[Der folgende Text (Lung chung) findet sich in mehreren Manuskripten aus Dunhuang, u.a. in Pelliot tibétain 699. Er dürfte zu seiner Zeit eine sehr beliebte Meditationsanleitung gewesen sein. Einige Hinweise wie ein Zitat aus den „Fragen und Antworten zu Vajrasattva“ verweisen auf das tibetische Umfeld, in dem der Text entstand. Siehe hierzu auch meinen Beitrag aus dem letzten Jahr zum Buch Tibetan Zen von Sam van Schaik (Boston 2015) sowie den im Blog vom 01.07.21.]
Die kurzgefassten Gebote
Alle zahllosen fühlenden Wesen sind im Samsara gefangen, dem Fluss des Leidens und der Falle der Unwissenheit. Um dieses zu zerstören und sie zum Nirwana zu bringen, in dem keine Anhäufungen (skandha) zurückbleiben, tue das Folgende:
Kreuze Füße und Hände. Strecke dein Rückgrat. Bewege deinen Körper nicht. Sage nichts. Wende dich ab, ohne die täuschenden sechs Geistestore und ihre Objekte zu beschäftigen, und betrachte deinen eigenen Geist. Du wirst sehen: Der Geist hat überhaupt nichts Substantielles. Denke also an nichts. Ohne dich in die verschiedenen emotionalen Stadien zu begeben, stelle dir nichts vor. Wenn du die geistige Sphäre völlig gereinigt hast, verweile nirgendwo. Hast du lange Zeit auf diese Weise gesessen, wird sich dein Geist stabilisieren.
Leiden selbst ist Erleuchtung. Samsara ist Nirwana. Die Natur der Weisheit taucht nicht zu Beginn auf, noch schwindet sie am Ende oder verweilt in der Gegenwart. Die drei Zeiten sind leer in ihrer Gleichheit. Leere selbst ist leer, stelle dir also Leere erst gar nicht als Leere vor. Sobald alles, was gedanklich entsteht, befriedet ist, darfst du den Geist nicht absichtlich behindern oder unterdrücken, der an seinem Grund mit derben und subtilen Eindrücken versehen ist. Da Weisheit ohne Vorstellung und Konzentration ohne Bewegung ein und dasselbe sind, wirst du allmählich gereinigt und mit Macht selbstbefreit – du machst dir keine Vorstellungen mehr von dem, was gedanklich entsteht, und du verweilst auch nicht im Nicht-Entstehen.
In drei solcher Sitzungen pro Tag schmiede dein Herz des Bemühens. Kultiviere ohne Nachdenken jene Weisheit, die Gedanken überschreitet. Die Schriften sagen, dass Denken Nicht-Denken sei, denke aber nicht mal darüber nach, keine Gedanken zu haben, denke nicht: „Hör mit dem Denken auf!“
Die Schriften sagen auch, diese Übung würde immer subtiler, immer klarer und immer gleicher. Im Raum der Nicht-Konzeptualisierung leuchtet das Nicht-Selbst auf. Diese Lehre wurde dem großen Kashyapa vermacht. Dharmatara meditierte auf diese Art. Es handelt sich um die Weisheit deiner eigenen Achtsamkeit.
Was ich hier sage, ist nicht bloß eine Behauptung.
[Vor einigen Jahren wurde beim Komplex der Father Ray Foundation in Pattaya, wo viele Behinderte zur Schule gehen und ausgebildet werden, ein extra Seitenstreifen für die Rollstuhlfahrer geschaffen, der u.a. zum Supermarkt Big C führt. So sieht der heute aus.]
Wenn man's nicht besser wüsste, könnte man fast meinen, hier von einem Dogen-Inspirierten zu lesen...
AntwortenLöschen