Von Natsume Sôseki habe ich u. a. schon Hinter der Glastür und Haiku publiziert. Im hundertsten Jahr nach seinem Tode las ich einige Werke, die ich noch nicht kannte. Im Folgenden ein paar seiner interessanten Erkenntnisse.
"Ein träger Mensch ist jemand, der unfähig zu einer eigenen Antwort auf die Frage ist, wie wir leben sollten, und der den anderen kein Bewusstsein für die Existenz vermitteln kann."
"Ein träger Mensch ist jemand, der unfähig zu einer eigenen Antwort auf die Frage ist, wie wir leben sollten, und der den anderen kein Bewusstsein für die Existenz vermitteln kann."
"Wenn wir Worte erzeugen, die nicht in unserer Persönlichkeit verwurzelt sind, als würden wir über eine glatte Oberfläche gleiten, und wenn wir die Worte nur verbinden, um Sätze zu bilden, dann sind wir bloß träge Menschen."
"Wir müssen unsere eigene Interpretation des Lebensweges finden und so viel Vertrauen darin haben, dass wir die folgenden Behauptungen aufstellen können: 'Was auch immer die Leute sagen, ich werde nicht einen Zentimeter nachgeben, da mein Ideal höher als ihres ist, und ich werde von keiner Reaktion überrascht sein. Seid also still! Redet nicht so überheblich, wo ihr doch nichts über den Sinn des Lebens oder dessen Ideal wisst!'"
[Natsume Soseki: The Philosophical Foundations of Literature. Tuttle 2004]
Neu übersetzt habe ich einige Kapitel aus Natsumes Roman "Mon" (Das Tor), die den Aufenthalt eines grüblerischen Protagonisten in einem Zentempel beschreiben. Offenbar flossen Natsumes eigene Erfahrungen aus dem Jahr 1894 im Engakuji unter Meister Soen Shaku in diese Kapitel ein. Zwei interessante Zen-Titel, die Natsume dort erwähnt, will ich noch diesen Monat veröffentlichen.
Ein Auszug aus "Das Tor":
Sôsuke fand dennoch, dass er bloß eine Menge Zeit vergeudet hatte. Der Versuch des Mönchs, die bestmögliche Darstellung zu finden, gemahnte ihn nur noch mehr an seine Schwäche, und obwohl er nichts erwiderte, fühlte er sich tief beschämt.
„Die Zeit, die es zum
Erwachen braucht, hängt vom Temperament des Einzelnen ab“, sagte Gidô. „Ob Sie
dort schnell oder langsam hingelangen, hat keinen Einfluss auf die Qualität der
Erfahrung. Es gibt Menschen, die völlig problemlos einen Durchbruch erfahren,
danach aber keine Fortschritte mehr machen. Andere benötigen viel Zeit für die
ersten Stufen, erleben aber dann andauernde Freude. Sie dürfen die Hoffnung auf
keinen Fall aufgeben. Am Wichtigsten ist, sich weiter leidenschaftlich
hinzugeben. Nehmen wir den verstorbenen Abt Kôsen: Er war ein konfuzianischer
Gelehrter und bereits im mittleren Alter, als er mit der Zenpraxis begann.
Nachdem er drei Jahre lang nicht einmal das erste Gebot hinter sich lassen
konnte, sagte er: ‚Wegen meiner schweren Vergehen bin ich nicht erwacht‘, und
ging so weit, sich jeden Tag demütig vor dem Klohäuschen zu verbeugen. Doch
sehen Sie, welch ein weiser Mann aus ihm wurde. Das ist nur eins von vielen ermutigenden
Beispielen, die ich Ihnen erzählen könnte.“
Das Buch wurde neulich übrigens in der Neuen Züricher Zeitung erwähnt. Zusammen mit zwei anderen des Autors.
AntwortenLöschenDanke für den Hinweis, die Redakteurin hat mir den Text/Link geschickt.
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