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“Küss meinen Arsch, Recep!“ (Warum die Nationalelf keine Özils braucht und der Buddhismus keine DBU)

Im Jahr 1347 erließ die Königin Johanna I., "Königin beider Sicilien und Gräfin von Provence, für ein gesetzmäßiges Hurenhaus, das Mädchenkloster [sic!] von Avignon", u. a. diese Verordnung: "9. Ferner ist es der Königin Wille, dass die Priorin keinem Juden den Eintritt verstatte"*. Bei Zuwiderhandlung sollte der Eindringling durch die Straßen gepeitscht werden.
   Als ich in meiner Studienzeit Abwechslung in Frankfurter Bordellen suchte, erging mir nicht die Berichterstattung über ein jüdisches Brüderpaar, das u. a. ein Haus betrieb, in dem die Wirtschafter zur Gewalt neigten. Schon einer der Brüder hatte sich der Legende nach durch ein Gewaltverbrechen im Milieu einen einschlägigen Ruf erworben. Der Preis, den sie bezahlten, bestand z. B. darin, dass sie sich nur noch bewaffnet auf die Straße getraut haben sollen, nachdem mutmaßlich die Flucht vor deutschen Steuerbehörden - ich glaube sogar per Helikopter - mit Endziel Israel gelungen war. Soweit erinnere ich die Geschichte, die natürlich zum Himmel stank. Es war einer dieser Momente, wo mir klar wurde, dass einem Juden in Deutschland nichts unmöglich war, was einem Nicht-Juden möglich ist. Und das war Anfang der 90er-Jahre. 
   In der Folgezeit habe ich darum mit besonderer Skepsis verfolgt, wie das Thema Ausländer- und Judenfeindlichkeit instrumentalisiert und wie vor allem leichtfertig mit dem Vorwurf des Rassismus umgegangen wurde. Als Regel ließ sich daraus ableiten, dass man in Auseinandersetzungen am Besten dem anderen als Erster einen Rassismusvorwurf machte. Ganz offensichtlich hatte sich dies nicht nur eine ideologisch weit links anzusetzende Szene zueigen gemacht. Diese Rhetorik hat sich bis heute gehalten und wirkt darum nun leicht durchschaubar, um nicht zu sagen lächerlich. Angesichts dumpfer Parolen aus Pegida- und AfD-Kreisen ist zwar besondere Aufmerksamkeit angesagt, denn wer möchte denen wirklich die Bälle zuspielen?

Auf der anderen Seite hat Mesut Özil mit seinen aktuellen Erklärungen genau das bestätigt, was ich in zwanzig Jahren meines Lebens in einem sozialen Brennpunkt (den er mindestens die Hälfte der Zeit über war) lernte, nämlich dass es Menschen gibt, die offensichtliche Fehler machen und der Kritik daran mit weiteren Fehlern, "Türkiye!" oder "Nazi"-Rufen oder eben dem Rassismus-Vorwurf, begegnen. Ersteres, wenn sie nicht wie Özil sich eines Beraterteams bedienen können, dass ihre Statements entsprechend aufbereitet, was m. E. in direkter Absprache mit Mitarbeitern des türkischen Präsidenten Erdogan geschehen sein könnte. Özil also hat bestätigt, was inzwischen die meisten von ihm dachten, und weil er lange genug zögerte, konnte er noch mehr aufgestauten Unmut gegen ihn ins Spiel bringen, als wenn er sich vor der WM geäußert hätte. Ein Unterschied zwischen Özil und den Asozialen in meiner Gegend ist für mich nur schwer erkennbar, da kann ich Jakob Augstein vom Spiegel auf die Sprünge helfen, der Özils Frage, ob er nur deshalb als Deutsch-Türke bezeichnet würde, weil er Muslim sei, an die Leser weitergibt. Ich hatte gar keine Ahnung, dass Özil Muslim ist, also fünf Mal am Tag betet, den Zakat entrichtet, in Mekka war und was sonst noch dazu gehören mag. Da er offenbar (nur) einen deutschen Pass hat, hab ich auch kein Problem damit, ihn als Deutschen zu sehen. Allerdings benimmt er sich wie mir bekannte Deutsche mit türkischen Wurzeln, wenn er argumentiert, es sei quasi Ehrensache und gehöre sich aus Respekt - auch gegenüber den eigenern Eltern in der Türkei - dem dortigen Präsidenten ebenso die Aufwartung zu machen wie ggf. dem deutschen. Wer den Unterschied hier nicht erkennt und verdeutlicht, der handelt in erster Linie also wei ein Lakaie, genau wie die Mitläufer im Dritten Reich, wie die Vasallen eines Feudalherren im alten Japan. Als ich mit meiner Übersetzung der Samurai-Schrift Hagakure Erfolg hatte, betonte ich immer wieder, dass nicht die Aufopferung für den Lehnsherrn (oder gar einen Kaiser) in diesen Schriften vorbildlich sei, sondern die Ethik, die man aus den anderen Passagen extrahieren könne. Diese Ethik könnte in der Moderne eine Bedeutung haben, die Ehrfurcht vor einem Amt jedoch - ohne ein differenzierendes Betrachten des Amtsinhabers - war längst überholt. Özil hat also genau das gemacht, was die Störer in unserer Siedlung machten (wobei dies beileibe nicht nur "Deutsch-Türken" waren, aber diese eben dadurch auffielen), nämlich als er sich angegriffen fühlte, wie ein türkischer Nationalist reagiert. Und Özil ist damit genauso wenig oder schlecht integriert wie die Türkischstämmigen aus ärmeren Verhältnissen, von denen ich rede, er kann nur die Leute, die seine Texte mitformulieren, eleganter schreiben lassen - ohne dass sie in der Lage wären, diesen türkischen Nationalismus, also die Unfähigkeit, das Charakterschwein in Erdogan zu erkennen und zu benennen, zu verbergen. Özils Meinung sei ihm unbenommen, aber sie steht auf einer ähnlichen Stufe wie die vieler Pegida- und AfD-Anhänger und ist von daher auch dann heftig kritisierbar, wenn man nicht aus der linken Szene kommt, sondern einem nur bange ist, wie Menschen, denen es finanziell so gut geht, derart die Wertmaßstäbe verrutschen können. 
 
So wie eine deutsche Nationalelf ohne Spieler denkbar ist, die einen Diktator respektieren, so ist auch der deutsche Buddhismus ohne einen Dachverband wie die DBU denkbar. Im Forum "Buddhaland" finden sich die Links zu aktuellen Versuchen in der DBU, sich von Ole Nydahls Diamantweg-Buddhismus oder vielmehr seinen persönlichen Äußerungen sowie einigen anderen Lehrern und Entwicklungen abzugrenzen. Wie ich hier schon sagte, ist es unnötig, einen großen Verband mit so hoher Mitgliederzahl, wie sie die Sekte Nydahls darstellt, auch noch in der DBU aufzunehmen. Prinzipiell stellt sich jedoch die Frage, was deutsche Vereinsmeierei überhaupt mit Buddhismus zu tun hat. Natürlich kann man meinem Blog entnehmen, dass ich von den meisten Auswüchsen und Lehrern sowieso nichts halte, also bliebe da nur ein kleiner "Club" übrig, würde mal richtig aufgeräumt. Davon abgesehen erkennt man an der verlinkten Diskussion noch einmal, wie die ewig gleichen Platitüden und Mythen von Anhängern Nydahls weiterverbreitet werden, so auch von einer Moderatoren-Schleimbacke. Selbst wenn man dieser abnehmen würde, dass ihre Zeit bei Nydahl weit zurückläge, würde an ihrem Beispiel  deutlich, wie lange noch die Sektenpropaganda nachwirkt, bis in den Wortlaut hinein, und dass gerade darin sich ein Sektenkriterium findet und deshalb Kritiker wie der Mönch Tenzin Peljor in ihrer Einschätzung des Diamantwegs irren und nicht weit genug gehen. 
   Statt dass sich die Forumsfreunde des Ole mal vorstellen, wie ein Ex-“Schmuggler“ (Wiki) auf die Idee kommt, seine Reisefreudigkeit mittels eines Guru-Status finanzieren zu lassen und zum Lebensinhalt zu machen, wird der Sektenführer schon beinahe bemitleidet für sein "Leben aus dem Koffer". Statt zu schauen, welch überflüssigen Unsinn er sein ganzes Leben lang in der Welt verbreitete, wird behauptet, er habe stets den Dharma gelehrt. Wie kann man da von einem Mönch, der in seinem Blog selbst anklingen lässt, dass er tibetische Gurus zu Wunderdingen befähigt hält, und der in einer anderen Form des tibetischen Buddhismus verhaftet ist, erwarten, dass er auf solch inhaltlichen Schwachsinn hinreichend eingeht? Ich habe nicht einmal verstanden, warum man an die 30.000 Euro für seinen Prozess sammelte, wo ein Mönch doch nach "Armenrecht" in Deutschland bei Erfolgsaussicht den Prozess vom Staat bezahlt bekommt - und diese Erfolgsaussicht hat ja offensichtlich bestanden. Was wir hier haben ist also einerseits Kritiker, die übers Ziel hinaus- oder an ihm vorbeischießen (aus einer zölibatären Ethik und der folkloristich geprägten Religion eines eher rückständigen Landes argumentieren) oder sich aus linksideologischen Reflexen etwa auf Bilder einschießen, die den Sektenführer mit Waffen zeigen. Die Befürworter hingegen haben mit Sicherheit nie Grundbuchämter etc. befragt, um festzustellen, was ihr Guru - neben der Verfügungsgewalt über eine millionenschwere Stiftung - und seine Angetraute denn tatsächlich alles besitzen. Es fehlt ihnen an der Phantasie, dass man nicht CEO eines Pharmaunternehmens werden muss, um sich genau den teuren Lebensstil leisten zu können, von dem man träumt (das können Weltreisen sein, aber auch riesige Grundstücke, auf denen man Ruhe vor den anderen hat, wie etwa Plum Village usf. bei Thich Nhat Hanh). Was hier nicht präzisiert wird - das Wissen um tatsächlichen materiellen Gewinn des Gurus -, kann auch in Sachen Dharma nicht präzisiert werden, nämlich was genau denn das hinterlassene Lebenswerk eines "Lehrers" Ole Nydahl sei. Ich habe hier schon aus Reden und Schriften von ihm zitiert, um zu verdeutlichen, wie dumm man wohl sein muss, um darin hinreichend Wesentliches zu finden.
 
Außerdem, und das sage ich durchaus mitempfindend, gehört eine bestimmte persönliche Veranlagung dazu, um überhaupt je in Sekten zu geraten, wie es ja auch dem Kritiker Tenzin geschah. Diese Veranlagung begleitet die Betroffenen nach meiner Erfahrung - wenn sie nicht professionell therapeutisch aufgearbeitet wird, am ehesten natürlich in einem nicht-religiösen Kontext - ein Leben lang. Andere (wie ich) sind nie in die Fänge irgendwelcher Blender des tibetischen oder vietnamesischen oder sonstwelchen Buddhismus geraten. Sie sehen darum die Kämpfe mancher Kritiker auch eher als die gegen ihre eigenen Dämonen. Ole und Thich Nath Hanh z.B. haben ihr Leben m. E. so gewollt und darin kein Opfer gesehen. Sie haben vielmehr das Geld - nicht zuletzt großzügige Spenden - anderer benutzt, um sich einen bestimmten Lebensstil zu leisten, der ihnen auf anderem Weg sehr wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. Dazu braucht es Lakaien und Idioten, das Fußvolk eben.
   Bei Thich Nhat Hanh klingt das Meiste immerhin noch vernünftig. Trotzdem lässt sich schon daran, dass in ihren Gemeinschaften keine anderen ähnlich "begabten" Leader bekannt wurden, erkennen, dass diese a) dort nicht geduldet, b) lieber ihr eigenes Ding unter eigener Kontrolle aufmachen würden. Das ist anders als im traditionellen Zen, wo der Schüler noch seinen Meister übertreffen sollte - und dies oft genug geschah. Den Sekten geht es zuallererst darum, Ansehen und Bekanntheitsgrad ihres Gurus zu steigern. Dem Guru geht es zuallererst darum, dass die Beistzverhältnisse (wie auch immer verschleiert in seiner Gemeinschaft) und seine eigene Kontrollmacht anwachsen. Die Tatsache, dass sowohl ein Mönch als auch Mitglieder der DBU sich vor allem mit mutmaßlich "rassistischen Äußerungen" Ole Nydahls auseinandersetzen, spiegelt genau das eingangs genannte Problem eines deutschen Diskursreflexes wider, wie er in diesem Fall eine tiefere Auseinandersetzung mit der Lehre der Sekte vermeidet - weil dann nämlich zu befürchten stände, dass man auch mit all den Lehren strenger ins Gericht gehen müsste, die sich nicht hinter einem aus- und auffälligen Guru verstecken können. Würde man dies tun, bliebe nicht mehr viel Zukunftsträchtiges und Brauchbares im deutschen Buddhismus übrig. Man könnte es vielleicht in einem Text von etwa hundert Seiten zusammenfassen - oder indem man schweigend meditiert. Religion und Sekten brauchen stets mehr als nur dies, einen komplexen materiellen Überbau mit einer gehörigen Portion Heuchelei. Die Kritik, die ich bei Tenzin und von Seiten der DBU-Mitglieder jetzt lese, bleibt an der Oberfläche, weil sie die Religion an sich nicht in Frage stellen kann.

* Zitat aus Prostitution unter den Völkern der alten und neuen Welt (1874). Darin auch: "Die Mönche schleichen in allen Häusern herum, wo sie schöne Frauenzimmer wittern. (...) Diese geistlichen Herren sehen sich deswegen oft genötigt, ihre weltlichen Bedürfnisse da zu befriedigen, wo die Liebe gegen den Gewinn nicht unempfindlich ist." Und an anderer Stelle: "Die geringere Geistlichkeit wetteiferte mit der höheren nicht nur in Unwissenheit, sondern auch in Unsittlichkeit. Wirtshäuser halten und besuchen, Saufen, Huren, Ehebrechen, Spielen, Schreien und Schlagen machten das gewöhnliche Leben der Seelenhirten aus."

Copyright Fotos: Keller (Medikamentenkarte einer thail. Apotheke; Werbeplakat in Bangkok; größte Stupa Thailands in Nakhon Pathom).

Kommentare

  1. In Zeit-Online gibt es zu Fussabll und Integration einiges intersanntes zu lesen
    https://www.zeit.de/kultur/2016-06/franzoesische-nationalmannschaft-frankreich-euro-postkolonialismus-afrika-diskriminierung.

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