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So Sahn (1560-1604): Der Spiegel des Zen II


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Ich würde gern  nur eins sagen:

Alles Denken abschneiden, alle Bedingungen vergessen,

während ich hier sitze und nichts zu tun habe:

Und doch kommt der Frühling und überall wächst das Gras von selbst.

Kommentar:

Alles Denken abschneiden und von allen Bedingungen, von Ursache und Wirkung lassen: Dies bedeutet, die Wahrheit in deinem eigenen Geist zu erlangen. Dann kannst du ein wahrer Mensch des Weges genannt werden, der nichts mehr verwirklichen muss. So einer ist ungehindert und erschafft von Augenblick zu Augenblick nichts: Wenn er hungrig ist, isst er, wenn er müde ist, schläft er. Er wandert frei zwischen den klaren Flüssen und blauen Bergen umher. Er mischt sich gelassen und ohne Hindernis unter die Geschäftigen in Häfen und Wirtshäusern. Das Auf und Ab der Zeiten interessiert ihn nicht, und doch kommt der Frühling und die Gräser sprießen, wie ehedem. 

Wann immer Denken aufkommt, sollte man nach innen und nach seinem eigenen wahren Geisteslicht Ausschau halten. 

Gatha

Ich fragte mich, ob es irgendwo eine solche Person gäbe.

Doch sie ist bereits hier.

 

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Du solltest das kong-an (Koan)  mit absoluter Entschlossenheit aufrecht erhalten, wie eine Henne, die ihren Nachwuchs ausbrütet, wie eine Katze, die eine Maus jagt, wie ein Hungriger, der nach Nahrung strebt, wie ein Durstiger, der nach Wasser sucht, und wie ein Kind, das sich nach seiner verlorenen Mutter sehnt. Nur mit einer solchen Einstellung wirst du gewiss den Großen Zweifel durchdringen.

Kommentar:

Die Patriarchen hinterließen 1.700 kong-an wie "Drei Pfund Flachs" oder den "trockenen Scheißespatel". In allen oben genannten Beispielen stammt die konzentrierte Anstrengung aus dem tiefsten Geist und ist ungekünstelt. Ohne diesen zutiefst geradlinien Geist kann man nicht erwachen.

 

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Wenn du dein hwa-du ("lebendiges Wort", Schlüsselwort), dein kong-an oder den Großen Zweifel hegst, versuche nie, eine richtige Antwort zu finden. Verfolge sie auch nicht mit deinen Gedanken und warte nicht auf Erleuchtung. Wenn du dort anlangst, wo Gedanken nicht eintreten können, wird dein Geist nirgendwo mehr hinkönnen. Du wirst dich fühlen wie eine alte Ratte, die in die Falle des Ochshorns geraten ist: Es gibt kein Vor und kein Zurück mehr. Es wäre völlig falsch, nun dies und das zu erwägen und dem Karma von Leben und Tod  hierhin und dorthin zu folgen, sich zu ängstigen oder wirr zu werden. Von dieser Krankheit werden heutzutage jedoch viele befallen.

Kommentar:

Während der hwa-du-Praxis gilt es, zehn Krankheiten zu vermeiden: 1) das kong-an mit unterscheidendem Denken verstehen zu wollen; 2) sich an den wortlosen Gesten eines Meisters wie dem Heben der Augenbrauen aufzuhängen; 3) sich von Worten gefangennehmen zu lassen; 4) nach einem Beweis im kong-an zu suchen; 5) den Schrei oder eine andere plötzliche Ausdrucksart eines Meisters nachzuahmen, als wäre es die eigene; 6) alles fortzuwerfen, indem man in die Leere fällt; 7) Bedingungen von Existenz und Nicht-Existenz unterscheiden zu wollen; 8) in Begriffen des absoluten Nichts zu denken; 9) Wissen aus logischer Vernunft anzuwenden; 10) ungeduldig Erwachen zu erwarten.

Halte stattdessen fest den Großen Zweifel, der sich aus dem kong-an speist, aufrecht und deinen Geist klar, indem du deine Energie auf die Frage konzentrierst: "Was ist dies?"

 

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Ein Meister der hwa-du-Praxis kann mit einem Moskito verglichen werdenm, der in einen Eisenbullen sticht. Der Moskito denkt sich nicht: "Soll ich es so oder so  machen?" Sein nadelgleicher Mund drückt fest ins Undurchdringliche, er riskiert Körper und Leben und dringt in einem Augenblick mit seinem ganzen Wesen durch.

Kommentar:

Auch hierbei geht es ums "lebendige Wort": Wer sich darauf konzentriert, darf nicht nachlassen. Ein ehrwürdiger Lehrer sagte: "Wer Zen praktiziert, muss ernsthaft die Tore der Patriarchen durchdringen. Um zu erwachen, schneide einfach den Weg des Geistes ab!"

 

(Siehe auch: The Mirror of Zen, tr. by Boep Joeng and Hyon Gak, Boston 2006)

 

 

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