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Kodo Sawaki übers (Nicht-)Töten

(Foto: Antaiji/Daihorinkaku)

 Kôdô Sawakis Kommentar zum Zenkaihongi wo kataru

(Über die Bedeutung der Zen-Gelübde) von Banjin Dôtan

Im Lotussutra heißt es: „Die drei Welten sind meine eigene Existenz und alle Lebewesen, die dort sind, in Wahrheit meine eigenen Kinder.“ Wenn die Unterscheidung zwischen einem selbst und anderen an ein Ende gelangt, manifestiert sich das Gebot „Töte nicht“. Das Auslöschen der Unterscheidung von selbst und anderen löst also das Erscheinen dieses Gebotes aus. Es ist das Prinzip der Realität der Dinge, das durch seine Manifestation „Töte nicht“ verwirklicht. Erde und Himmel haben die gleiche Wurzel, alle Dinge sind ein Körper. Der andere existiert nicht unabhängig von mir und ich existiere nicht unabhängig von ihm. Darum ist nichts zum Töten übrig. Sowohl der andere als auch ich sind das Licht dieses buddhistischen Gebotes. Lichter von Buddhas Geboten töten einander nicht.

Tiefe Dunkelheit lässt uns einander umbringen. Einander töten bedeutet, etwas umbringen, was gar nicht getötet werden kann. „Es gibt keine Form, keinen Geruch, der nicht vom Mittleren Weg stammt. Berge, Flüsse, Gräser und Bäume, alles ist Buddha.“ Alles ist also ausnahmslos Buddha. Alles ist die Tür zu dieser Realität des Mittleren Weges. Bei dieser Lehre hat sogar das Wort „töten“ keine Bedeutung mehr. Das „Sutra des höchsten Auslöschens“ nennt diese Wirklichkeit „andauernde und allgegenwärtige Buddha-Natur“. Da ist nur Buddha-Natur. Im Herzen der allgegenwärtigen und andauernden Buddha-Natur kommt das Wort „töten“ an sein Ende.

Wir können „Töte nicht“ gar nicht verstehen, wenn wir nicht das buddhistische Konzept des Nicht-Selbst studiert haben. Setzen wir unser kleines Selbst an die erste Stelle, entwickeln wir Hass auf andere und den Wunsch, zu töten. Darum heißt es im Lotus-Sutra, wenn wir die Wirklichkeit der Phänomene durchdringen und erkennen, dass das, was vor uns ist, Buddha ist, dann wird es unmöglich zu töten. Es heißt auch, die Wirklichkeit zu durchdringen bedeute, Samsara, den irdischen Kreislauf, zu überschreiten.

Seng Tchao (geb. 374), ein Schüler Kumarajivas, sagte: „Die vier Elemente sind von Grund auf leer, die fünf Daseinsfaktoren (skandha) haben von Beginn an keine Existenz. Ein Hals, der Schneide eines Schwertes entgegengestreckt, wird wie der Frühlingswind durchtrennt.“ Dies ist das Prinzip letztgültiger Leere auf der Grundlage der Kraft von Weisheit (prajna). Da das Gebot „Töte nicht“ nichts ist, worauf sich jemand stützen könnte, ist ein tiefes Verständnis des Prinzips der Leere vonnöten. Nur wenn jemand den irdischen Kreislauf (samsara) überwunden hat, haben Himmel und Erde dieselben Wurzeln, und er erlangt den Bereich, wo alle Dinge ein Körper sind. Wenn so jemand in den Krieg zieht, liebt er seinen Feind wie seinen Freund, und es gibt keinen Konflikt zwischen seinem Gewinn und dem Gewinn des anderen. Wir töten einen Feind nicht gedankenlos, das wäre unzulässig. Auch beteiligen wir uns nicht an Plündereien oder anderen Gewalttaten.

Wer Krieg führt, versetzt sich in die Lage des anderen Landes. Er schützt sein Volk so gut wie möglich. Aus militärischer Sicht sollte er zugleich den Krieg gewinnen. Dabei sollten Gefangene anständig behandelt werden. Der Sieg wird auf natürliche Weise eintreten.

Das eigene Leben leicht wie eine Feder opfern, Mitleid mit dem Leben der anderen haben, als wäre es das eigene: Wenn die Grenze zwischen selbst und anderen fällt, wird das Gebot „Töte nicht“ manifest. Wenn wir also den Worten des Lotussutra folgen, dann werden alle Wesen, sowohl Freunde wie auch Feinde, zu meinen eigenen Kindern. Mein Vorgesetzter ist meine eigene Existenz, aber auch die mir Unterstellten; Japan ist meine eigene Existenz, aber auch die ganze Welt. Die Ordnung in dieser Welt wiederherzustellen, die gestört wurde, nennt man einen gerechten Krieg. In diesem Fall wird das Gebot „Töte nicht“ nicht gebrochen, ob wir jemanden umbringen oder nicht. Es ist das Gebot, welches das Schwert schwingt. Es ist das Gebot, das die Bomben abwirft. Darum sollte das Gebot „Töte nicht“ tief untersucht werden. Bodhidharma übersetzte es als „das wundervolle Mysterium unserer eigenen Natur“.

 

(Auszug aus Daiborin, Januar 1942, S. 98-112)

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