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Höhlenrettung, Aberglaube und Mönchskorruption in Thailand

 Als ich gestern vom enttäuschenden kleinen ASEAN-Filmfest in Bangkok zurückkam (die Filme waren so langweilig, dass man sie kostenlos sehen durfte) und im Bus den Soundtrack zur NETFLIX-Serie "The Get Down" auf den Ohren hatte, kam mir plötzlich im Dämmerschlaf der Gedanke, ob es wohl möglich sei, zwei trainierte Delphine in das Höhlensystem in Thailand einzubringen, wo man jetzt gerade, da ich dies schreibe, mit der Bergung der dort von Wassermassen eingeschlossenen 12 Jungen und ihrem Fußballtrainer begonnen hat. Sehr viele Menschen haben sich mit sehr vielen Ideen eingebracht, einige auch tatkräftig. Einer der eingesetzten thailändischen Navy Seals kam bereits ums Leben. Trotzdem war man nun der Meinung, den im Tauchen ungeübten Kindern den stundenlangen Weg durchs Wasser nicht mehr ersparen zu können. Tatsächlich ist selbst bei mir im Südosten des Landes das Wetter gerade so schlecht, dass ich eben nicht mal die Berichterstattung im TV sehen konnte, der SAT-Empfang war gestört. In diesem Jahr hat es besonders früh besonders viel geregnet.
   Was sich im Zusammenhang mit dieser Aktion abspielt, wirft auch ein Licht auf den thailändischen Buddhismus und Volksglauben, die Hand in Hand gehen. Traditionell wurden in Höhlen Menschen bestattet und man schreibt ihnen Geisterwelten zu, assoziiert mit diesen Orten also vor allem den Tod. Da nun eine lokale Mönchsgröße zunächst behauptete, die Eingeschlossenen würden gerettet und man würde sie bald finden, und sie kurz darauf tatsächlich entdeckt wurden, sahen viele die übersinnlichen Fähigkeiten dieses Mönches bestärkt - und der Preis von ihm gesegneter Amulette schoss in die Höhe. Wie ich schon im letzten Beitrag schrieb, erfüllt hier Religion die Funktion der Hoffnung, denn selbst wenn der Mönch sich täuschte, würde man wohl später darüber hinwegsehen und ihn für seine moralische Unterstützung loben. Tatsächlich hat er in meinen Augen nur eine sowieso wahrscheinliche Prognose abgegeben, die keinerlei Rückschlüsse auf seine spirituelle Begabung zulässt. Nehmen wir hingegen an, jemand hätte seinem instinktiven Gefühl Ausdruck gegeben, dass es mindestens einen Toten geben wird (steckt dahinter womöglich die magische "12"?) - wenn auch die Frage bliebe: wann? -, man hätte auf ihn eingeschimpft und sein Verhalten für unverantwortlich gehalten. Hätte sich die Voraussage bestätigt, wäre ihm dennoch der Unmut der anderen gewiss gewesen. Der Mönch, der Gutes verheißt (auch wenn seine Religion auf der Erkenntnis von Unbeständigkeit fußt), und das Volk, dass von ihm Hoffnung gemacht bekommen will, ergänzen sich symbiotisch. Mit Realismus und Wahrheitsfindung hat das noch nichts zu tun.
   Auch einen deutschen Experten, der wohl über den Verdacht buddhistischer Schwafelei erhaben war, sah ich im Fernsehen. Er meinte noch vor ein paar Tagen, die Bergung oder ein längerer Aufenthalt in der Höhle seien gar kein Problem, es gebe genug Sauerstoff usw. Ich habe aber niemanden das sagen hören, was ich inzwischen aus den Aufnahmen der hungrigen Kinder entnahm, nämlich dass sich mindestens zwei in einem kritischeren Zustand befinden, als der Öffentlichkeit weiß gemacht wurde (was einer der Hauptgründe für die nun doch etwas hektisch gewordene Rettungsaktion sein dürfte). Ich frage mich inzwischen nur noch, ob man die Kinder tatsächlich nicht sedieren kann, weil sie ein enges Teilstück bewusst ohne fremde Hilfe bewältigen müssen. Und auch wenn ich prinzipiell keine Angst vor Mensch und Tier kenne, weiß ich wohl um situationsspezifische Panik, die mich sogar schon mal bei einer Wurzelbehandlung am hintersten Zahn dazu trieb, mir diesen lieber ziehen zu lassen, so stressig kam mir der Versuch der Zahnerhaltung vor. Kaum auszumalen, welches Panikpotential in den Kindern steckt, wenn über ihnen eine Felsdecke, vor ihnen dreckiges Wasser und unter ihnen die dunkle Tiefe lauert - und sie diese Gedanken nicht verscheuchen können. Die Ironie des Schicksals ist dabei, dass den Jungen die traditionellen thailändischen Vorurteile über Höhlen bereits im Kopf sitzen. Während ich also ein trauriges Lehrstück erwarte, machen sich andere bereits darüber Gedanken, wie der Hype um diese Höhle(n) in Zukunft kommerziell ausgenutzt werden kann. Man erwartet einen Ansturm von Touristen.
   Der häufige Regen jedenfalls bestimmte auch meine vergangenen Tage in Bangkok (die Filme des Festivals liefen erst gegen Abend), so dass mir nicht viel Zeit zur Erkundung der interessanten Stadt blieb. Wie so oft lief ich einfach mal los, weg von der Khao San Road, wo ich diesmal mein Hotel gebucht hatte (und das voller die ganze Nacht hindurch labernder, wahrscheinlich bedrogter junger Leute war - ein Hoch auf Ohropax!). Wie es das Karma so will ... lief ich dann passenderweise im Wat Saket ein. Denn als nächsten Blogbeitrag hatte ich doch mithilfe des englischen Wikipedia einen Überblick über den Thai-Buddhismus eingeplant, der einen "höchsten Patriarchen" kennt (jener, der angesichts obiger Tragödie zum Rezitieren des Metta-Suttas riet). Aus diesem Wat Saket wurden am 24. Mai diesen Jahres einige Mönche festgenommen, der Abt Phromsitti floh zunächst, er wollte angeblich erst mal einen buddhistischen Feiertag würdigen, ehe er sich eine Woche darauf der Polizei stellte. Danach wurde er entrobt - eine formale Voraussetzung für die Festnahme - und wieder zum Bürgerlichen Thongchai Sukho. Auf zehn seiner Konten sollen sich 132 Millionen Baht (knapp 4 Mio. Euro) angesammelt haben. Klar, dass ich mir da die 50 Baht (ca. 1,30 Euro) für den Aufstieg des Tempelberges ersparte mit dem Hinweis, Wat Saket habe ja nun wahrlich genug Kohle gescheffelt. 
   Auf die Details der Veruntreuungen will ich nicht eingehen, es werden die üblichen Konstrukte behauptet, etwa Firmengeflechte, über die Tempeleinahmen verschwanden und auf Privatkonten landeten. In ganz Thailand wurden in jüngerer Zeit etliche auch hochrangige Mönche dessen bezichtigt und inhaftiert, und sofort kam der Verdacht auf, die Militärregierung würde denjenigen Zweig des thailändischen Buddhismus angreifen, der dem Königshaus traditionell ferner stehe und aufmüpfig sei. Als jedoch auch von deren Seite ein namhafter Mönch verhaftet wurde, hieß es, dies sei nur geschehen, um den Eindruck zu erwecken, es ginge dabei fair zu. Bei der von mir kürzlich gemeldeten Farce, die einen der Mönche nach Deutschland trieb und um Asyl bitten ließ, war in der deutschen Presse zu lesen, die bloße Tatsache, dass Thailand Ermittler hinterhersandte, um seine Auslieferung zu erwirken, errege schon den Verdacht, es handle sich um ein politisch motiviertes Verfahren. Wie ich hier aber an vielen Beispielen deutlich machte (auch von unbedeutenderen Äbten, die mit mir nach fünf Minuten schon über Geschäfte sprachen statt über ihre versifften Tempeltümpel), ist der moralische Abstieg des thailändischen Klerus geradezu unverkennbar. Der größte Tempel Pattayas etwa ist trotz königlicher Weihen auf den ersten Blick vor allem ein zugestellter kostenpflichtiger Parkplatz. Wenn endlich mal etwas gegen welche Form des Kommerzes im orangenen Gewand auch immer getan wird, sollte man dies zunächst unterstützen. Die thailändische Gesellschaft ist die letzte, die einen finanziell korrumpierten Klerus gebrauchen kann, da sie in meinen Augen ohnehin zu materieller Oberflächlichkeit neigt ("sanuk", Spaß haben, ist das Lebensmotto) und diese sich ungünstig mit spirituellem Unsinn zu paaren droht. Das Metta-Sutta mag man darum vor allem für die Mönche selbst rezitieren, auf dass sie zur Einsicht kommen. Was die Höhlenrettung angeht, so ist es wohl hilfreicher, mit aufmerksamen Augen die Details zu verfolgen und auch das Nachspiel, das folgen wird.


   (Fotos: Keller/Wat Saket - Lageplan und Spendenbox mit Abtsfiguren; 
oben: T-Shirt Beflockung in Bangkoker Hinterhof)
   

Kommentare

  1. Heute im ORF2 TV , Sendung: Thema, sagte eine Höhlenforscherin, dass der mit ein geschlossene Fussball Trainer ein Mönch sei...!?

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  2. Er war früher Mönch, schon als Kind, und soll mit den Kindern in der Höhle meditiert haben. Er ist (noch) staatenlos, wie einige der Kinder, die aus den Grenzregionen stammen. Der Junge, der Englisch mit den Tauchern sprach, die den Erstkontakt hatten, soll auch Chinesisch, Burmesisch und eine dortige Stammessprache sprechen. Das Thema, den Staatenlosen eine thailändische Staatsbürgerschaft zu geben, wird nun neu diskutiert. Thailand ist kein Einwanderungsland.

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