Direkt zum Hauptbereich

Schmidtchen Schleicher

Aufs Detail sehen, Achtsamkeit. Das ist praktizierter Buddhismus. Zum Beispiel wenn der Ex-Kanzler Helmut Schmidt mal wieder selbstherrlich im oeffentlichen Fernsehen rauchen darf. Also Obacht, was sagt er nun? Er konnte kuerzlich noch mal seinen verehrten Freund Lee Kuan Yew, den dekadenlangen Chef Singapurs, besuchen. Lee hat zweifellos seinen Loewenanteil daran, dass aus einem Stadtstaat der so genannten Dritten Welt eine moderne Wohlstandsgesellschaft werden konnte, vor allem dank der Offenheit fuer Einwanderer (und deren Arbeitskraft) und einem strengen Regiment ueber abwegiges Verhalten. 

Doch Schmidt sieht nur, was er sehen will, denn dass es dort den Menschen so gut gehe, stimmt laengst fuer einige nicht mehr. Die Lebenhaltungskosten, insbesondere die Mieten, haben mich selbst bisher davon abgehalten, in Singapur einen Zwischenstopp zu machen. Vor allem aber auch ein Regelwerk, das sogar Urinieren in der Oeffentlichkeit mit knapp 100 Euro in Rechnung stellt, neuerdings plus Aushang eines Fotos des Uebeltaeters. Woher das kommt, ist klar, denn in einer Zitatensammlung Lees schwadroniert dieser, wie geschockt die Buerger Singapurs seien, wenn sie in westliche Laender reisten und dort die pissenden Leute saehen, die ganzen Drogenabhaengigen, von den zahlreichen Vergewaltigungen erfuehren usf. Wie gut, dass am Ende dieses Buches Lee noch kurz zugibt, Menschen schon mal ohne Gerichtsverfahren eingesperrt zu haben (moegen ihn andere nun dafuer richten). 

Mich erinnerte das daran, wie ich einmal meinem Blasendruck im Frankfurter Bahnhofsviertel nachgeben musste und dazu in eine Ecke pisste, die zuvor schon von Junkies benutzt worden war, sinnigerweise in einem Nichtwohngebiet, wo sich nur Pelzhandlungen befanden. Sofort war ein Security-Mann da und meinte, das ginge aber nicht. Da sagte ich: "Dann stellt halt genug oeffentliche Toiletten auf." Der Security-Mann zeigte jedenfalls mehr Verstaendnis als Herr Lee. Was nutzt also die ganze Eloquenz, wenn man auf einem Auge blind bleibt? 

Also nun, sollte es doch noch dazu kommen, dass man einen urinierenden GuiDo eines Tages auf einem Plakat in Singapur sieht, dann seid gewiss, dass ich zum Ausgleich irgendwo Plakate aufhaengen lasse, die Helmut Schmidt qualmend im TV zeigen, mit der Ueberschrift: "Was scheren mich denn Gesetze?" und seinen laechelnden Freund Lee Kuan Yew mit den Worten: "Ich musste schon mal Menschen ohne Gerichtsverhandlung wegsperren, aber es geschah zum Wohle des Volkes." Oder einfach eine Ansicht Singapurs aus der Vogelperspektive mit der Frage: "Welche bedeutsame Kunst ist in den letzten 50 Jahren aus dieser Stadt gekommen?" Denn dafuer beduerfte es einer anderen Geisteshaltung.

Kommentare

  1. Namaste!

    Der gute Herr Schmidt soll laut Presseberichten übrigens knapp 200 Stangen Mentholzigaretten gebunkert haben.

    Die sollen, so seine Berechnungen, noch bis zu seinem 100sten Geburtstag reichen und einem befürchteten Verbot dieser Glimmstengel-Gattung entgegenwirken.

    Wohl bekomms!

    Wie Schmidt das dann in Singapur mit den Quarzen hält, würde mich interessieren? Da tingelt dann vielleicht ein kambodschanischer oder laotischer Gastarbeiter als "mobiler Aschenbecher" hinterher, damit man sich nicht eines "Verbrechens" schuldig macht, und ein paar Securities, die dafür sorgen, dass der Platz weiträumig abgeriegelt wird, um den passionierten Raucher nicht von lästigen Nichtrauchern "beeinträchtigen" zu lassen...

    ... Ich werde fies, sorry!

    Als Politiker ziehe ich Schmidt auf jeden Fall den Merkels, Kohls und Schröders dieses Landes vor!
    Auch als Mensch hat diese - "das ist eben mein Laster, hier sitze ich, ich kann nicht anders" - Haltung durchaus etwas nettes.

    < gasshô >

    Benkei

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Das Sichten und Freischalten der Kommentare kann dauern.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Falscher "Shaolin-Mönch" aufgeflogen

Den aktuellen Artikel zu Shi Heng Yi (Tien Sy Vuong) findet Ihr hier.    Am Samstag, den 19.03.2011, ist in der Süddeutschen Zeitung ein größerer Artikel über den Fake-Abt (Shi Heng Zong alias Monroe Coulombe) des "Shaolin Temple Europe" erschienen - Seite 11: "Der Shaolin-Schwindel". Wir hatten bereits im Januar 2010 das Thema aufgegriffen. (Dank an Heino für den Tipp.)

The poser Shi Heng Yi alias Tien Sy Vuong / Der Blender Shi Heng Yi vom Shaolin Tempel Europe

(English version first, translated with DeepL - zunächst auf Englisch, unten auf Deutsch) Since last year, I have been improvising a series of YouTube posts that deal with a certain "Shi Heng Yi". You can find the playlist here . Back in 2011, I took a critical look at the "Shaolin Temple Europe" (later the newspaper SZ reported on it). The "Shaolin Temple Europe GmbH " of the same name is now headed by Shi Heng Yi, who is said to have a business degree (MBA), among other things. This man, whose real name is Tien Sy Vuong and whom I have so far described as German-Vietnamese, is trying hard to market himself in social and other media as a " Shaolin master of the 35th generation " and also offers online courses. In the meantime, two people have reported "threats" and warnings to me via Messenger and in a forum. In one case, a critical video was deleted and only uploaded again in abridged form, in which a former student of Shi Heng Yi (S

Die Kommerzialisierung der Shaolin

Am Samstag Abend lief unter "Spiegel TV" (d.h.: besserer Boulevardjournalismus) ein mehrstündiges Porträt über einen engagierten jungen Mann, der sich dem "Shaolin-Tempel" in Kaiserslautern angeschlossen hat. Sein Werdegang wurde über einen längeren Zeitraum verfolgt, Ausschnitte dieser Sendung hatte ich schon mal gesehen. Keine Frage, der junge Mann meinte es ernst und war sympathisch. Wie ein freundlicher, harmloser Herbergsvater kam dann sogar der Abt rüber, Shi Heng Zong genannt, oder auch: der Sitaigung. Da macht einen ja schon mal stutzig, dass ein bärtiger Deutscher nur noch mit chinesischen Namen tituliert wird. Dabei hat er die buddhistischen Essensgebete durchaus eingedeutscht, und auch die Aufnahmezeremonie des jungen Mannes als Mönch lief ganz verständlich und routiniert auf Deutsch ab. Man muss den Leuten hinter dem Tempel auch ihre Ehrlichkeit (oder Naivität?) lassen, mit der sie den Werdegang des Abtes beschreiben, den wir natürlich - bei seiner Le