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"Das Ego muss weg!"



Ich will hier ja nach Möglichkeit im Zweiwochenrhythmus updaten. Nun werde ich ein wenig schummeln und nach dem heutigen aktuellen Text zwei weitere Beiträge rückdatieren - falls Ihr Euch wundert, wo die denn auf einmal herkommen. Mit was ich u. a. beschäftigt war, schreibe ich dort.

Als ich heute vor der Entscheidung stand, mir zur Unterhaltung einen alten Marx-Brothers-Film oder einen neueren über "Zen-Meister" auf Youtube anzuschauen, habe ich mich zwecks Inspiration dieses Blogs für den oben gezeigten, hübsch gemachten Film von Thorsten Heisan entschieden. Der naive Thorsten (sein Schlusswort lautet, alle Antworten der Lehrer seien "von der gleichen Essenz getragen") ist selbst schuld, denn er gibt vor, zwölf solcher Meister/innen interviewt zu haben. Wie aufmerksame Leser meines Blogs wissen, aber spätestens in seinem Film erkennen können, haben einige von den Interviewten nicht nur formal keinen Meister-Status, sondern tatsächlich auch keinen hinreichenden Durchblick, um als solche angesehen werden zu können. Schön, dass wir das nun in zwei Stunden dokumentiert haben. Womit ich nicht behaupten will, dass es Ausnahmen gibt. Ja, einige von mir nun Kritisierte haben hin und wieder etwas durchaus Erhellendes gesagt. Doch beschränken wir uns auf die komischen Passagen.

Keine Überraschung ist, dass sehr viele Zen mit Zazen gleichsetzen, am auffälligsten Roland Rech ("Man muss jeden Tag Zazen sitzen"), der trotzdem eine noch schlechtere Haltung hat als ich. Im Gegensatz zu mir ("Ich bin Zen") bezeichnet er sich folglich als "Mensch des ZAzen". Hatlapa, ein aus der "Rei-Bande" selbst ernannter "Meister", führt sich mit unzureichendem Wissen ein, wenn er Bodhidharmas Überlieferung mit "Keine Ahnung" zusammenfasst und behauptet, dieser habe sich "sein ganzes Leben" mit dem Ich beschäftigt. Künne, ein weiteres Mitglied der "Rei-Bande", stellt die Frage in dem Mittelpunkt, was bleibe, wenn doch alles, vor allem unsere Ansichten, der Fluktuation und Vergänglichkeit unterworfen sei (bitte erinnert Euch, dass die rechte Zen-Übung dazu führt, im gegenwärtigen Moment zu verweilen und sich nicht ständig damit zu beschäftigen, was wäre, wenn dieser Moment vergeht - denn nur dann steht der Aspekt der Vergänglichkeit noch im Zentrum der Gedanken, also nur dann, wenn man etwas Entscheidendes nicht verstanden hat). Interessant ist auch, den gelegentlich umständlichen und langwierigen Erklärungsversuchen zuzuhören, etwa wenn Doko Waskönig die (kleine) Erleuchtung zu deuten sucht. Ganz anders versucht es Jion, den ich bisher  noch gar nicht kannte. Auf seiner eigenen Webseite finden sich Videos, in denen er wie üblich daherredet (etwa bei der Unterweisung ins Bogenschießen), inzwischen versucht er sich aber offenbar als Shodo Harada-Kopie und antwortet auf rationale Fragen schon mal mit einem Schrei. Ich bin froh, dass er nicht behauptet hat, die Lehrbefugnis von Harada bekommen zu haben, sondern natürlich von jemandem, den hier praktisch wieder keiner kennt. Nächste Frage - und Künne behauptet, dass es Erleuchtung nicht gebe, woraufhin unser Filmemacher die Wassermeyer hinterherschneidet, die genau das Gegenteil sagt. Sind sie nicht köstlich, unsere Lehrlinge? 

Dann kam mir doch der Gedanke, jemand müsse Teske diesen hässlichen Kokon, den er unter seinem Kinn hängen hat, einfach mal abschneiden. Wahrscheinlich hat keiner in seiner Sangha den Mut, ihm zu sagen, wie dieses als Bart gedachte Anhängsel wirkt - nämlich unpraktisch und kompliziert. Man kann sich gut vorstellen, wie während des Zazen in Teske der Gedanke aufkam, sich diesen Bart so wachsen und binden zu lassen, und wie er (leider) diesen Gedanken nicht einfach weiterziehen ließ. Teske sieht es offenbar als seine Aufgabe an, Schülern mit Kôan ein "Problem" aufzuhalsen. (Versteht Ihr? Zen sollte zu einem einfachen Menschen machen, und hier macht einer es unnötig kompliziert.) Dann wieder die Wassermeyer: "Auch Buddha hat es nicht allein geschafft", will sie uns ganz entgegen der Überlieferung weismachen, weswegen das Sitzen in einer Gemeinschaft unabdingbar sei. Es war jedoch genau umgekehrt, der Buddha riet sogar, nicht einmal von ihm, sondern von sich selbst als Meister auszugehen, also in sich selbst den Lehrer zu finden.

Beim Thema Leiden (dukkha) erleben wir dann die üblichen Verdrehungen. Zölle (entschuldigt meinen kumpelhaften Ton ohne Vor- und Ordinationsnamen) spricht von einem "Widerstand", den der Körper gegen die Überwindung von Leiden (also auch von Schmerzen) aufgebaut habe. Das ist eine seltsame esoterische Verschwurbelung der schlichten Tatsache, dass Schmerzen auch Warnsignale sind und der Allgemeinplatz, alles würde vergehen, etwas sarkastisch wirkt, wenn man ihm einem Kranken sagt, der seine Schmerzen erst mit dem Tod loswerden wird. All diese unvollständigen Erkenntnisse waren hier über die Jahre schon Gegenstand meiner Blog-Texte, und es ist doch beruhigtend zu sehen, dass sie sich hartnäckig halten und als "meisterlich" durchgehen können. Mein Blog macht also wirklich Sinn!

Jetzt werden sich manche fragen, was ich von Muhos Statements halte. Ihr wisst, wie ich Muho schätze. Und doch ist es an der Zeit, hier auch mal Tacheles zu reden, denn ich mache mir etwas Sorgen. Ja, es wurde zurecht kritisiert: Muhos Videos sind oft zu lang. Aber gelegentlich auch zu unvorbereitet und zu gedankenschwer. Man sieht es an seinem häufig verkniffenem Mund, und ich bin mir nicht sicher, ob es ein gutes Zeichen ist, wenn man einerseits viel Zazen sitzt, um Gedanken ziehen zu lassen, sie dann aber minutenlang bedächtig (um ein freundliches Wort zu wählen) hin und her wägt. Die Mundverkniffenheit im Interview mit Brad Warner, das ich auch erst gestern sah, schien mir möglicherweise sogar Dissenz zu verbergen. Sollte dieser Dissenz nicht offen angesprochen werden? Oder täusche ich mich? Muho hat die Trennung von Zazen und Alltagsleben ebenfalls wiederholt, als er meinte, es sei gut, im Zazen von den Schwierigkeiten, die zuweilen mit Familienleben verbunden sind, herunterzukommen (er spricht von einer "Pause" auf dem Kissen). Ich sage nicht, dass dies falsch sei oder nicht funktioniere, ich meine jedoch, dass es im Wesentlichen darum geht, die "Zen-Übung" als vom Zen geprägtes Alltagsleben zu begreifen und nicht als etwas, das in diesem Alltag vermisst wird. Erst dann wird man auch erkennen, dass ein separat praktiziertes und metaphorisch überhöhtes Zazen nicht unbedingt nötig ist. In einem mir ebenfalls erst jetzt bekannt geworden Text (dem letzten Teil von "My teacher's house") spricht Muho davon, dass eine der Bürden im Kloster war, nicht denen eine bessere Lösung vermittelt zu haben, die sich selbst töteten. Muho selbst weiß von vier ehemaligen Antaiji-Praktizierenden (unter etwa tausend), die das taten, spricht von einer möglichen Dunkelziffer. Diese "Zennie-Selbstmordrate" wäre, wenn die Dunkelziffer zwei Mal so hoch ist, hundert Mal so hoch wie der Durchschnitt in Deutschland (2018 waren es elf Personen von 100.000). Nun mag es in Japan eine ganz andere Statistik geben, und ich kenne die Herkunft und soziale Prägung der Suizidalen nicht. Aber wenn das nur annähernd hinkommt, dann bestätigt sich nicht nur meine Beobachtung, dass Sesshin Menschen in emotional instabilen Zuständen anziehen, sondern auch, dass Zazen kein besonders gutes Heilmittel ist - statistisch betrachtet.

Und wo wir gerade bei Brad Warner sind, noch ein Wort zu ihm. Einige seiner Blog-Leser sorgten sich, ob mit ihm alles in Ordnung sei, er habe lange nichts mehr gepostet. Bei meiner kleinen Leserschaft war eine solch rührende Sorge um mein Wohlergehen nicht zu erwarten, und seit ich mich auf Professor Bhakdi beziehe und wohl auch davon schrieb, dass ich wieder (ja sogar häufiger als vor COVID-19) "fremde Frauen" küsse, haben sich manche vielleicht gar gedacht, ich bekäme jetzt schon, was ich verdiene. Brad verweist auf seine Videos und auf ein kommendes Buch, wo er klarmachen will, wie Ethik und die "wahre Natur der Wirklichkeit" (ein ganz und gar religiöser Ausdruck) zusammengehören. Es gäbe nur eine "Absolute Wahrheit", keine relative (ebenfalls eine ganz und gar religiöse und ideologische Auffassung, mit der er wohl zudem den Boden Nagarjunas verlässt, von dem Brads Lehrer Nishijima noch einiges hielt). Auch hier ist doch irgendwie beruhigend, dass sich Brad immer weiter in die Scheiße reitet. In einem seiner letzten Beiträge schreibt er, buddhistische Ethik gründe auf der Ansicht, "Wirklichkeit sei nur Eins". Demzufolge würde man sich selbst verletzen, indem man andere verletze, denn die anderen gäbe es gar nicht. Liebe Leser, das einfache Beispiel der Malaria-Mücke oder des tollwütigen Tieres, das einen abseits der Zivilisation beißen will und das man deshalb vorsorglich tötet, zeigt uns doch, dass man sich im Gegenteil sogar selbst retten kann, wenn man andere verletzt (im Einzelfall). Diese religiöse Sprachverwirrung, die auf unklaren Gedankengängen beruht und sie befördert, ist hier immer wieder Gegenstand meines Spottes gewesen. Ich lese schon seit Jahren keine Bücher mehr von Brad. Auf der relativen Ebene macht er damit Geld, wie ich auch. Auf der relativen Ebene werden dafür Bäume gefällt usw. Und DAS ist die absolute Wahrheit ;-)

Mir ist klar, dass es problematisch ist, sich in Filmen der Öffentlichkeit zu stellen, zumal, wenn die Antworten nicht vorbereitet sind. Sollte ich je etwas Derartiges tun, wird es mir kaum anders ergehen.

[Eine Auseinandersetzung mit den Thesen und Erkenntnissen des japanischen Philosophen Hitoshi Nagai, den Muho anempfahl, findet sich nachträglich in diesem Blog am 16.08.2020 und im nächsten Beitrag am 15.09.2020.]


Kommentare

  1. Wohin soll das sogenannte Ego weg gehen, da es ja nur eine vorübergehende Gedanken-Erscheinung ist und von selbst sich wieder auflöst in die Gedanken-Leere.
    Der lachende Buddha ist fürwahr unter den "ernsthaft Suchenden" eine gar seltene Erscheinung. Doch auch dies ist unwesentlich, da das was ohne Worte auskommt eben nie er- Egomässig, Gedanklich, Begrifflich usw. ist.

    PS. auch dies sind nur Gedanken...............

    Gruss

    Patrick

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  2. Dieser Film ist für die *meisterliche* Zen Zunft einfach nur peinlich!
    Und zwar durch die Bank ... ausnahmslos

    Gassho

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  3. Dazu als Ergänzung eine weitere Erläuterung zum Projekt:
    https://zen-bonn.de/2020/04/filmprojekt-blueprints-for-zen-practice-ein-gespraech-mit-thorsten-heisan-schaeffer/

    Ich finde es ganz gut, dass es diese Selbstdarstellungen gibt. Das ist wie Tinder. Vielleicht macht der umtriebige Thorsten so eine App fürs Zen-Meister-tindern. Ist doch eine nette Geschäftsidee.

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  4. Purpurnes Prunkgewand,
    Ehrentitel
    Auf kostbarem Papier
    Und Kupfergeld,
    Dreihundert Schnüre –
    So zeigt sich
    Dieser Meister;
    Doch wie arm ist sein Haus!
    Großartiger Anschein
    Deckt Lüge zu –
    Hinter allem Schein
    Ist nur ein Dieb.

    aus: Ikkyû Sôjun, „Im Garten der schönen Shin“

    Liebe Grüße
    Giri

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  5. Für mich als "Anfänger-Geist" ein sehr interessanter Film. Bemerkenswert ist, wie divers teilweise die Antworten sind. Fragt man zB 10 Pfarrer oder 10 Imane, würde man sicherlich ähnliche Antworten erhalten, doch beim Zen ist es da ganz anders, vermutlich weil Zen insb. Praxis ist und diese ist sehr subjektiv. Zu Muhu, Rech (der alte Mann sitzt aber ziemlich schief) und Poraj habe ich den besten Zugang, wobei Poraj mit aber doch zu intellektuell ist.

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