Mancherorts besteht der Irrglaube, man müsse in einer erhabenen Zeremonie, in Roben und womöglich mit geschorenem Haupt, dem dazugehörigen Singsang in einer Sprache, die man wahrscheinlich nicht versteht, sowie in teils körperfeindlichen Haltungen seine Gelübde ablegen. Ein Auszug aus dem Klassiker Grundzüge der buddhistischen Philosophie ("Essentials of Buddhist Philosophy") von Junjiro Takakusu, der maßgeblich für die Erstellung der Taisho Tripitaka verantwortlich war, belehrt eines Besseren. Das Buch ist nun in der Übersetzung von Dr. Julian Braun auf Deutsch erschienen.
"Gelübde der Selbst-Disziplin (自誓大事之戒)
"Gelübde der Selbst-Disziplin (自誓大事之戒)
Bei der förmlichen Regelübernahme
sollte es einen privaten Mentor (upadhyaya),
einen Zeremonienmeister (karma-acarya)
und einige Zeugen geben. Eine Ordination sollte innerhalb der Gemeinschaft (sangha) vorgenommen werden. Wenn die
Artikel der Ordensregeln vorgelesen werden, legt der Empfänger ein
Gehorsamsgelübde ab. In einigen Fällen, wenn diese formalen Notwendigkeiten
nicht erfüllt werden können, wird einem das Recht zugestanden, ein
nicht-formelles Selbst-Gelübde abzulegen. Es kann als Regel des Selbst-Gelübdes
bezeichnet werden, wie es in außergewöhnlicher Weise von der Königin Srimala im
Srimala-Sutra exemplifiziert wird.
Prinz Shôtoku las zweimal über diesen Text vor der Kaiserin. Beim zweiten Mal
stellte sich die Kaiserin Suiko vor den Buddha [eine Buddhastatue] und wiederholte
laut den Schwur der Königin als ihren eigenen. Dies ist das erste Beispiel für
die Praxis des Selbst-Gelübdes in Japan. Die Selbst-Gelübde-Regelübernahme wird
im Brahmajala-Sutta (Taishô Nr. 21) erlaubt.
Wenn es einem nicht möglich ist, einen passenden Lehrer zu finden, kann man
eigenständig die Regeln durch ein Selbst-Gelübde annehmen. Es ist eine Variante
der Bodhisattva-Ordination.
Gelübde der selbst-immanenten Wahrheit (自心本真之戒)
Gelübde der selbst-immanenten Wahrheit (自心本真之戒)
Im Gegensatz zur formalen
Ordination wurde von Dengyô Daishi eine ideelle Ordination vorgeschlagen. Er
nannte sie die „runde und plötzliche“ Ordination. Wie schon erwähnt bezieht
sich „rund und plötzlich“ auf die Anwendung der Lehren des Lotos-Sutra, der
vollkommenen Lehre, deren Wirkungen schlagartig erfahren werden können. Diese
Ordination gibt es nur im Mahayana, und sie wird von der Tendai-Schule als eine
Ordination ausschließlich für Bodhisattvas angesehen. Den Lehren des
Lotos-Sutra zufolge sind alle moralischen Gebote und sittlichen Vorschriften
seit jeher im Geist jedes einzelnen enthalten und nicht die Resultate
spezieller Bemühungen. Darum spricht man von den selbst-immanenten Gelübden,
welche speziell in der Tendai-Schule zu finden sind.
Gelübde der Selbst-Natur (自相本性之戒)
Die Zen-Schule hatte während der Kamakura-Zeit (1183–1331) eine ähnliche Form der Ordination. Dem Zen zufolge ist das Wissen um die moralische Disziplin ursprünglich in der menschlichen Natur vorhanden. ..."
Gelübde der Selbst-Natur (自相本性之戒)
Die Zen-Schule hatte während der Kamakura-Zeit (1183–1331) eine ähnliche Form der Ordination. Dem Zen zufolge ist das Wissen um die moralische Disziplin ursprünglich in der menschlichen Natur vorhanden. ..."
Namaste!
AntwortenLöschenzum "Gelübde der selbst-immanenten Wahrheit" bzw. der "runden und plötzlichen Ordination" schreibt auch die Tendai Shû auf ihrer offiziellen Homepage, sogar in Englisch: http://www.tendai.or.jp/english/chapter02.php.
Diese Gelübde, dort "Endon Bosatsu Kai" genannt (das "Endon" ist daselbe wie bei der Maka Shikan - Endon Shô, einem Text den ich besonders schätze - also "plötzlich und vollständig") entspricht den "Drei Zusammenstellungen der Reinen Gebote", welche man laut Sôtô Kyôkai Shushôgi auch in der Sôtô Shû als Teil der 16 Gelübde annimmt.
Diese Drei Gelübde, "1.) Tu nichts Böses", "2.) Tu Gutes" und "3.) Handle zum Wohle der Wesen", beinhalten eigentlich schon alles, und alles andere - Panca-Sîla, Jukai, Brahmajala-Gelübde, Vinaya sind lediglich (teilweise sogar unvollständige) Ausformungen davon.
Vielleicht hat es ja seinen Grund, warum der Tendai Shû gerade an der Verbreitung der Endon Bosatsu Kai gelegen ist...
< gasshô >
Benkei