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Wudeng Huiyan: Niutou Farong (594-657)

Ich beginne mit einer Serie von Übersetzungen aus Vorläufern der Kôan-Sammlungen, vor allem dem „Kompendium der Fünf Lampen“ (Wudeng Huiyan) von Lingyin Puji (1197-1253), das wiederum ältere „Lampensammlungen“ zusammenfasst.

Niutou Farong

Niutou Farong war ein Schüler des vierten Patriarchen Dayi Daoxin und begründete die Ochsenkopf-Schule auf dem Berg Niutou, nahe der späteren Stadt Nanking. Diese Schule bestand nach Auffassung von Buddhismusforschern bis etwa Ende des 10. Jahrhunderts (ich erinnere hier daran, dass nach meiner Ansicht eine Schule immer dann fortbesteht, wenn jemand ihren Geist verwirklicht – insofern ist natürlich auch dieser Zen-Zweig noch aktiv, unabhängig von Übertragungsdokumenten).  Die Ochsenkopfschule unterschied sich von der Lehre des Ostberges von Daman Hongren, dem offiziellen fünften Patriarchen. Sie betonte weder die Gebote noch das Rezitieren, kannte aber eine „Nur-Geist“-Doktrin (wei ming lun), nach der die Welt die Schöpfung unseres Geistes und objektive Wissen nur bedingt möglich ist.

Als Dayi Daoxin den Niutou auf dem Berg besuchte, schrieb er im Laufe ihres Gespräches das Wort „Buddha“ auf dessen Meditationssitz. Niutou bat um Erklärung. Dayi sagte; „Die Quelle aller Übungen ist dieser Geist. Alle Gebote und Klosterregeln, die Dharmtore der Erkenntnis und Weisheit, alle wundersamen Manifestationen sind dein natürlicher Besitz und nicht von deinem Geist getrennt. Jede Art des Ärgernisses oder karmischen Hindernisses ist leer und ohne wirkliche Existenz, alle Ursachen und Wirkungen sind nur Illusionen. Es gibt keine Drei Welten, die man abwerfen müsste, und kein Erwachen (bodhi) ist zu erlangen. Die ursprüngliche Natur und Erscheinung dessen, was menschlich und was nicht-menschlich ist, unterscheidet sich nicht. Der Große Weg ist leer und weit, ohne einen einzigen Gedanken. Wenn du diese Lehre verstanden hast, in der es an nichts mangelt, welchen Unterschied sollte es dann noch zwischen dir und Buddha geben? Wenn keine einzige Lehre mehr übrig ist und du nur in deiner eigenen Natur verweilen kannst, machst du dir keine Gedanken mehr um dein Verhalten oder um asketische Reinigungsübungen, sondern lebst einfach ein Leben ohne Begierden, Wut und Sorgen. Du handelst gelassen und ohne Widerstände, gemäß deines eigenen Willens, ohne dich guten oder schlechten Angelegenheiten widmen zu müssen. Nur gehend, verweilend, sitzend und liegend, siehst du – sorglos und gesegnet – alles, was dir begegnet, als die ursprüngliche Quelle und als die feine Wirkung Buddhas an. Dies also nennt man ‚Buddha‘.“    

***

Ein Mönch fragte Niutou: „Was hat jemand, der als Heiliger gilt, abgeschnitten, und was sollte er erlangen, um diesen Ruf zu rechtfertigen?“

   Niutou sagte: „Wer nicht ein einziges Phänomen abschneidet, wird Heiliger genannt.“

   Der Mönch fragte weiter: „Was unterscheidet ihn dann von einem gewöhnlichen Menschen?“

   Niutou erwiderte: „Es gibt da einen Unterschied. Gewöhnliche Menschen versuchen, ihre Verstrickungen loszuwerden und in ihrer Verwirrung etwas zu gewinnen. Es gibt aber nichts, was vom wahren Geist eines Heiligen gewonnen würde oder verloren ginge.“

   Der Mönch fragte: „Wo genau liegt dann der Unterschied zwischen dem, was gewöhnliche Menschen erlangen und Heilige nicht erlangen?“

   Niutou antwortete: „Der Unterschied besteht darin: Was gewöhnliche Menschen erlangen, ist illusorisch, doch das Nicht-Erlangen der Heiligen ist es nicht. Die Getäuschten sehen einen Unterschied in diesen beiden Sichtweisen, die Heiligen nicht.“

   Da bat der Mönch: „Kannst du die Sicht jener Heiligen beschreiben, die keinen Unterschied in diesen beiden Sichtweisen sehen?“

   Niutou sagte: „Die Begriffe ‚Gewöhnlicher‘ und ‚Heiliger‘ sind falsch, denn darin gibt es keine zwei Dinge, also keinen Unterschied.“

***

Ein Mönch fragte: „Wie kann genau in dem Moment, wo jemand seinen Geist benutzt, dieser Geist gleichmütig bleiben?“

   Niutou antwortete: „In dem Moment, wo der Geist benutzt wird, wird er nicht benutzt. Verschwurbeltes Denken und Reden verursachen Probleme. Doch frank und frei zu sprechen macht weniger Komplikationen. Nicht-Geist ist die rechte Anwendung des Geistes, während ihn ständig zu benutzen heißt, ihn niemals richtig zu gebrauchen. Den Geist nicht zu verwenden bedeutet, ihn zur Befreiung zu nutzen.“

   Der Mönch fragte weiter: „Wenn ein Weiser geschickte Worte einsetzt, dann stimmen sie mit dem Geist überein. Ist es dann nicht Ketzerei, wenn Geist und Worte voneinander abweichen?“

   Niutou erwiderte: „Geschicktes und wohlbringendes Reden ist der Weg des Mahayana, es löscht die Geisteskrankheit [des Ego-Glaubens] aus. Ist die Rede nicht mit der ursprünglichen Natur verbunden, entstehen nur hohle Fabrikationen. Sich am Nicht-Geist zu orientieren heißt, einen solch verdrehten Geist abzuschneiden. Die eigene Natur jenseits der Gedanken ist unbewegt und täuscht sich nicht über Geburt und Tod. Entsteht im Tal ein Echo, kann es spiegelgleich gehört werden.“       

 

 
(Hausaufbau in Südpattaya)

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