Es ist nicht leicht, in eine Pressevorführung zu gehen, ohne schon einigermaßen Bescheid zu wissen über den Film, der gezeigt wird. Bei Luc Bessons DogMan war es so. Der Name des Regisseurs genügte mir, und ich wollte mich mal wieder überraschen lassen, ohne Trailer oder irgendwelche Infos vorab. Wenn ich jetzt, wo ich dies schreibe, in der IMDB-Datenbank die Filmographie von Besson aufrufe, ist DogMan noch gar nicht aufgeführt. Selbst Subway, Nikita, The Fifth Element und sein Meisterwerk Léon: The Professional kommen bei Kritikern nur auf schlechte bis dürftige Bewertungen. Beim Publikum sieht das anders aus, denn Besson, Jahrgang 1959, der für seine Filme meist auch die Drehbücher schreibt (also Autorenfilmer genannt werden darf), kann nicht nur auf der Klaviatur von Gefühlen spielen – er hat hin und wieder auch etwas zu sagen. Ein Trailer unter seinem Namen auf eben dieser IMDB fasst es so zusammen: berauschende Optik; starke Frauen; amoralische, aber ehrliche Männer; unterdrückende Gesellschaftssysteme; Untergrundwelten und … eine Menge Waffen. All das bringt Bresson nach einigen Flops in DogMan noch einmal zu einem Werk zusammen, das am Ende des Jahres mit Sicherheit unter meinen Top Ten landen wird.
Die starke Frau ist diesmal von Geburt aus männlich. Der Junge (Douglas) wird vom Vater und seinem älteren Bruder misshandelt und in einen Käfig mit Hunden gesperrt, die für Kämpfe gedacht sind und ähnlich mies behandelt werden. Zwischen den Hunden und dem Jungen entsteht eine Beziehung, in der sie ihn wortlos verstehen und für seine Befreiung sorgen. Als Erwachsener bleibt der durch eine Schusswunde weitgehend auf einen Rollstuhl angewiesene Douglas den Hunden verbunden, der Literatur und dem Chanson. Er wird Transvestit und findet als Piaf seine Bühne. Geld verdient er vor allem durch Diebstähle, bei denen ihm seine Hunde behilflich sind. Zuweilen setzt er sie auch zum Schutz der Schwächeren ein, die von einer kriminellen Gang bedroht werden. Wie man sich vorstellen kann, wird daraus ein großer Showdown entstehen.
Caleb Landry Jones, den man z. B. aus den X-Men kennt, spielt diesen Douglas phänomenal. Sein süffisantes und stoisches Lächeln, das den Film durchzieht, wird man so leicht nicht vergessen. Die Zeit, die Besson sich für die Gespräche mit der Gefängnispsychiaterin nimmt, die ihr eigenes Päckchen zu tragen hat, gibt DogMan seinen Rhythmus und eine angemessene Tiefe. Am Ende wird nicht einmal mit christlicher Symbolik gespart, aber das verzeiht man gern nach einem zweistündigen emotionalen Ritt, der nicht zuletzt Hundefreunde begeistern wird.
Diesen DogMan schreibt man offenbar mit großem M in der Mitte, um ihn von dem ebenfalls sehenswerten Dogman Matteo Garrones von 2018 unterscheiden zu können. Auch ich bin ein Dogman. Einst lief ich mehrere Jahre lang regelmäßig mit Hunden aus einem Tierheim durch die Wälder. Da war ein Pärchen darunter, beide mit weißem Fell und aus Osteuropa stammend. Der Kleinere ging nicht ohne den anderen Gassi, und man wollte sie auch unbedingt zusammen vermitteln. Der Größere schnappte schon bald nach anderen Spaziergängern, wenn sie mir zu nahe kamen. Es hatte wohl genügt, dass ich einmal erschöpft meinen Kopf auf seinem Bauch bettete, als wir auf einer Lichtung eine Pause machten. Ich träumte damals davon, als Schriftsteller Lesungen zu halten, von den beiden weißen Hunden flankiert. Wahrscheinlich sind die beiden nun tot, und ich schreibe immer noch Filmrezensionen statt Romane. Aber ich kann immerhin Douglas verstehen, wenn er in DogMan der Psychiaterin erklärt, was Hunde von Menschen unterscheidet: Sie haben lauter gute Eigenschaften und nur einen Fehler … Wenn Ihr wissen wollt, welchen, schaut Euch den Film an.
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