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Tiere essen oder leben wie die Bishnoi?

"Oh, sie verwechselten Essen mit Geist, sie dachten, sie könnten sich zu besseren Menschen essen, ohne zu begreifen, dass essen eins ist, die Vorstellungen, die das Essen weckt, etwas anderes."

(Karl-Ove Knausgaard: Lieben. btb 2013) 
Auf ARTE sah ich kürzlich eine Doku über die kleine Gemeinschaft der Bishnoi, die nach fünfhundert Jahre alten 29 Regeln eines Guru lebt und nicht nur auf das Essen von Tieren verzichtet, sondern diese auch unter Einsatz des eigenen Lebens schützt. Ihre Naturverbundenheit dehnt sich sogar auf Planzen aus, das Fällen und Beschneiden von Bäumen ist untersagt und es sollen nur Kleiderfarben getragen werden, für deren Herstellung weder Tiere noch Pflanzen dran glauben müssen (von den genannten Regeln würde allerdings die gegen den Opium-Genuss vernachlässigt ...). 
  
                                     

Zu dieser Zeit las ich auch Jonathan Safran Foers "Eating Animals" (New York 2009, dt. "Tiere essen"), dessen Absicht es nach eigenem Bekunden keinesfalls war, die Leser zu Vegetariern zu bekehren, sondern investigativ unsere Massentierhaltung zu erforschen. Als jemand, der noch auf einem herkömmlichen Bauernhof groß wurde, wo die Hühner Auslauf hatten und die Bewirtschaftung der Felder ein ebenso großes Gewicht wie die Tierhaltung, kann ich der vehementen Kritik an der fabrikmäßigen Art, Tiere verwertbar zu machen, meist zustimmen. An dem Buch haben mich jedoch mehrere Argumente befremdet, so dass ich zum Schluss kam, dass der Autor letztlich doch den Leser manipulieren wollte, wofür auch sprechen kann, dass er inzwischen selbst Vegetarier ist (es könnte freilich bedeuten, dass er das Opfer seiner eigenen Analyse wurde).
   Am Anfang nämlich steht ein Zitat seiner Großmutter, das sich auf die jüdische Regel bezieht, kein Schweinefleisch zu essen. Bei einer Situation, wo es um Leben und Tod geht, wird in dieser Geschichte von der Oma geschlossen, dass nichts mehr Bedeutung hätte, wenn man bei einer solchen Frage klein beigeben würde. Diese dogmatische Einstellung kann schon an sich befremden. Leider beschließt Foer sein Buch dann noch damit, zu diesem Dogma zurückzukehren und es auch auf unseren Konsum von Tieren insgesamt anzuwenden. In der Zwischenzeit hat er seltsame Zahlenspiele aufgemacht, etwa dass 30 % der Schlachttiere einen langsamen Tod stürben (man frage sich hier, wie das aussähe, wenn sie auf natürliche Weise stürben). Er hat natürlich auf Antibiotika-Resistenzen verwiesen, aber nicht erwähnt, was eine Hauptursache einer solchen bei Menschen ist, nämlich die wahllose Verfügbarkeit von Antibiotika in vielen Ländern dieser Welt: In Südostasien z.B. werden zwar nicht nur von Apotheken, sondern auch von Privatkliniken und NGOs häufig immer die gleichen Medikamente für jeden Infekt verteilt, nämlich Amoxicillin und Paracetamol, aber man bekommt auch die meisten anderen rezeptfrei. Dort verdirbt man sich auch die Verdauung gerne mal mit nicht richtig gesäubertem Gemüse, während Infektionen durch Fleisch, vor denen Foer einen Horror entwickelt, seltener sind. Es ist darum auch ziemlich dämlich, zunächst die Spanische Grippe zu erwähnen, die noch vor jeder modernen Massentierhaltung Millionen dahinraffte, und heute eine ähnliche Gefahr durch dermaßen gehaltene Tiere als Überträger zu postulieren. (Ich weiß, wovon ich rede, da schon die x-te Tamiflu-Packung in meinem Besitz ihr Verfallsdatum überschritten hat.)
   Am Übelsten finde ich jedoch die Stelle, wo Foer das intelligente Schwein gegen den Eisbären ausspielt - nicht nur übersieht er, dass der Eisbär als gefährdet gilt, die Argumentation mit der Auffassungsfähigkeit (und letztlich Dressierbarkeit) eines Tieres erinnert peinlich an die rassisch motivierte Intelligenzforschung im Dritten Reich. Diese Parallele, zusammen mit dem religiösen Dogma des Judentums, das ihnen den Verzehr von Schweinefleisch (nicht aber Eisbärenfleisch) untersagt, lässt für mich den schalen Nachgeschmack eines letztlich religiös-rassistischen Pamphlets zurück, in dem ein Tier gegen ein anderes ausgespielt wird, damit auch der Glaube der Großmutter noch rechtfertigt ist. Es macht einen Unterschied, ob man, wie die Bishnoi, ein lebendes Tier vor Wilderern unter Einsatz des eigenen Lebens schützt oder sich aus Sturheit weigert, ein schon totes Schwein zu essen, weil einem der eigene Stolz wichtiger ist als das eigene Überleben.

"Tiere verbringen nur ihre Zeit mit dir, wenn du sie fütterst."

(Douglas Coupland: The Gum Thief)

Kommentare

  1. Namaste!

    Meines Wissens sind nach den jüdischen Speiseregeln auch Eisbären nicht Koscher, da von den Landsäugern nur wiederkäuende Spalthufer erlaubt sind. (vgl. 3. Buch Moses, Kapitel 11; etwa bei bible-online.net).

    Die Doku über die Bishnoi hatte ich auch gesehen und sie mir auf Platte gezogen.
    Die praktizieren nach meinem Empfinden eine ganzheitliche Lebensweise die in-sich schlüssig daherkommt.

    Ganz anders sieht es mit hiesigen militanten Vegetariern oder Veganern aus, die dann "notfalls" einen Salat bestellen und die Hähnchenstreifen oder die Eier drauflassen oder wegschmeißen.

    Buddha gestattete ja den Fleischkonsum, wenn das Tier nicht eigens für einen getötet wurde. [Was in unserer Kultur natürlich auch primstens zu Gunsten eines obsessiven Fleischkonsums ausgelegt werden kann, ebenso wie genau für den Vegetarismus *Augen-roll*].

    Persönlich bereitet ich in meinem Haushalt so gut wie gar keine Fleisch- oder Fischgerichte mehr zu (ich koche selbst, wobei "kochen" hier auch Salatzubereitung, Müsli-Mischen, Warmmachen und TK-Pizzen in den Ofen schieben heißen kann) . Bei den wenigen Malen, wo ich auswärts esse, weil ich z. B. eingeladen wurde oder Teil einer Gesellschaft bin, oder bei beruflichen Fortbildungen, wird stets gegessen, was auf den Tisch kommt. [Bei Frühstücksbuffets mittlerweile nur noch vegetarisch, da in dem Wurstaufschnitt ja sonstwas drin sein kann - ähnlich wie in Gummibärchen, worin ich neben Schweineschwarte übrigens auch Augen vermute... die sind dann natürlich auch nicht Koscher, zumindest die von Haribo nicht .-) ]

    Unterwegs auf Reisen sehe ich das dann allerdings lockerer. In Südostasien oder Indien sollte man sich vor Salaten & Co. in Acht nehmen, während man in Japan schwerlich etwas findet, wo nicht irgendwelche Meeresfrüchte drin sind.
    In den USA sucht man vergeblich günstige Alternativen zu Burger & Co., und in der Türkei etwas zu finden, was nicht gegrillt wurde ist auch nicht leicht.

    Und dann gibt es ja noch alle paar Monate mal die Heißhunger-Attacke begründet auf die Erinnerungen an fettige Burger. Die ist dann auch nicht immer mit Veggie-Burger oder Farmer-Burger zu stillen.

    Es menschelt hat ab und an.
    Gut, schlecht oder mittel? - Es ist wie es ist!

    < gasshô >

    Benkei

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Benkei, vielen Dank für den aufmerksamen und völlig korrekten Hinweis zu den jüdischen Speisevorschriften! Mein Studium des Alten Testamentes liegt wohl zu lange zurück:
    http://www.de.chabad.org/library/howto/wizard_cdo/aid/833800/jewish/Koschere-Tiere.htm

    Bären sind also nur als vegetarische Gummibären erlaubt.
    Bin ich froh, dass auch dieser Kelch an mir vorüberging ...

    Heute habe ich ein paar würzige Chorizo aus England (!) von Schweinen, die Auslauf hatten ("The Bath Pig"), im Angebot gekauft, lecker und scharf. Hätte gern eine Chorizo von "unglücklich eingepferchten" Schweinen zum Geschmacksvergleich hier.

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