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Das Shôbôgenzô, Zweitübersetzungen und die Fehldeutungen von Steineck

Nicht vergessen: 
Nach Yoga und Meditation wird das Ego der Menschen laut einer Studie größer!

Folgerichtig wird es nun mal wieder Zeit, hier Dampf abzulassen.

Zu den größten Dummheiten im Vereinsmeierbuddhismus - und leider auch in Teilen der Akademie - gehört die reflexhafte Kritik an so genannten Zweitübersetzungen, also solchen, die nicht aus der Originalsprache eines Textes erfolgten, sondern über Umwege, meist aus dem Englischen. Im Laufe meiner Verlagstätigkeit kam es hierbei zu zwei sehr aufschlussreichen Entblödungen von Japanologen. Die erste betraf das "Bushidô", einen langen Essay von Inazô Nitobe über den Ehrenkodex der Samurai. Als ich ihn übersetzte und dank eines Filmes und Zitates von Tom Cruise auch gut verkaufte, wurde auf einer akademischen Mailingliste von mindestens einem Japanologie-Professor kritisiert, ich habe ja mangels Japanischkenntnissen nicht aus dem Original übersetzen können. Der Essay war jedoch von Nitobe auf Englisch verfasst worden!
   In einem Forum von Japanologiestudenten kam es zu einem weiteren Aufruhr, der sich allerdings in höheren Kritikerkreisen, nämlich im Literarischen Quartett, widerspiegelte, als man sich dort über die flapsig-erotische Zweitübersetzung des Ehepaars Bandini der "Gefährlichen Geliebten" entzweite (sein Autor Haruki Murakami hat in den Folgejahren dann ein Sexklischee nach dem anderen verarbeitet). In besagtem Forum hatte ich behauptet, dass eine Direktübersetzung aus den englischen Fassungen von Gabriel oder Birnbaum bessere Ergebnisse hervorbringe als die Direktübersetzungen, die nach dem Skandal im Literarischen Quartett von Murakamis deutschem Verlag herausgebracht wurden. Ich hatte das an Auszügen vorgemacht. Die offenbar um ihren Ruf besorgten angehenden Japanologen wehrten sich mit Händen und Füßen, bis ich ihnen schließlich sagte, dass ausgerechnet Murakami, der jahrelang selbst Übersetzer namhafter US-Autoren war, für seine internationalen Fassungen ausdrücklich einräumte, man könne sie über den Umweg anderer Sprachen übersetzen, so lange sein Inhalt und Tenor erhalten blieben. Er als Übersetzer wusste wohl, dass dies möglich ist und von der Qualität der jeweiligen Übersetzung abhängt, d. h. dass eine Zweitübersetzung aus einer guten Erstübersetzung besser sein kann als eine (Erst)Direktübersetzung.

Mit dem Thema hatte ich gerade wieder zu tun, als ich zufällig etwa zehn Jahre alte Literaturempfehlungen und "Studienmaterial" auf der Webseite der Deutschen Buddhistischen Union entdeckte und ergänzend einige neuere Übersetzungen zur Verfügung stellen wollte. Mit Bedauern wurde abgelehnt, man habe Fachleute befragt, die dann dahingehend zitiert wurden, es handele sich um keine Direktübersetzungen (was im Einzelfall falsch war) oder es gäbe bessere. Da wurde ich stutzig, denn den Tenor kannte ich, insbesondere von einem User, der seit Jahrzehnten als Nicht-Sprach- und Nicht-Religionswissenschaftler (falls er überhaupt je eine Uni von innen sah) mit schlauem Geschreibe schon ganz Ähnliches von sich gegeben hatte, ohne dies je bewiesen zu haben. Ich erinnere mich exemplarisch an zwei Fälle, in denen es um den Sinn eines Zen-Zitates ging und jedes Mal auf Nebenschauplätze abgelenkt wurde, etwa auf ein Tier, dass es in Japan zu Dôgens Lebzeiten nicht geben konnte, oder auf ein im Zitat für den diskutierten Sachverhalt unbedeutendes Wort, das (in diesem Fall sogar von einem Japaner selbst) ungeschickt übersetzt worden war. 

Nun soll man mich nicht falsch verstehen. Ich begrüße jede Direktübersetzung und halte sie für den von vornherein angebrachteren Weg. Wenn sie jedoch nicht möglich ist oder unzufriedenstellend ausfällt, ist die Zweitübersetzung eine Alternative. Vor allem, wenn man beim Heranziehen einer engl. Direktübersetzung zu der Ansicht gelangt, sie würde das, was Zen will, besser treffen als eine deutsche Direktübersetzung. Hier kann zwar der Kundige der Originalsprachen einwenden, man könne nicht beurteilen, ob auch nur irgendeine Direktübersetzung was taugt (ich bin deshalb froh, seit einigen Jahren eine Japanologin als Lektorin zu haben, die mir in Japan nicht heimische Pflanzen und Tiere aus den Übersetzungen korrigiert). Das Problem ist aber nun, dass wir bestenfalls denjenigen als Kritiker vertrauen können, die auf dem gleichen Niveau Sprachkenntnisse des Originals haben wie die Direktübersetzer. Und das ist oft nicht der Fall, oder wir können wiederum  auch dies ja gar nicht beurteilen. Die DBU sprach in meinem Fall auf Nachfrage bezüglich der Kenntnis ihrer Fachleute nur von jemandem mit Sanskrit- und Tibetischkenntnissen.

Wird nun aber mit der Kritik unterstellt - und das ist oft gemeint -, der Übersetzer habe Zen "nicht verstanden", dann begeben wir uns auf eher schwammigen Untergrund. Wer das so haben will, wird sich von mir dann aber auch anhören müssen, dass er selbst nicht verstanden hat. Ich gebe mal ein paar Beispiele aus meiner jüngeren Vergangenheit, wie Zen-Praktizierende mir entgegentreten, und frage Euch, ob das im Umkehrschluss nicht jeden nüchternen Beobachter darauf bringen müsste, dass diese so genannte Zenpraxis nichts taugt (ich behaupte das nicht, ich sage aber, dass viele die Zenpraxis nicht recht verstehen oder nicht damit ernst machen): Da wird mir z.B. sieben Jahre nach dem Erstkontakt und fünf Jahre, nachdem man plötzlich ein Manuskript statt bei mir woanders veröffentlichen wollte, dieses doch noch mal vorgelegt, und nicht einmal die einfachsten Dinge, die jeder mithilfe des Word-Programmes allein erledigen kann, sind gemacht (rot markierte Wörter auf Rechtschreibung überprüft, Anglizismen rausgenommen usf.). Da heißt es, ein anderer buddhistischer Verleger habe auf "mindestens 50 emails" im Lauf der Jahre nicht mehr geantwortet. Und – da sind wir wieder beim Thema – da wird dann eben von Kleingeistern zum Gegenstand der Kritik an einer Übersetzung von Zen-Weisheiten gemacht, dass es in Japan zu Zeiten Dôgens keine Waschbären gab (wie von einem Shôbôgenzô-Übersetzer ins Englische mit "raccoon" widergegeben). Wer sich mit so etwas aufhält und nicht aufs Wesentliche der Zen-Übertragung konzentriert, der wird nur schwer den Unterschied zwischen einer guten Zweitübersetzung und schlechteren Erstübersetzung erkennen können. Insbesondere, wenn er selbst nicht als Übersetzer/in hinreichende Erfahrungen gesammelt hat.

Vor ein paar Jahren bekam ich den Zuschlag für die Übertragung vier indonesischer Romane und einer Kurzgeschichtensammlung ins Deutsche, und zwar aus dem Englischen, weil man a) nicht genug Übersetzer mit Indonesischkenntnissen hatte, b) unter diesen einige nicht in der Lage waren, gut zu übersetzen. Da ich fast keine Besprechungen für diese Werke bekam, kann ich zwar nicht sagen, ob ich selbst nach Meinung der Kritiker ansprechend gearbeitet habe. In jedem Fall aber fiel mir die Arbeit relativ leicht, da die englischen Vorlagen bereits flüssig zu lesen waren und die teils des Englischen mächtigen Autoren damit offenbar auch zufrieden waren. In einigen Fällen entdeckte ich aber gemeinsam mit meiner Lektorin Fehler in diesen Vorlagen (sie handelten u. a. von der japanischen Besatzung Indonesiens), die wir dann ausbügeln konnten (dasselbe geschah kürzlich mit einigen falsch ins Englische übersetzten Pflanzen, und immer wieder weist sie mich darauf hin, dass die oft zitierte "Pflaume" (ume) eigentlich eine Aprikose ist). 

Leider wird dieser despektierliche Umgang mit Zweitübersetzungen auch von Leuten unterstützt, die es mit ein bisschen Mühe besser wissen könnten. Professor Christian Steineck etwa, der in Zürich für Japanologie zuständig ist und sich intensiv mit Dôgen beschäftigt hat, erwähnte 2009 die Linnebach-Übertragung als „die erste deutschsprachige Gesamtübersetzung“ (was also quasi einer akademischen Lüge gleichkommt, da ja die im Angkor Verlag bereits 2008 erschienen war) und hat sich offenbar auch nicht dem Problem gestellt, dass Nishijima, Linnebachs Lehrer, Dôgen ganz durch die Brille seiner eigenen Auffassung („drei Philosophien“) sah und entsprechend kommentierte und wohl auch übersetzte, also weniger ergebnisoffen als NishiYAMA, von dem meine Vorlage stammte.
   Ich kann noch einen weiteren Grund neben dieser universitären Blindheit benennen: Die NishiYAMA-Übersetzung verlangt in meinen Augen – genau wie NishiYAMA selbst – vom Zen-Adepten mehr als Nishijima, vor allem, „von selbst drauf zu stoßen“. Und mir kommt kein Dôgen-Experte davon, wenn er es versäumt, ausdrücklich zu erwähnen, welche Widersprüche sich in Dôgens Werk finden und welche Engstirnigkeit man darin ebenfalls entdecken kann, wenn man sich nicht nur die philosophisch interessanten und imposanten Rosinen herauspickt.
   Was Steineck angeht, so dürften die Motive für seine „Versäumnisse“, die gelegentlich auch auf einer Mailingliste anklangen, auf ganz unterschiedlichen ethischen Konzepten beruhen: Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich im Gegensatz zu ihm das Hirntod-Kriterium von Ärzten für verantwortlich halte und dies buddhistisch begründet, u. a. damit, dass ein Hirntoter kein buddhistisch Praktizierender mehr sein kann und damit jegliche Spekulation über einen etwaig noch vorhandenen „Geisteszustand“ für den [Zen-]Buddhisten überflüssig ist, da für ihn ein Leben der Praxis entscheidend ist (und nicht, wie das Klischee meint, ein unbeteiligtes Leben). Ich bin auch nicht der Meinung – wie Steineck –, dass Kernenergie aufgrund ihrer Wirkdauer und des daraus folgenden fortdauernden Kontrollzwanges „organisierte Verantwortungslosigkeit“ sei, vielmehr sehe ich das Gegenteil als wahr an, dass Kernenergie folgende Generationen verpflichtet (zur ständigen Aufmerksamkeit) und damit verantwortungsfordernd ist, während die durch sie ersetzbaren definitiv umweltschädigenden Energiegewinnungsarten (wie durch Kohle) ohne jeden Zweifel auch den kommenden Generationen geschadet haben werden.
   Ferner waren die Erde und der Mensch schon immer Gefahren ausgesetzt, die nicht vollständig zu kontrollieren waren, etwa Epidemien oder dem Einschlag von Meteoriten, womit es von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Menschheit ihr Schicksal komplett selbst in der Hand hat – vielmehr beruht dies auf einer Illusion, mit deren Hilfe sie ihrem Leben Sinn gibt. Die Verwendung von Kernenergie ist – zumal was kommende Möglichkeiten der Kernfusion im Gegensatz zur Kernspaltung betrifft – für manche eine mögliche Form dieser Sinngebung. Einen objektiven Sinn für das Menschendasein gibt es jedoch nicht, weshalb auch nicht einsichtig ist, weshalb Menschen für die Zukunft das Risiko einer Totalauslöschung (auch anderen irdischen Lebens) ethisch ausschließen müssten, die im Universum keinesfalls ungewöhnlich ist. Dabei geht es nicht um eine Verherrlichung der Natur, sondern um das Eingeständnis menschlicher Zerstörungswut, die sich auch ganz ohne Kernenergie täglich manifestiert und anderen Wesen in dieser Form mangels Intelligenz und Selbstsucht nicht möglich ist. Die Abschaffung der Kernenergie wird also auf einer Argumentationsgrundlage wie der Steinecks gefordert, ohne dass sie berücksichtigt, dass sie am grundlegenden Problem des Menschen, seiner Fähigkeit und Neigung zur Destruktivität, etwas ändert. Eine solche Ethik bleibt damit kosmetisch und geht nicht tief genug. Der Grund ist, dass sie eher politisch und ideologisch motiviert ist als philosophisch.
   Ich erwarte natürlich von Philosophen nicht, dass sie Zen praktizieren oder in ihren Überlegungen stets Schwerpunkte ihrer Forschung – also hier etwa das Denken Dôgens – einfließen lassen, aber eine recht verstandene Zen-Praxis sollte zumindest in der Lage sein, jegliche Illusion über das Substantielle der Menschheit zu beseitigen. Der Mensch hat neben seinem Überlebens- auch einen Todestrieb. Dieser macht m. E. erst seine Risikobereitschaft möglich und kann so paradoxerweise ebenfalls zu seinem Überleben beitragen. Es reicht also vom Standpunkt des Zen nicht, auf dieser in meinen Augen eher schlichten Ebene ethischer Debatten Hirntod und Kernenergie abzulehnen, sondern dahinter eine grundlegend tiefsinnige Einsicht in das menschliche Dasein erkennen zu lassen. Ich selbst glaube, dass diese aus der rechten Zen-Praxis entstehen kann. Was ich mich frage ist also, wie es sein kann, dass gerade diejenigen, die ganz bestimmte Lesarten (und Übersetzungen) etwa von Dôgen bevorzugen und andere ignorieren, nur zu bestimmten für mich oberflächlichen Schlüssen kommen. Mit anderen Worten, es ist offensichtlich, dass sie nur lesen wollen, was ihnen in den Kram passt, denn andere Textversionen könnten sie verstören.
   Die Philosophie Dôgens etwa lässt, jedenfalls in jenen „Rosinen“texten, nicht zu, dass man eine potentielle Gefahr – wie sie in der Kernenergie gesehen wird – über die Auffassung von Sein-Zeit stellt und aus einer nur illusionär vorhandenen Zukunft einen für die Gegenwart entstellenden Schluss zieht. Die (An)Erkenntnis einer Buddha-Natur im Gegensatz zu einem überdauernden individuellen Selbst erledigt auch jegliche ethisch berechtigten Ängste über einen Geist, der nach einem Hirntod noch aktiv sein könnte (die Leugner des Hirntod-Kriteriums, auch wenn es nicht der Weisheit letzter Schluss sein mag, haben m. E. in erster Linie Angst vor dem Tod oder dem Nicht-Sein, statt vor dem Sterben).
   Genauso wenig lassen es jene „Rosinen“texte zu, dass man eine Übersetzung nicht wahrhaben will, weil man sich an einem Waschbären stößt, denn dann müsste man Dôgen als geistesschwachen Autor gleich ganz ad acta legen, weil er in seinen minderwertigen Texten offensichtlich an ein über mehrere Leben wirksames Karma glaubte (was heutzutage jedenfalls den meisten Philosophen und Nicht-Philosophen nur ein Kopfschütteln abringen dürfte), Klassiker des Mahâyâna-Buddhismus in Abrede stellte (Vimalakîrti-Sutra usf.) und mit zunehmendem Alter eine Zweiklassen-Gesellschaft unter Buddhisten zementierte, die sich in Mönche und Laien unterschied (ich erzähle hier nichts Neues, aber fragt mal diejenigen, die lange in Sôtô-Dôjôs übten, nach ihrem Dôgen-Bild …).

Vor Kurzem habe ich nicht nur diesen Blog von vorn bis hinten nochmal angeschaut, sondern auch mein Verlagsprogramm. Da gefiel mir hier ein Cover nicht mehr, dort die Betitelung (ich habe z. B. die Reihe "Große Zen-Meister" im Verzeichnis Lieferbarer Bücher in "Bedeutende Zen-Meister" umbenannt, darunter fallen nun viele Einzelbände, ohne dass es auf den Covern steht, um zu verdeutlichen, warum etwa auch Hanshan Deqing und Yunqi Zhuhong mit eigenen Bänden geehrt wurden; viele der publizierten Zen-Meister waren einst von Heinrich Dumoulin in seiner „Geschichte des Zen-Buddhismus“ herausgestellt worden). In diesem Zusammenhang stieß ich nochmals, und da schließt sich wiederum der Kreis zu oben Gesagtem, auf die Vermarktung der Shôbôgenzô-Übersetzung aus dem Kristkeitz-Verlag. Der "Fachmann" der DBU wurde, als ich weitere Kapitel neben denen, die die DBU von Kristkeitz übernommen hat, kostenlos zur Verfügung stellte, zitiert: "Vom Shôbôgenzô gibt es außerdem bessere Übersetzungen." Also Plural. Es gibt aber ins Deutsche bisher nur die von Kristkeitz und die im Angkor Verlag, die Vollständigkeit beanspruchen können. 

Die von Kristkeitz wird so angepriesen: "erstmals aus dem japanischen Urtext ins Deutsche übersetzt von Ritsunen Gabriele Linnebach und Gudō Wafu Nishijima". Ich habe daraufhin Frau Linnebach eine email geschickt und gefragt, ob sie Japanologie studiert hat und aus dem Altjapanischen (das wäre der "Urtext") übersetzen kann. Eine Antwort ist sie mir bis heute schuldig geblieben. Dass Nishijima nicht genug Deutsch konnte, steht außer Frage. Tatsächlich hat Nishijima also das Altjapanisch Dôgens in moderneres Japanisch gebracht, dann wurde es ins Englische übersetzt und ins Deutsche. Die Fassung in meinem Verlag beruht auf der von NishiYAMA, der sich auf Doshû Ôkubos modernes Japanisch stützt. Ich bin NishiYAMA begegnet und kann im Vergleich mit den Videos von Nishijima nicht erkennen, dass einer besser Englisch gekonnt hätte als der andere. Wenn Nishijima also ferner kein Deutsch konnte und Frau Linnebach nicht Japanisch von der Pike auf gelernt hat, was soll dann dieses Gedöns? Ich bin bei einigen anderen Übersetzungen, die ich nicht namentlich erwähnen will, auf den gleichen Duktus gestoßen: "Von Soundso mit ihrem Meister aus dem Original übersetzt". Aha. Vergleiche man doch einfach mal, was bei diesem gut vorstellbaren jahrelangen Konversationsgestammele herauskommt, mit dem, was eine offensichtlich gelungene Direktübersetzung ins Englische leistet. Gelungen bedeutet hier insbesondere, da wir im Zen sind: Verständlich und für die Praxis, d. h. zur Anwendung tauglich.

Es geht auch konkreter. Hierzu habe ich willkürlich, aber gleich beim ersten Versuch ein paar Sätze aus Abschnitt 83 herausgegriffen, d. h. ich habe mir nicht mehr Mühe gegeben, als diese Abschnitte zu kopieren und zu sehen, ob ich wohl recht habe. Zwei Abschnitte aus der englischen Übersetzung von Chodo Cross und der deutschen von Linnebach der Nishijima-Übertragung des Shôbôgenzô:

"When the myriad dharmas are each not of the self, there is no delusion and no realization, no buddhas and no ordinary beings, no life and no death. The Buddha’s truth is originally transcendent over abundance and scarcity, and so there is life and death, there is delusion and realization, there are beings and buddhas. And though it is like this, it is only that flowers, while loved, fall; and weeds while hated, flourish."

"Wenn jedes der zehntausend Dinge [Dharmas] nicht das Selbst ist, gibt es keine Täuschung und kein Erwachen, keine Buddhas und keine Lebewesen, kein Leben und keinen Tod. Der Buddha-Weg ist von Anbeginn jenseits von Überfluss und Mangel, und deshalb gibt es [Augenblick für Augenblick] Leben und Tod, Täuschung und Erwachen, Lebewesen und Buddhas. Selbst wenn dies alles so ist, fallen die Blüten, obwohl wir es bedauern, und wächst das Unkraut, obwohl es uns nicht gefällt." 

Es fällt auf, dass der erste Teil mit dem Englischen weitgehend übereinstimmt, also aus ihm übersetzt sein könnte. Die Ergänzung in eckigen Klammern "[Augenblick für Augenblick]" ist möglicherweise unnötig und steht deshalb auch nur in Klammern; solche Ergänzungen sind m. E. dem Lesefluss eher hinderlich als dienlich, wenn sie nicht konsequent in den Text eingebaut werden – und das sollte man tun, wenn man sie fürs Verständnis für unabdingbar hält, denn sonst muss sich der Leser fragen, ob Dôgen das, was in Klammern steht, gemeint hat, oder nur der Übersetzer. Im letzten Satz erkennt man dann, dass die englische Übersetzung die bessere ist bzw. aus ihr zu übersetzen die bessere Lösung gewesen wäre. Dieser Satz würde dann z.B. lauten: "Und obgleich es so ist, fallen doch die von uns geliebten Blüten, und erblüht das uns verhasste Unkraut." 

(Quelle Shôbôgenzô-Zitate engl. Fassung: 
https://www.thezensite.com/ZenTeachings/Dogen_Teachings/Shobogenzo_1_NC.pdf
dt. Fassung:
https://www.buddhismus-deutschland.de/wp-content/uploads/material_shobogenzowerner.pdf Copyright Werner Kristkeitz Verlag 2008)



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