante Abschnitte. So erzählt er von der aufrichtigen Armut des Zen-Lehrers Fu-gai. Der hatte einen für die Essenszuteilung verantwortlichen Schüler. Eines Tages bat dieser den Meister, keine weiteren Schüler mehr aufzunehmen, weil er sonst nur noch minderwertige Nahrung an die immer zahlreicher werdende Anhängerschaft verteilen könnte. Fu-gai streckte ihm die Zunge heraus und fragte: "Schau nun mal in meinen Mund und sag mir, ob da noch immer eine Zunge drin ist." Das bestätigte der Schüler, woraufhin Fu-gai meinte: "Dann mach dir mal keine Sorgen, solange da eine Zunge ist, kann man jede Art von Nahrung schmecken." Von daher leitet der Autor auch den Spruch her: "Ein Zen-Mönch hat kein Geld." (Eine Darstellung aus Sicht verschiedener Traditionen zur Frage, ob man Geld fürs Lehren nehmen dürfe, findet sich im Non Duality Magazine.)

Die wohl taoistische Parabel vom Räuber Kih wird angeführt, um die allen Wesen gemeinsame Buddha-Natur zu unterstreichen. Sie ist ein Lehrstück der Zen-Moral, die sich aus eben jener Budda-Natur speist und jenseits der üblichen Kategorien von Gut und Böse anzusiedeln ist: "Die Anhänger des großen Räubers und Mörders Kih fragten ihn: 'Hat auch der Räuber moralische Prinzipien?' Er antwortete: 'Welcher Beruf hätte denn keine? Wenn ein Dieb zum Schluss kommt, dass es in einem Haus Wertsachen gibt, dann zeugt das von seiner Weisheit; teilt er die Beute gleichmäßig auf, dann zeugt das von seiner Gerechtigkeit; dass er seine Mitstreiter nicht betrügt, beweist seine Loyalität; betritt er als erster das Haus, dann zeugt das von seinem Mut; dass er seinen Anhängern gegenüber großzügig ist, unterstreicht seine Güte. Ohne diese Eigenschaften ist noch keiner ein großer Räuber geworden.' Der Autor schließt, dass der Räuber Kih außerhalb seiner Diebesgemeinschaft mit diesen Eigenschaften sogar als großer Weiser gelten könne.

Auch auf die "fünf Stufen des Verdienstes" geht Nukariya ein, von denen die fünfte (gu-ko) die interessante ist: verdienstloses Verdienst. Hier wird der Zustand des fortgeschrittenen Zen-Adepten beschrieben: "Auf dieser Stufe strebt der Übende nicht mehr danach, Gebote zu befolgen, doch seine Taten sind von selbst im Einklang damit. Er sucht nicht nach spiritueller Erhebung, sein Herz ist von selbst frei von materiellen Bedürfnissen. Er macht keinen Versuch, seine Leidenschaft zu bezwingen, doch keine Leidenschaft stört ihn. Eine Verpflichtung, anderen Gutes zu tun, empfindet er nicht, auf natürliche Weise ist er barmherzig. Er sitzt nicht länger in Meditation, sondern lebt allezeit im meditativen Zustand. Auf dieser Stufe identifiziert der Übende sein Selbst mit erleuchtetem Bewusstsein und verweilt in dieser vollkommenen Wonne."

*

[Es folgt der Hinweis auf ein groß angelegtes Übersetzungsprojekt des tibetischen Kanons]


Kommentare

  1. Da Du ja hier im Blog über viele buddhisitische Lehrer kritisch schreibst würde ich gerne mal wissen was Du von jack kornfield hältst. Man bekommt ja den Eindruck als seien fast alle bekannten Lehrer nicht vertraunswürdig. Deine Kritik scheint mir aber sehr einseitig zu sein. Auch wenn kritik immer wichtig ist frage ich mich ob es überhaupt Lehrer gibt die "perfekt" sind in dem Sinne dass sie keine Fehler machen. Kornfield beschreibt in seinen Büchern sehr selbstkritisch über sein eigenen Fehler und die Widersprüche seiner Lehrer und zeigt dass diese Lehrer trotzdem sehr hilfreich sein können. Machst Du denn keine Fehler? Gehst Du auch selbstkritsch mir dir selbst um oder kritisierst Du nur andere? Gibst Du Fehler auch offen zu ? Gute Lehrer machen das. Der Dalai Lama hat oft Fehler zugegeben und das finde ich eine stärke.

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  2. (Die nachfolgende, eher private Diskussion habe ich gelöscht, da die Argumente ausgetauscht und zur Kenntnis genommen wurden. Mein Beitrag zu Jack Kornfield folgte am 13.8.2014.)

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  3. Die Geschichte gibt es im Zhuangzi und einigen anderen daoistischen Werken (Arthur Waley gibt in "Lebensweisheit im Alten China" noch das Lü Shih Ch'un Ch'iu, Huai-nan Tzu und das Pao P'u Tzu an). Schliessen tut sie allerdings ein wenig anders: "So gab es also keinen großen Räuber, ehe nicht die Weisen in der Welt erschienen, welche diese Tugendenlehretn. Wenn wir die Weisen verprügelten und die Räuber und Meuchelmörder laufen ließen, so würde es bald überall unter dem Himmel Frieden und Ordnung geben."

    Überhaupt wäre es mal interessant mal zu schaun, wo Ch'an durch Zhuangzi ein wenig eingefärbt wurde (aber sicher trotzdem sehr weit weg vom Daoismus blieb). Viele Ansätze aus dem Zhuangzi wie des unbehauenen Klotzes tauchen ja dann auch im Ch'an auf.

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