Direkt zum Hauptbereich

Joshu Sasaki: Teisho [Rinzai Roku 3] (04.03.86)

[In loser Folge sollen in eher ferner Zukunft - nach Auszügen aus einer "Lampen"-Sammlung und anderen Kôan - einige teisho von Joshu Sasaki Roshi auf Deutsch erscheinen. Größere inhaltliche Wiederholungen sollen dabei möglichst vermieden werden. Auf diakritische Zeichen wurde verzichtet.]

Teisho von Joshu Sasaki über Rinzai Roku 3

Der Meister betrat die Halle und sagte: „Hier in diesem Klumpen roten Fleisches gibt es eine Wahre Person ohne festen Ort [auch: wahrer Mensch ohne Rang]. Sie geht ständig durch die Tore eures Gesichtes ein und aus. Wenn jemand unter euch dies nicht versteht, seht her, seht!“ Ein Mönch trat hervor und fragte: „Wie ist diese Wahre Person ohne festen Ort?“ Da stieg der Meister von seinem Sitz herab, ergriff den Mönch und rief: „Sprich! Sprich!“ Der Mönch wollte gerade etwas sagen, schon stieß ihn der Meister weg und meinte: „Die Wahre Person ohne festen Ort – was für eine Scheißespachtel!“ Daraufhin zog sich der Abt auf sein Zimmer zurück.

 Ich denke, in den letzten beiden Tagen habe ich genug über diese Textstelle gesagt. Heute will ich ein teisho zu dem Koan geben, das in diesem Abschnitt enthalten ist. Selbst ich weiß nicht, welches teisho nun entsteht.

 Die Leute reden viel über teisho. Ich denke, die Hälfte eines teisho ist ein Vortrag, ein größerer Teil ist traditioneller Art und der Rest gibt meine persönliche Ansicht und anderes wieder. Das Hekiganroku ist zum Beispiel im ursprünglichen Stil von teisho gehalten. Nur darüber zu reden ist noch kein teisho, doch das Werk selbst gilt als solches.

 Eine Art des teisho lässt einen anstelle von Buddha Warnungen an Schüler aussprechen.  Bei einer weiteren Art wird gütig die Bedeutung eines Koan erläutert. Eine dritte Variante erklärt die historischen Bedingungen, unter denen ein Koan entstand.

 Ich möchte heute weder über diesen historischen Hintergrund noch über die Bedeutung des Koan reden. Stattdessen versetze ich mich an Rinzais Stelle. In gewissem Sinn bedeutet ein teisho, sich selbst anzuschauen. Das ist ein weiterer teisho-Stil.

 Wenn man an der Seite Buddhas existiert, muss man sich nicht mehr selbst betrachten. Dann braucht man auch kein teisho geben. Ich werde also nun zu einem Schauspieler, der einerseits Rinzai anschaut und andererseits die Position einnimmt, wo es nicht mehr nötig ist, dies zu tun, wo es keinen Unterschied mehr gibt. Der Ausdruck odoj (chin. shang tang ) wird als „den hohen Sitz einnehmen“ übersetzt. Das ist kein hoher Sitz im Vergleich mit anderen, sondern derjenige, der unvergleichbar ist und alle anderen Sitze umfasst.

 Hier heißt es also, dass Rinzai den hohen Sitz einnahm. Wenn dies geschieht, muss man es nicht mehr objektivieren. Erlangt ihr wahrlich den hohen Sitz, dann sitzt ihr als Zentrum der Gravitation des Universums, als Zentrum der Gravitation der Welt, und von dort aus ist alles umarmt. Wo kam Rinzai also her, als er den hohen Sitz bestieg? Das ist euer Koan. Dies ist meine Frage an euch, dies müsst ihr selbst erkennen.

 Sitzt ihr wahrlich auf diesem hohen Sitz, dann ist Reden unnötig. Doch Rinzai hat diesen hohen Sitz durchbrochen, dieses Zentrum der Gravitation. Es ist seltsam. Wenn der hohe Sitz zerrissen ist, kommen die Leute zum Reden herbei. Was ihr erfassen müsst, das ist, wie Rinzai durch das Durchbrechen dieses hohen Sitzes hier geboren wird. Wie wird Rinzai geboren? Auch dies ist ein Koan. Wenn ihr  nicht mit Rinzai diesen hohen Sitz durchbrecht und dabei geboren werdet, könnt ihr dieses Koan nicht verstehen.

 Rinzai also gelingt dies, und er fängt seltsamerweise zu reden an. Wenn es etwas Absolutes wie Gott oder Buddha gibt, dann existiert es in diesem Graviationszentrum des Universums. Dort ist es unnötig, den Mund zu öffnen. Und wenn man auf diesem hohen Sitz alles umarmt, dann wird man in nichts mehr verwickelt sein und keine Verwicklung mehr in sich aufkommen lassen. Wird der hohe Sitz durchbrochen, taucht jedoch das unvollständige Selbst auf, das „Dies und das“ sagt. Das ist die menschliche Welt, und in sie wird Rinzai hier geboren und hält seine Rede. Woraus ist dieses menschliche Wesen, dieses Selbst hier geformt? Es besteht aus dem Herzgeist und dessen Aktivität. Das Selbst bedeutet Leben, es ist ein Selbst mit Persönlichkeit. Dies ist jedoch keine vollständige Persönlichkeit, denn dann müsste sie gar nichts mehr betrachten.

Schauen wir uns einen interessanten Aspekt an. In der Tang-Ära der chinesischen Geschichte, zur Zeit Rinzais, gab es einen anderen Meister namens Joshu. Der war recht redegewandt, weswegen einige sein Zen eloquent nannten. Eines Tages kam ein Mönch zu ihm ins sanzen, das Gespräch unter vier Augen. Er war noch mit der Welt aus Nord, Süd, Ost und West, der Welt der Trennung verbunden und darum eine unvollständige Person. Also bat er um Unterweisung. Joshu sah ihn an und fragte: „Hattest du heute schon dein Frühstück?“ (Habt ihr alle heute Morgen euer Frühstück bekommen? Ich glaube ja.)

            Der Mönch erwiderte: „Mein Magen ist voll.“ Folglich sollte es unnötig sein, noch mehr zu essen. Es sollte auch keine Frage mehr geben. Der Mönch sagte also nicht: „Ich studiere diverse Schriften“, wie man es im Huayen- oder Lotus-Buddhismus oder in der Weisheitsschule tut. Er sagte nur: „Mein Magen ist voll.“ Andere Erwägungen sind unnütz, wenn ihr den Buddhismus gemeistert habt. Dieser Mönch scheint also intensiv praktiziert zu haben. Hier spielt sich etwas ab.

 Diese unvollständige Person hat zweifellos eine Persönlichkeit und verhält sich so, als würde sie eine vollständige Persönlichkeit manifestieren. Was aber antwortet Joshu? „In diesem Fall spüle deine Essschalen.“ Mach sauber! Da soll der Mönch errötet sein und etwas erkannt haben. Was war das? Das unvollständige Selbst kann nicht zu existieren beginnen, ehe es eine Verbindung mit Vergangenheit und Zukunft etabliert hat. Jede unvollständige Person etabliert Beziehungen zu Gott und Teufel. Wenn sie vollständig wird, gibt es keine Notwendigkeit zu irgendwelchen Beziehungen. Denkt aber nicht, der Mönch sei etwas Totes gewesen. Denn das vollständige Wesen, das Absolute, lässt das unvollständige Selbst und die Myriaden Dinge dieser Welt entstehen. Unwiederbringlich nährt es all diese Dinge, bis sie zu einer vollständigen Persönlichkeit werden.

            Danach muss das Absolute alles von dieser Persönlichkeit befreien. Die Befreiung geschieht vom Gedanken: „Ich muss meine Persönlichkeit vervollständigen, ich muss an meinem Charakter arbeiten.“ An einem bestimmten Punkt geschieht also Befreiung von jedweder Persönlichkeit, von jedem Charakter. So solltet ihr den Sinn von Joshus „Du hast gegessen? Dann spül deine Schalen aus.“ verstehen.

 Rinzai spricht von diesem Klumpen roten Fleisches, dem Wesen, das nach Fisch stinkt und die Energie eines Bienenstockes hat. Er spricht von diesem unvollständigen Selbst. Wenn wir uns fragen, was diesem unvollständigen Wesen zum Dasein verhilft, dann ist es unser Herzgeist. Die Aktivität des Herzgeistes manifestiert diese unvollständige Person. Rinzai sagt hier etwas Überraschendes: Obwohl da dieses unvollständige Selbst mit Persönlichkeit ist, manifestiert sich ebenso etwas ohne Selbst, ohne Persönlichkeit, was er die eine Wahre Person ohne festen Ort nennt. Doch geht es nicht nur um Rinzai. Hier seid ihr, euer lebendiges Selbst: Wie könnt ihr euch davon befreien? Unabänderlich wird das Selbst von der Persönlichkeit befreit. Es gibt eine Manifestation des Selbst ohne Persönlichkeit. Diese Idee geht auf Shakyamuni zurück.

 Rinzai steht also in Shakyamunis Schuhen und gibt hier seine eigene Darlegung, dass das Selbst, das nach Vollkommenheit der Persönlichkeit strebt, zur gleichen Zeit daraufhin wirkt, das Selbst von dieser Persönlichkeit zu befreien. Überlegt einmal, ihr wäret ohne Augen, Mund und Nase geboren worden. Oder schaut euch einen Felsen an: Er wurde vom Absoluten geschaffen, er hat keine Augen, keine Nase, keine Ohren. Auch die Blumen, die dort blühen, die Bäume und Blätter haben keine Augen oder Ohren. Wie sich dies alles mit Insekten, Fischen, Vögeln entwickelte, bis zum Höhepunkt des Menschen. Auf diese Weise denkt man im Tathagata-Zen.

 Wir müssen also anerkennen, dass hier eine Entwicklung stattfindet. Ihr alle seid in diese Menschenwelt geboren worden und habt euch entwickelt. Ihr habt Augen, Nase, Mund und geht mit deren Hilfe eine Beziehung zur äußeren Welt ein. Der Mensch mit seinen Sinnen denkt, die Welt würde unabhängig von ihm existieren, und er selbst habe durch Geburt an dieser Existenz teil. Der Buddhismus zerschmettert einen solchen Standpunkt. Dies ist die Sicht des Tathagata-Zen.

 Ihr mögt eine Beziehung zu Schmetterlingen, Bäumen und Vögeln haben. Wenn ihr tief darüber nachdenkt, erkennt ihr, dass ihr von derselben Quelle stammt. Sitzt das Absolute hier auf dem hohen Sitz und erkennt, dass Vögel, Insekten und andere Wesen sein eigener Inhalt sind, dann werden sie sie selbst und auf dem hohen Sitz umarmt. Ursprünglich gibt es keinen Berg, keinen Vogel, keinen Baum. Nun beginnt das Absolute auf dem hohen Sitz zu handeln, es lässt all diese Dinge entstehen. Alles, was hier geboren wird, verstrickt sich in Unterscheidungen von Innen und Außen, von Gut und Schlecht.  Das unvollständige Wesen erkennt unweigerlich, dass die anderen Dinge – wie der Schmetterling und der Baum – eins mit sich selbst sind. Von dort aus beginnt die Zen-Praxis.

 Jeden Tag schaut ihr die Kiefern, den Mond und die Sterne an. Um zu leben, müsst ihr eine Beziehung zu den Kiefern etablieren. Tathagata Zen lehrt genau dies, dass zu leben bedeutet, eine Beziehung zu den mannigfaltigen Dingen zu begründen. Es mag traurig sein, doch jeder Mensch entwickelt sich als ein Selbst von dieser festgelegten Perspektive aus, die die Dinge als getrennt von einem selbst ansieht. Das festgelegte Selbst nutzt seine Sinnesorgane, um eine Beziehung mit der objektiven Welt einzugehen.

 Die objektive Welt wird dabei für unabhängig von der eigenen Existenz gehalten. Tathagata Zen zerschmettert diese Ansicht. Die Dharma-Aktivität, das Absolute, das da auf dem höchsten Sitz ist, zieht das Universum in einem kleinen Punkt zusammen, der vielleicht nur so groß wie ein Senfkorn ist. Wenn dieser hohe Sitz nicht handelt, sich nicht ausdehnt, wird diese Welt hier nicht geboren. Durch die Ausdehnung des Absoluten vom hohen Sitz aus gewinnen wir diese Welt, in der wir verweilen. Das existierende Selbst hat unweigerlich einen Aufenthaltsort. Wir haben also alle Raum. Ich sage demnach, dieses Absolute auf dem hohen Sitz lässt Raum entstehen und alle Dinge, die gleichzeitig in ihm verweilen.

 Umgekehrt betrachtet sieht das unvollständige Selbst, das hier geboren wird, das Absolute als etwas anderes als sich selbst an. Es hat sich selbst fixiert und denkt von diesem fixen Punkt aus, weshalb es nicht begreift, dass es aus Dharma-Aktivität geboren wurde. Das Selbst denkt fälschlich, die Welt hätte vor seiner Geburt existiert. Aus Sicht des Tathagata Zen muss dieses unvollständige Selbst ebenfalls erkennen, dass alle Dinge, einschließlich seiner selbst, in Verbindung mit dem Absoluten ins Dasein gelangen, dass alles – Flüsse, Berge usw. – gemeinsam in die Existenz eintritt. Tathagata Zen lehrt auch, wie trotz unseres Glaubens, das Absolute würde jeden von uns erschaffen, wir erkennen müssen, dass tatsächlich wir gemeinsam mit dem Absoluten all diese Dinge erschaffen, oder besser gesagt: manifestieren. Wir schaffen oder manifestieren alles gemeinsam mit dem Absoluten. Dies ist, was Rinzai hier sagt.

 Jeder von euch lässt in jedem Augenblick all diese Dinge entstehen, während ihr vielleicht gerade denkt: „Links, rechts, hoch, runter, innen, außen.“ Ich will sagen: Wenn ihr einer Blume begegnet, dann schafft ihr zusammen mit dem Absoluten diese Blume. Die Blume hat nicht schon unabhängig von euch existiert. Und wie schafft ihr diese Blume bei eurer Begegnung? – Ein Hund rennt vorbei. Ihr schafft zusammen mit dem Absoluten diesen rennenden Hund. Man sagt, die Welt der Religion sei diese Welt, in der das Selbst jene manifesten Dinge schafft.

 Ihr hattet sicher alle schon das Gefühl dieses Erschaffens. Seid ihr vielleicht noch nicht zu der Weisheit erwacht, die dies erfasst? Doch da seid ihr, schaut euch die Blume, den Berg an. Seht genau hin! Erkennt, wie ihr sie erschafft. Solltet ihr nicht verstehen, wie ihr selbst die Dinge vor euren Augen erschafft, wird euer Reden nur wie Babygeplapper sein; was ihr auch sagt, es wird keinen Unterschied machen. Doch ihr seid dort gemeinsam mit dem Absoluten. Es gibt keinen Grund zu sprechen. Erst wenn ihr vom Absoluten getrennt seid, müsst ihr von links und rechts und den zahlreichen Gegensätzen reden. Ich möchte, dass ihr euch zur Erkenntnis dieses Prinzips erhebt. Es ist nicht leicht. Wie sehr ihr auch die Zukunft erfasst, ihr müsst auch die Vergangenheit begreifen. Ihr müsst noch zur wahren Zeit, dem Absoluten, erwachen.

 Um wirklich dem Absoluten zu begegnen, müsst ihr sowohl die Zukunft wie auch die Vergangenheit erfassen. Auf der wörtlichen Ebene dieses Koan finden wir dieses Prinzip nicht, und doch ist es darin enthalten. Normalerweise muss man die Vergangenheit meiden, wenn man die Zukunft zu erfassen sucht. Wenn ein Baby seine Mutter ergreifen möchte, muss es den Vater auslassen, oder umgekehrt. Doch auch wenn das Baby nur an Mutter oder Vater hängt, muss es doch beide Elternteile erlangen. Genauso müsst ihr, wenn ihr nur Vergangenheit oder Zukunft erfasst habt, noch die wahre Zeit erlangen. Habt ihr beides wie Vater und Mutter erfasst, gibt es keinen Grund mehr zu sprechen. Ihr sitzt dort auf dem hohen Sitz. Ich will aber nicht, dass ihr so etwas sagt wie: „Ich habe das Absolute erfasst“, wenn ihr doch nur Vater oder Mutter erlangt habt. Habt ihr beide erfasst, existieren weder sie noch ihr.

 Ihr seid nicht da, das Absolute ist nicht da.

 Ihr must von niemandem bewertet werden und müsst selbst niemanden bewerten. Wenn das unvollständige Selbst erscheint, dann auch der Gedanke, dass man ans Absolute glauben sollte. Dieses gilt es in seiner Fülle zu erfassen.

In unserem Beispiel scheint es sich um einen großartigen Mönch zu handeln, der da vor Rinzai tritt. Er hat seine Praxis vollzogen. Er scheint mit „Wie manifestiere ich den wahren Mensch ohne Rang?“ zu fragen: „Wo existiert das Selbst des Nicht-Selbst?“ Eine wirklich gute Frage. Doch sie trifft es nicht ganz. Rinzai lachte vielleicht und hielt sein Gegenüber für einen feinen Imitator. Viele unserer Fragen sind so. Was unweigerlich eine Frage stellt ist das unvollständige Selbst. Es ist ein Fehler! Ich bekomme nur Fragen von diesem fixierten Selbst, das da sitzt und das Absolute als etwas anderes als sich selbst anschaut und dann den Mund öffnet.

 Diese Aktivität, die die Dinge in dieser Welt entstehen lässt, hört niemals auf. Sie stockt nie. Selbst jetzt bewegt sie sich Richtung Zukunft und manifestiert neue Dinge. Darin gibt es keinen Verlust des Selbst aus unserer üblichen Perspektive. Wir ergreifen Dinge und machen sie zu unserem Inhalt, unserer Vergangenheit. Wenn sich das Selbst dann als hässliches Selbst anschaut, verwickelt es sich in Gefühle von Schuld. Die Frage des Mönchs ist nicht schlecht, und doch scheint er sich selbst festgelegt zu haben und von dieser fixen Warte aus zu fragen. Wie reagierte Rinzai? Ist er einfach schweigend auf seinem hohen Sitz geblieben und hat mit geschlossenem Mund alles umarmt, sich im Nicht-Handeln übend? Es gibt solche Fälle. Shakyamuni hat an einem Punkt diesen Zustand manifestiert. – Ihr seid da oben. Dieser Mensch hier tritt vor und fragt euch: Wie antwortet ihr?

 Der Mönch hatte sich gewiss festgelegt und von dieser fixen Warte aus gefragt. Was solltet ihr tun, wie diesen Menschen belehren? Nun müsst ihr einen Zen-Geist zeigen und eine Dharma-Rede halten. Drückt den Dharma aus. Hätte Rinzai sich auch so fixiert und so dahergequasselt, wären beide in die Hölle gefahren. Himmel und Hölle sind keine fixen Einheiten. Die Hölle wird Vergangenheit, der Himmel wird Vergangenheit, dann werden beide Zukunft. Sie bewegen sich beide frei. Sie sind nicht verwickelt oder festgelegt. Darum ist die Zukunft nicht die Zukunft, die Vergangenheit nicht die Vergangenheit. Der Himmel ist nicht der Himmel und die Hölle nicht die Hölle.  Himmel und Hölle, Vergangenheit und Zukunft verschmelzen zu einem. Da ist nur die Aktivität des Absoluten. Warum manifestiert dieses Absolute dann durch sich selbst Himmel und Hölle? Das Absolute tut dies, und der Mönch steht unverständig da. Er versteht nicht, dass dieser Übungsraum, dieses Sitzkissen der Himmel sind. Worauf ihr sitzt und worauf er sitzt, das ist der Himmel.

 Ihr müsst die Weisheit erlangen, die diesen einen Wahren Menschen ohne Rang verwirklicht, dieses Selbst des Nicht-Selbst. Rinzai schaut auf den Mönch und sagt: „Da stehst du inmitten des Himmels und fragst so etwas.“ Rinzai und der Mönch sind beide zu Rinzai geworden. Doch Rinzai kann dabei nicht stehenbleiben. Er muss gemeinsam mit dem fragenden Mönch die Frage stellen. Welche Art von Duell würde Rinzai mit ihm haben? In welcher Art von Sumo, von Ringen, von Aikido oder Kendo betätigen sich die beiden hier?

 Zu jeder Zeit begründet ihr eine Beziehung zu den Dingen. Ihr könnt Kendo, Aikido, Judo, Sumo betreiben, aber es genügt nicht. Ihr habt eine gegenseitige Beziehung zu etwas – was versucht ihr dabei zu manifestieren? Wenn das fixierte Selbst nicht zerstört wird, hat Rinzai hier nichts zu suchen. Diese Aktivität ist viel interessanter, als einen Film zu schauen. Ich schaue mir euer sanzen an. Das ist viel spannender.

 Macht ein sanzen, das den Lehrer nicht zum Lachen über euch bringt. Lasst uns über das Duell zwischen Rinzai und dem Mönch sprechen.

 (4. März 1986)


 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Falscher "Shaolin-Mönch" aufgeflogen

Den aktuellen Artikel zu Shi Heng Yi (Tien Sy Vuong) findet Ihr hier.    Am Samstag, den 19.03.2011, ist in der Süddeutschen Zeitung ein größerer Artikel über den Fake-Abt (Shi Heng Zong alias Monroe Coulombe) des "Shaolin Temple Europe" erschienen - Seite 11: "Der Shaolin-Schwindel". Wir hatten bereits im Januar 2010 das Thema aufgegriffen. (Dank an Heino für den Tipp.)

The poser Shi Heng Yi alias Tien Sy Vuong / Der Blender Shi Heng Yi vom Shaolin Tempel Europe

(English version first, translated with DeepL - zunächst auf Englisch, unten auf Deutsch) Since last year, I have been improvising a series of YouTube posts that deal with a certain "Shi Heng Yi". You can find the playlist here . Back in 2011, I took a critical look at the "Shaolin Temple Europe" (later the newspaper SZ reported on it). The "Shaolin Temple Europe GmbH " of the same name is now headed by Shi Heng Yi, who is said to have a business degree (MBA), among other things. This man, whose real name is Tien Sy Vuong and whom I have so far described as German-Vietnamese, is trying hard to market himself in social and other media as a " Shaolin master of the 35th generation " and also offers online courses. In the meantime, two people have reported "threats" and warnings to me via Messenger and in a forum. In one case, a critical video was deleted and only uploaded again in abridged form, in which a former student of Shi Heng Yi (S

Die Kommerzialisierung der Shaolin

Am Samstag Abend lief unter "Spiegel TV" (d.h.: besserer Boulevardjournalismus) ein mehrstündiges Porträt über einen engagierten jungen Mann, der sich dem "Shaolin-Tempel" in Kaiserslautern angeschlossen hat. Sein Werdegang wurde über einen längeren Zeitraum verfolgt, Ausschnitte dieser Sendung hatte ich schon mal gesehen. Keine Frage, der junge Mann meinte es ernst und war sympathisch. Wie ein freundlicher, harmloser Herbergsvater kam dann sogar der Abt rüber, Shi Heng Zong genannt, oder auch: der Sitaigung. Da macht einen ja schon mal stutzig, dass ein bärtiger Deutscher nur noch mit chinesischen Namen tituliert wird. Dabei hat er die buddhistischen Essensgebete durchaus eingedeutscht, und auch die Aufnahmezeremonie des jungen Mannes als Mönch lief ganz verständlich und routiniert auf Deutsch ab. Man muss den Leuten hinter dem Tempel auch ihre Ehrlichkeit (oder Naivität?) lassen, mit der sie den Werdegang des Abtes beschreiben, den wir natürlich - bei seiner Le