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Was interessiert mich, wen du fickst?
Eido Shimano lebt! (Teil I)

Matthias Steingass hat in seinem Blog "Der Unbuddhist" eine neue Struktur eingeläutet und mit einer fleißigen, ausgedehnten Zusammenfassung und Analyse der Vorgänge um Eido Shimano begonnen. Ich habe dort ausführliche Kommentare verfasst. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass sich in Amerika in diesem Fall die gleiche einseitige Hetze abspielt wie bei anderen "nicht-buddhistischen" Sexskandalen, dass einige Beteiligte gewissermaßen selbst nur noch mit dem Schwanz oder der Möse denken, um es salopp zu sagen (also ihre unterdrückte Sexualität offenbaren). Kaum noch findet sich eine Würdigung dessen, was Shimano als Zen-Übermittler bedeutet. Im Unterschied zu Zernickow, Thien Son oder Merzel, die auf ihre Skandale auch nicht in Shimanos Art reagieren konnten, weil ihnen das echte Zentraining fehlte, hatte Shimano zeitlebens etwas Wesentliches zu lehren.

Leider hat Matthias zuletzt nur noch zensiert, und zwar, um Argumente und Fakten zu verschleiern (etwa Shimanos Entschuldigung). Ich habe schon vor einigen Monaten davor gewarnt, dass sich in seinem Blog (wie in dem Buch, das er empfiehlt, oder dem Blog von Wallis) genau das wiederspiegelt, was er kritisiert, nämlich moralischer Verfall im Sinne einer gewissen Hinterlist, der man nicht trauen darf (Worte, die er wiederum für das Zen verwendet). Da Matthias und die Erfinder des X-Buddhismus sich in einer Art Gedankenschleife befinden, erkennen sie auch nicht mehr an, was Argumente in einer Diskussion sind. Argumente kann man durch Beispiele, Analogien, Metaphern verdeutlichen. Wird dort alles nicht angenommen. Stattdessen wurde zuletzt dämlich darauf verwiesen, es gäbe keinen historischen Buddha, eine Tatsache, die jemandem, der Religionswissenschaft studiert hat, bekannt und dem Zenbuddhisten meiner Richtung seit jeher wurscht ist. Ich habe es hier mehrfach gesagt und aus der Tradition zitiert: Wenn du den Buddha triffst, töte ihn. Und: Wenn du erwachst, gibt es keinen Buddha mehr. Buddha ist nur ein Problem für Nichterwachte.

Offensichtlich handelt es sich bei dieser Gruppe "Unbuddhisten" um moralisch unsichere Menschen, die sich vom Buddhismus moralische Sicherheit erhoffen: "weil es [d.h. moralische Integrität] aus deinem Zen nicht herleitbar ist, hat dieser spezifische Zen uns nichts zu bieten." Tatsächlich war von etwas anderem die Rede, nämlich davon, dass ein integrer Mensch mehr als eine Möglichkeit zu handeln kennt, also z.B. seinen Meister oder einen Freund nicht im Stich lassen muss, wenn eine Heerschar anderer ihm moralische Vorhaltungen macht. Mit anderen Worten, es hat Matthias nichts zu bieten, wenn einer loyal zu einem Freund unter Anklage steht. Zu bieten hat ihm nur etwas, das einseitig Urteile fällt, wenn es Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gibt. Und dabei existieren im Falle Shimanos meines Wissens bisher nicht mal Klagen gegen ihn, sondern nur eine VON ihm [Link funktioniert nicht mehr, Jan. 2019], wegen der Verweigerung seiner "Rente" durch die Ex-Sangha. Die New York Times, die Shimano in Gestalt des Jounalisten Oppenheimer angegriffen hatte (der dann noch ein Büchlein zu dem Fall verfasste), verhinderte den Abdruck von Shimanos Gegendarstellung in einem Leserbrief. Unsere Unbuddhisten wären ob ihrer wertenden Einseitigkeit und ihres Scheuklappenblickes folglich ideale Kandidaten für die Zenübung ...

An einer Stelle behauptet Steingass in seinem Blog, wenn man Eido Shimanos Vorträge transkribiere, käme dabei nur "transzendentales Brimborium" heraus. Wir können natürlich annehmen, dass Steingass Shimano gar nicht anhört. Noch bevor er die Antwort bekommen hat, nach der er - angeblich - sucht, nämlich was Zen sei, oder die er wegzensiert, nämlich was Zen zu bieten habe, hat er auch die Diskussion mit mir abgewürgt. Immerhin liefert mir das selbst wieder ein Topic für die nächsten Wochen. Lassen wir also Shimano sprechen. Die verlinkten Videos zeigen einen ungebrochenen, witzigen, geistig klaren Zenlehrer, an dem die Vorwürfe sexueller Übergriffe abgeprallt sind. Hin und wieder gibt er denen, die ihn anfeinden, auf subtile und indirekte Weise einen mit. Ich werde diese Stellen sukzessive hier auffüllen, so wie ich die Teisho gesehen habe. Sie gehören sicher zum Besten, was man heute noch von den alten Meistern hören kann. Das erste Video findet sich hier, ich zitiere die Stellen mit Minutenangaben.

55:58: "If I'm nasty, just take this nasty part as interest." - "Wenn ich widerwärtig bin, seht das als Interesse an."

Diese Stelle ist ein Wortspiel, da Shimano vorher davon sprach, dass man geliehenes Geld mit Zinsen (engl. interest) zurückzahlen müsse.

1:02:40: "Between what we are seeking and what ordinary people are doing and thinking and eating - huge gap." - "Zwischen dem, was wir suchen, und dem, was gewöhnliche Menschen tun, denken und essen: riesiger Unterschied."

Hier hatte Shimano zuvor die Formel eines Arztes, SOS, für die drei Gifte Salz, Oel und Zucker (sugar) zitiert und noch ein "A" für Adjektive ergänzt, indem er sich darüber lustig machte, dass Menschen alles und jedes mit einer Wertung belegen wollen (auch die Meditation): Das ist gut, dies ist schlecht; das ist tief, dies ist belanglos usf.

1:13:47: "Inconspicuous effort has longer life than conspicuous effort." - "Unauffälliges Bemühen wirkt länger als auffälliges."

Hier muss man genau hinhören. Zunächst wertschätzt Shimano auch die Leistung D.T. Suzukis, dann jedoch wertet er selbst, um dem Lehrer, dem er nur einmal richtig begegnete und dem das Sesshin gewidmet ist, Nyogen Senzaki, den rechten Rang zu geben.

Der eine hält Salz, Öl, Zucker und Adjektive für transzendental, der andere macht eine irdische Erkenntnis daraus.

Im Folgenden noch eine hübsche Geschichte, die ebenfalls nicht auf dem Mond spielt, sondern im Puff.

***

Als ihr Vater seine Stellung als Samurai verloren hatte, verkaufte sich Ohashi an ein Bordell, um ihre Familie zu unterstützen. Zugleich dichtete sie und übte sich in der Kalligrafie. Eine gewisse Traurigkeit wurde sie jedoch nicht los. Als sie Hakuin begegnete, gab der ihr das Koan: "Wer ist es, der diese Arbeit tut?" und versicherte ihr, dass man überall Erleuchtung erfahren könne.
   Eines Tages sass Ohashi inmitten eines Gewitters auf der Veranda vor dem Bordell, um ihrer Angst vor diesem Getöse zu begegnen. Da schlug vor ihr ein Blitz ein, und sie fiel in Ohnmacht. Als sie erwachte, sah sie die Welt mit anderen Augen. Später bestätigte Hakuin ihre Einsicht.
   Einer von Ohashis Stammkunden löste schließlich Ohashi aus und heiratete sie. Mit seiner Erlaubnis wurde sie Nonne; sie war bekannt für ihre Weisheit und ihr Mitempfinden. Nach ihrem Tod ließ ihr Ehemann statt einer Gedenktafel eine Kannon-Statue nach ihrem Bilde schnitzen und schenkte sie Hakuins Tempel.

[siehe Caplow/Moon (Hg.): The Hidden Lamp: Stories from Twenty-Five Centuries of Awakened Women (Somerville 2013)]

Kommentare

  1. Namaste!

    Schön, dass Du eine Lanze für Shimano Rôshi brichst.
    Es gibt da wohl einige große Lehrer (nicht nur im Zen) deren Ruf durch behauptete oder wirkliche Sex-Affären den Bach runterging, obwohl diese "wirklich etwas zu sagen hatten".

    Ich erinnere mich noch, wie ich Kalu Rinpoches "Den Pfad des Buddha gehen" oder "Geflüsterte Weisheit" gelesen hatte und ihn als wirklich großen Lehrer ansah, bis ich dann über die Kontroverse im Web über seine (angebliche?) sexuelle Beziehung zu einer westlichen Nonne las. Da war meine erste Reaktion auch komplett verständnislos und ich fragte mich, ob man nun alles, was er über die Sîlas gelehrt hatte, als bloße Heuchelei abtun konnte. Spätestens aber, als ich irgendwann wieder eines der Bücher gegriffen hatte, um etwas nachzulesen, da konnte ich das über die Kontroverse gelesene relativieren.

    Dharma-Lehrer, Zen-Meister und Lamas/Rinpoches sind eben auch nur Menschen; erleuchtete/erleuchtende Erfahrungen hin oder her.

    Die Aufgabe der Schüler ist es eben, die Lehrer nicht blind als 1:1-Vorbilder anzunehmen, sondern sich von deren positiven Eigenschaften inspirieren zu lassen und an Lehren dasjenige zu lernen, was sich lohnt zu lernen - ich denke hier an das Kalamer-Sutra oder an Paulus' "Drum prüft aber alles; und das Gute behaltet!"

    Leider tendieren viele Menschen gerade im Westen dazu, von ihren sogenannten Vorbildern vor allem die schlechten Eigenschaften zu kopieren.
    Das trifft keinesfalls nur auf den Buddhismus zu, sondern ich sehe es als verbreitetes Phänomen an.

    Bei Wiki stellte ich gerade fest, dass bei Shimano die Dharma-Transmission nun als Zweifelhaft dargestellt wird, ebenso wie seine Zugehörigkeit zur Rinzai Shû Myoshin-ji-ha.
    Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass eine offizielle amtliche Tempel-Zugehörigkeit zu einem japanischen Zen-Tempel vielleicht nur Sinn macht, wenn man in Japan selbst als offizieller Tempelpriester tätig ist oder sein will.

    Ich denke von den bedeutenden Zen-Lehrern, die das Dharma in den Westen übermittelt haben, waren zu Anfang nur wenige offizielle Vertreter irgendeiner bestimmten Linie oder hatten gar die offizelle Dharma-Transmission.
    Bei vielen kam das doch erst später dazu, als die japanischen Haupttempel feststellten, wie erfolgreich diese "unausgebildeten" und "inoffiziellen" Mönche/Priester in Europa oder USA waren.

    Aber so ist das eben:
    Solange alles "schön und gut" ist, geht man über sowas hinweg, weil ja "die Lehre passt" und nachher, wenn man etwas auszusetzen hat, dann nimmt man das (was man ja eigentlich schon immer wusste) als einen willkommenen Aufhänger und als Begründung für seine weitere Zurückweisung des Lehrers.

    < gasshô >

    Benkei

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  2. Der Sinn der Tempelzugehörigkeit ... ein gutes Argument!

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