Fa-yen (885-958) kann als Dharma-Neffe des bekannten Yün-men bezeichnet werden. Er begründete eines der „Fünf Häuser“ des Chan, wobei er selbst ein besonderes Interesse am Hua-yen-Buddhismus zeigte. Aus der nächsten Generation seiner Linie stammt u.a. der Autor der „Übertragung der Lampe“, Tao-yüan.
Die Richtlinien der Chan-Schule
Der Zweck von Zen ist, Menschen zu befähigen,
unmittelbar das Gewöhnliche und Heilige zu überschreiten, Menschen aus sich
selbst heraus erwachen zu lassen, so dass für immer die Wurzel ihres Zweifels
abgeschnitten ist.
Heutzutage vernachlässigen dies viele. Sie treten
Chan-Gruppen bei, lassen aber das Chan-Studium schleifen. Selbst wenn sie
Konzentration erlangen, wählen sie keine wahren Lehrer. Durch die Irrtümer
falscher Lehrer verlieren auch sie den Weg.
Da sie die Sinne und Objekte nicht richtig verstanden
haben, sind sie schnell von ihren eigenen Interpretationen besessen. Sie sind
nur daran interessiert, als Führer und Lehrer bekannt zu sein. Sie schätzen ihren
leeren Ruf in der Welt und bringen so Schande über sich. Sie machen nicht nur
ihre Anhänger blind und taub, sondern verringern auch den Einfluss des Chan.
Chan gründet nicht auf der Voraussetzung, dass eine bestimmte Lehre vermittelt werden müsse. Es geht vielmehr um direkte Führung zum menschlichen Geist, das Erfassen seiner Essenz, ums Erlangen des Erwachens. Irgendwelche sektiererischen Anwandlungen werden nicht geschätzt.
Natürlich gab es Tradition und Wandel, spätere
Chan-Lehrer lehrten anders als ihre Vorgänger. Was aber als Tradition
vermittelt wird, führt oft dazu, dass die ursprüngliche Realität von Schülern
nicht mehr erfasst wird, weshalb sie sich widersprechen und einander angreifen.
Sie unterscheiden nicht das Tiefgründige vom Oberflächlichen und wissen nicht,
dass der Große Weg keine Seiten kennt und die Ströme der Wahrheit denselben
Geschmack haben.
Wenn du dir nur Sprüche merkst, kannst du dich nicht
auf subtile Weise an jeweilige Situationen anpassen. Zwar gibt es einen Weg,
den Schülern Einsicht beizubringen, doch wenn man einen Weg erlernt hat, ist es
wichtig, ihn vollständig anzuwenden. Wenn du dich nur an die Schule deines
Lehrers hängst und Sprüche erinnerst, ist das keine Erleuchtung, sondern
intellektuelles Wissen.
Darum heißt es: „Wenn deine Auffassung nur der deines
Lehrers ähnelt, halbierst du seine Tugend. Nur wenn deine Auffassung über die
deines Lehrers hinausreicht, kannst du dessen Überlieferung zum Ausdruck
bringen.“
Der sechste Patriarch des Chan sagte zu einem gerade
Erwachten: „Was ich dir erzähle, ist kein Geheimnis. Das Geheimnis liegt in
dir.“
Schau wie diese Ehrwürdigen früherer Zeiten Berge und Ozeane überquerten und sich nicht vor Tod und Leben fürchteten, nur wegen ein, zwei Aussprüchen. Gab es nur den kleinsten Hauch von Zweifel, musste die Angelegenheit bis zu einer klaren Unterscheidung vorangebracht werden, denn man wollte entschiedene Klarheit.
Zunächst setzten sie den Standard für Wahrheit und
Falschheit und handelten als Augen für intelligente Wesen, erst dann erhoben
sie das Siegel der Quelle und brachten die wahre Lehre in Umlauf, wobei sie das
Rechte und Falsche früherer Generationen aufzeigten und uneindeutige Fälle
überwanden.
Wenn du dein eigenes Urteil über Vergangenheit und
Gegenwart fällst, ohne Reinigung und Klärung durchlaufen zu haben, ist das so,
als würdest du darauf bestehen, einen Schwerttanz aufzuführen, ohne zu wissen,
wie man ein Schwert handhabt, oder so als würdest du darauf zählen, einen
Graben zu überspringen, ohne überhaupt seine Breite zu kennen.
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