Künftig wird es hier ein paar Ausflüge in die ferne Vergangenheit des Zen geben. Wenden wir uns heute also mal
einem zukunftsträchtigen Thema zu, den Robotern. Obiges Zitat stammt von einem
der Pioniere der Roboterentwicklung, Masahiro Mori (geb. 1927), der einige
seiner Thesen im Aufsatz „Uncanny Valley“ (Unheimliches
Tal) vorlegte. Ich fasse hierzu Takeshi Kimuras Artikel „Masahiro’s Buddhist
Philosophy of Robots“ (Paladyn, Journal
of Behavioral Robotics, Vol. 9/2018) zusammen.
Seit
einiger Zeit beschäftigen sich Robo-Ethiker mit Fragen wie der, inwiefern religiöse
Menschen gegenüber künstlicher Intelligenz offen sind, was man von Sexmaschinen
zu halten hat oder wie ein Roboter in islamischen Ländern koran-konform
autistischen Kindern helfen kann. Weiter wurde moderne Technologie als
vergleichbar angesehen mit rituellen und magischen Akten, zumal sie oft Ekstase
und Erstaunen auslöse. Masahiro Mori ist nun ein Sonderfall, denn er praktiziert
Zen (womit er 1969 beim Rinzai-Meister Eizan Gotô begann) und hat als Laie dazu
Bücher verfasst. Schon in den 80erJahren hielt er die Zen-Meditation für eine
Inspirationsquelle, um ein neues industrielles Design oder ein originäres technisches
Hilfsmittel zu entwerfen, nachdem er selbst in den 70er-Jahren Roboterhände und
einen auf zwei Beinen laufenden Roboter entwickelt hatte. Mori erläutert Zen
gern anhand von Industriedesign und Robotertechnik. Für ihn ist die Erfahrung
der nicht-dualen Einheit im Zen die Quelle für Innovationen. Bei
Schwierigkeiten im Entwicklungsprozess empfiehlt Mori den aus Dôgens Fukanzazengi entlehnten „Schritt zurück“,
womit er zum stillen Sitzen und der Suche nach einer innerlichen Lösung statt
einer im Außen anregt. Er verwendet den Ausdruck „dualistische Einheit“, um zu
verdeutlichen, dass etwa bei einem Auto Beschleunigung und Bremsen
zusammengehören und zwischen technologischem Dualismus und dem Einssein im Zen
eine Verbindung besteht. Dualistische Fragen stellen sich zum Beispiel bei der
Bewertung des Guten und Bösen in Künstlicher Intelligenz. Mori sieht drei
Abstufungen: gut, böse und neutral (san-shô-no-ri),
wobei die Technik zunächst als wertneutral (muki)
betrachtet wird und die menschliche Absicht darüber entscheidet, ob sie gut
oder schlecht ist. Da die immer komplexer werdende Technik aber auch das
Potential für großen Schaden enthält, sei es wichtig, sie in eine
religiös-ethische Weltsicht einzubetten. Arbeitet ein Entwickler etwa fürs
Militär, sollte er meditieren, um sich von der Erwartungshaltung seiner
Auftraggeber frei zu machen und einen umfassenderen Kontext in den Blick zu
bekommen.
Mori ist
auch bekannt als Initiator des „Roboter-Wettstreits“, bei dem Schüler und
Studenten mit ihren Ideen und Konstruktionen wetteifern. Deren experimentelle
Prozesse nennt er „Gidô“ (Weg der Technik), um an andere zen-nahe Traditionen
wie Chadô (den Weg des Tees) oder Kadô (den Weg des Blumenarrangements)
anzuknüpfen. Indem die Studenten sich bei ihrer Technikbegeisterung selbst
vergäßen, würden sie (wie Dôgen es nannte) „sich selbst kennenlernen“ und in
ein Bewusstsein des Einswerdens mit den Robotern gelangen. Der zu
konstruierende Roboter führe sie in einen Zustand, wo Subjekt und Objekt, ich
und es nicht mehr unterschieden werden und wirke darum wie ein Bodhisattva. So
könne, wer weltliche Technologie erfinde, eine religiöse Erfahrung machen und
durch das Vergessen des Selbst Dôgens Diktum aus dem Genjôkôan beherzigen: „Das ganze Universum durch die eigene Praxis
erleuchten zu wollen, solange man ein Selbst mit sich herumschleppt, ist eine
Illusion.“
Auch die
Lehre des Diamantsutras würden die Studenten unbewusst begreifen, da sie die
Erfahrung der dort umschriebenen Leere (shunyatâ)
machten und das Praktische über die Theorie siege. Außerdem erlebten sie
die paradoxe Logik, dass „A nicht gleich A und deshalb A ist“, oder mit den
Worten des Sutras: „Alle Phänomene (dharma)
sind nicht alle Phänomene, darum sind sie alle Phänomene.“
Mori
hatte für das Design seiner Roboterhand die Scheren einer Krabbe zum Vorbild
genommen. Schon früher hatte er sich gefragt, warum ein Hund auf vier Beinen
laufe, und war – als er ganz in der Arbeit an seinen Designs aufging –
plötzlich intuitiv zum Schluss gekommen, es läge an dessen Buddhaschaft. Mori
fand also eine zengemäße Antwort auf eine nicht-religiöse Fragestellung. Mori
ist auch der Ansicht, ein Roboter mit künstlicher Intelligenz solle letztlich Schmerz
und Leid empfinden, damit er mit Menschen auf einer empathischen Ebene
kommunizieren und von diesen als Freund wahrgenommen werden könne.
P.S.: Seit
einiger Zeit gibt es nicht nur Roboter in buddhistischen Tempeln, für sie wurden
sogar schon Bestattungszeremonien
abgehalten, nachdem etwa die Ersatzteile ausgegangen waren.
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Das halb-philosophische,in der Neuzeit oft auch rationalisierende Geplänkel und die entsprechende Handhabung von Lehre und Praxis,verbunden mit einer etwaigen angrenzenden Sammlung,vernachlässigt ja sowieso,dass "die Buddhanatur" neben dem Aspekt der Leerheit noch den des bodhi aufweist.
AntwortenLöschenEin Roboter kann,im Gegensatz zu fühlenden Wesen,kein bodhi aufweisen,und mithin "hat"er auch keine Buddhanatur.
Ich hoffe ernsthaft,dass ein Roboter kein Bewusstsein entwickelt und was das dann "überträgt".
Selbst dieser japanische "Roboterpriester" ist doch ein Spiegelbild ausgereifter Objektifizierung der Welt und des Hyperindividualismus(was Gleichschaltung nicht ausschliesst).Was genau soll denn daran nun nützlich sein?