Schwertweg der fünf Stände
Gohô no Tachimichi
Die Kampfstrategie (heihô) ist der Weg. Die Prinzipien, die für das Kreuzen der Schwerter mit dem Feind gelten, sind auch auf die gesamte Armee anwendbar. Über den Sieg entscheidet nicht der Kampf gegen den Feind, in dessen Angesicht man blickt. Der Sieger steht schon vor Beginn des Kampfes fest. Ohne Abweichung muss der Weg der Kampfstrategie stets befolgt werden, doch darf man den Strategien auch nicht blind ergeben sein. Selbst Geheimnisse können nicht verborgen werden. Durchzuhalten wird viele Dinge offenbaren. In einem schwierigen Kampf warte, bis die rechte Zeit kommt. Man kann die Glocke nur schlagen, wenn man tief im Tempelinneren ist.
Seit alters gibt es viele Dutzend Traditionen in Japan, die ihre eigenen Methoden der Schwertkampfkunst lehrten. Was sie für ihren Weg halten, besteht jedoch aus rohen Taktiken, die sich auf brutale Gewalt verlassen, oder sie bevorzugen umgekehrt Sanftheit und konzentrieren sich auf triviale Prinzipien. Manche benutzen nur Langschwerter, andere neigen zu Kurzschwertern. Sie erfinden eine Menge fehlerhafter Stände und Formen und nennen sie omote (außen) und oku (innen). Es kann jedoch keine zwei Wege geben. Warum würden sie sonst bei all ihren Behauptungen weiter die gleichen Fehler machen? Wer falsche Wege propagiert, um zu Ruhm und Reichtum zu gelangen, der stellt seine Fähigkeiten zur Schau, um die Welt zu täuschen. Er gewinnt nur, weil er sich weniger talentierte Gegner aussucht: Jemand mit bruchstückhaften Kenntnissen besiegt einen, der gar keine hat. Es ist falsch, so etwas als universale Disziplin zu bezeichnen, denn sie nutzt einem nichts.
Ich habe meinen Geist auf die Kampfstrategie konzentriert und meine Gedanken bei der Übung über lange Zeit hinweg verfeinert, bis ich schließlich den Weg meisterte.
Ein Krieger muss stets zwei Schwerter tragen, ein langes und ein kurzes. Darum muss er auch mit beiden umgehen können. Sie sind wie die Sonne und der Mond am Himmel. Ich habe fünf Wege erläutert, das Schwert zu halten (oben, unten, in der Mitte, an der rechten und linken Seite). Dies entspricht den fünf Sternen (Jupiter, Mars, Venus, Merkur und Saturn), die den Himmel rund um den Polarstern besetzen. So wie diese fünf Sterne rotieren und die Monate vergehen, wird alles, was dieser Ordnung widerspricht, herausgefordert und abgelehnt.
Es gibt fünf Stände (kamae): den hohen (jôdan), mittleren (chûdan), tiefen (gedan), linksseitigen (hidari-waki) und rechtsseitigen (migi-waki). Jeder Stand hat je nach Situation seine Bedeutung. Dies unterscheidet sich von anderen Schulen, die ihr omote und oku betonen. Wenn ich in einen Kampf verwickelt werde, ziehe ich sogleich beide Schwerter. Sollte ich nur ein Kurzschwert dabei haben, kämpfe ich damit, und falls nicht einmal das, dann nehme ich meine Hände. Auf die eine oder andere Art werde ich siegen. Je nach den Umständen kann ein Langschwert nicht ausreichen, während ein Kurzschwert genau richtig ist. Manchmal muss man den Angriff gegen einen starken Feind selbst beginnen, zuweilen aber auch abwarten, selbst wenn der Gegner schwach ist. Vermeide Vorurteile und achte Zeitpunkt und Umstände, während du in deiner Mitte verweilst, dem universell richtigen Weg. Dieses Zentrum ist das, worauf mein Weg der Kampfstrategie gründet.
Einst sagte jemand: „Welchen
Unterschied macht es schon, ob du den Weg der Strategie kennst oder nicht?“
Zhao Kuo, der ihn nicht kannte, verlor so sein Königreich an den Staat Qin.
Zhang Liang, der den Weg kannte, half beim Errichten des Han-Königreiches mit.
Der Unterschied zwischen der Kenntnis und Unkenntnis des Weges der Kampfstrategie
ist so offensichtlich wie ein Fischauge sich von einem Edelstein unterscheidet. (...)
Miyamoto Musashi: Der sechste Ring. Die geheime Lehre des Samurai-Weges.
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