[Auszug:] Es
heißt, Sakyamuni habe die Fragen bezüglich der Existenz einer vom Körper
getrennten Seele und des Nirwana offengelassen, sie beiseitegeschoben oder
zurückgewiesen.
Tatsächlich
finden sich im Kanon jedoch eine Menge von Stellen, welche diese Fragen
zumindest indirekt im Sinne einer Seelenlosigkeit oder Vernichtung klären. Wir
können einräumen, dass (1) einige Schüler, oder auch viele Schüler, mit der
nihilistischen Leere nicht zufrieden waren und darum in der Tiefe ihrer Herzen
hofften, dass sie den Meister missverstanden hätten. Vergessen wir nicht, dass
die Schüler von Sakyamuni zu ihm als dem Entdecker des Pfades der Todlosigkeit
(amrta) kamen. Oder (2) es gab Mönche
ohne jegliche Vorurteile, nur darum besorgt, völlige Klarheit bezüglich Nirwana
zu erlangen, nicht durch logische Schlussfolgerungen gezogen aus
psychologischen Voraussetzungen, nicht durch metaphorische und widersprüchliche
Phrasen, sondern durch eine direkte und endgültige Aussage von den Lippen des
Allwissenden. Und nicht zuletzt (3) gab es Mönche, welche niemals etwas von den
nihilistischen Äußerungen von Sakyamuni gehört hatten und die verwundert waren
über Sakyamunis Schweigen die Seele und das Nirwana betreffend.
Malunkyaputta
war einer dieser Mönche:[1]
„Es
gibt“, sagte Malunkyaputta, „Fragen, welche der Buddha nicht aufgeklärt hat,
beiseite geschoben hat, zurückgewiesen hat ... Ob die Seele und der Körper
identisch sind; ob die Seele eine Sache ist und der Körper eine andere Sache;
ob ein Heiliger nach dem Tod weiterlebt; ob ein Heiliger nach dem Tod nicht
mehr lebt; ob ein Heiliger nach dem Tod sowohl weiterlebt wie nicht mehr lebt;
ob ein Heiliger nach dem Tod weder weiterlebt noch nicht mehr weiterlebt ...
Der Umstand, dass Buddha diese Fragen nicht klärt, erfreut mich nicht. Ich will
mich bei ihm erkundigen. Wenn er sie nicht beantwortet, werde ich das religiöse
Leben unter der Führung des Buddha aufgeben.“
Malunkyaputta
befragt den Buddha in diesem Sinne, und die Begegnung endet mit der Äußerung
dieser starken Worte:
„Wenn
der Herr es nicht weiß, so ist die einzig aufrichtige Sache für jemanden, der
es nicht weiß, zu sagen: Ich weiß es nicht.“
Buddha
räumt natürlich nicht ein, die Antworten nicht zu wissen, aber er beantwortet
die Fragen auch nicht.
Habe
ich je zu euch gesagt: „Komm, führe das religiöse Leben unter meiner Leitung,
und ich werde dir diese Punkte erklären?“ Oder hast du zu mir gesagt: „Ich
werde das religiöse Leben unter deiner Führung aufnehmen, wenn du mir diese
Fragen beantwortest?“
Malunkyaputta
gibt zu, dass der Buddha ihm nichts Derartiges versprochen habe, und auch er
selbst habe seine Annahme der buddhistischen Regeln nicht an irgendwelche
Bedingungen geknüpft. Und der Buddha fährt fort:
Wer
auch immer sagen mag: „Ich werde das religiöse Leben unter dem Buddha nicht
eher aufnehmen, als bis der Buddha all diese Punkte erklärt hat.“ Jeder, der
dies sagt, wird eher sterben, als dass ich ihm diese Punkte erklären würde.
Die
Menschen leiden unter tatsächlichen Schmerzen, welche geheilt werden wollen. Sie
sind vergiftet vom Verlangen, und Verlangen schafft die Voraussetzungen für
weitere Geburten und neues Leiden: Verlangen muss zerstört werden.
Es
ist so, als ob dieser Mensch von einem vergifteten Pfeil getroffen wäre, und dieser
Mann würde nun sagen: „Ich will nicht, dass dieser Pfeil entfernt wird, bevor
ich nicht weiß, wer der Mann, der ihn auf mich geschossen hat, ist, ob er zur
Kriegerkaste gehört oder nicht ..., bevor ich nicht seinen Namen kenne, seinen
Klan, seine Statur, seine Gesichtsfarbe; bevor ich weiß, um was für einen Bogen
es sich gehandelt hat, um was für eine Bogensehne.“ Dieser Mann würde sterben,
bevor er alles in Erfahrung gebracht hätte.
So
wie die Kenntnis all dieser Umstände nichts mit dem Entfernen des tödlichen
Pfeils zu tun hat, so auch ist das Wissen all jener metaphysischen Aspekte
gänzlich ohne Belang für die Lehre, welche Leiden und Verlangen beseitigt, die
Lehre von der Heiligkeit:
Das
religiöse Leben basiert nicht auf dem Dogma, dass die Seele und der Körper
identisch sind, auf dem Dogma, dass die Seele das eine ist und der Körper das andere;
auf dem Dogma, dass ein Heiliger nach dem Tod weiterexistiert oder nicht, oder
sowohl weiterexistiert als auch nicht weiterexistiert, oder weder existiert noch
nicht existiert. Egal, ob dieses oder jenes Dogma wahr ist, es bleiben dennoch
Geburt, Alter und Tod, für deren Vernichtung ich die Unterweisungen gegeben
habe ... Was ich nicht geklärt habe, soll ungeklärt bleiben.
So
sprach Sakyamuni.
Diese
„agnostischen“ Äußerungen sind höchst erstaunlich. Welche Meinung auch immer
ein Buddhist hinsichtlich des Schicksals eines Heiligen haben mag, diese
Meinung ist ein Hindernis für die Glückseligkeit, die Loslösung, die Heiligkeit
und damit für Nirwana selbst.
Wenn
Nirwana ein glücklicher Zustand wäre, würde der Mönch nach Nirwana streben wie
nach einem Paradies, und er würde es demgemäß verfehlen: Er würde beim Tod eine
Art von Paradies erreichen, ein erfreuliches aber vergängliches Paradies. Wenn
Nirwana Vernichtung wäre, würde Nirwana ebenfalls Verlangen oder Widerwillen
hervorrufen: In beiden Fällen ist Heiligkeit dadurch unmöglich. Angst bzw.
Spekulationen bezüglich des Lebens nach dem Tod (antagrahaparamarsa) ist eine der fünf ketzerischen Sichtweisen.
Darum „soll ungeklärt bleiben, was nicht von Sakyamuni geklärt wurde“. Ein
Mönch wird Heiligkeit und Nirwana erreichen, ohne zu wissen, was Nirwana ist,
und aus genau diesem Grund, infolge seiner Unkenntnis, bleibt er frei von dem
Verlangen nach Existenz (bhavatrsna),
frei von dem Verlangen nach Nicht-Existenz (vibhavatrsna):
„Ich verlange nicht nach dem Leben; ich verlange nicht nach dem Tod.“
Wir glauben, dass die zutreffendste und höchste
autoritative Bestimmung des Nirwana nicht Vernichtung ist, sondern „unbestimmte
Befreiung“, eine Befreiung, von der wir nicht das Recht haben, irgendetwas
auszusagen.
Louis de la Vallée-Poussin: Der Weg zum Nirwana.
Sechs Vorträge zum frühen Buddhismus als eine Erlösungslehre.
Aus dem Englischen von Julian Braun.
Aus dem Englischen von Julian Braun.
144 Seiten. Paperback. 15 €. ISBN: 978-3-943839-39-5.
Nirvana ist von Anfang an im Überfluss da, in jedem von uns.
AntwortenLöschenDie Farbeimer sind voll, der Pinsel des Lebens taucht mal in das Bunt, mal in das Schwarz, mal in das Weiß.
Manche Menschen verirren sich in ihren Mischungen und sie leuchten nie wieder, und da kann der Buddha helfen.
Es ist eine praktische Medizin, nicht jeder Mensch hat diese nötig.
Ich spreche da von mir und vielen anderen, die ich auf dem Weg kennenlernte.
Metaphysische Betrachtungen sind u. a. in den slawisch-arisch-indischen Veden zu finden,
wenn man sich für diese Gebiete interessiert.
"Verlangen muss zerstört werden."
Solange dies nicht zum Verlangen wird.
An diesem selbstreferentiellen Dualismus
wird sichtbar, dass letztlich derjenige am kränkesten ist,
der am längsten Buddha ist.
Nur ein Narr würde eine wirkende Medizin, die ihm mal aus der Scheiße half, einem anderen nicht zutragen.
Wer weiß welche Scheißefässer das Leben noch bereithält für ein' selbst?
Ha, ha, ha.
Big Dharma Wheels Keep On Turning,
Proud Mary Keep On Burning :-)
Rolling on the river ...
Löschen"Malunkyaputta"...ohne mutige Fragen, - keine befreiende Antwort.
AntwortenLöschenWer Antwort ist, - der braucht sich nicht um die einzige, entscheidende, Frage zu sorgen. Sie beantwortet sich von Selbst.