Im Jahr 1900 fand man in den Mogao-Höhlen nahe
der Oase von Dunhuang das Lidai fabao ji, die „Aufzeichnungen des Dharma-Juwels über
Generationen hinweg“, das vor allem vom Chan-Meister Wuzhu (714-774) handelt
und wohl einige Jahre nach seinem Tod verfasst wurde. Wuzhus Schule der Bao
Tang („Schützt die Tang-Dynastie“) war in der Provinz Sichuan beheimatet.
Trotz einiger traditioneller Züge fällt Wuzhus Lehre durch fortschrittliche
Eigenarten auf, etwa seine „formlose Übung“ (die zugleich den Fortbestand seiner
Schule erschwerte) und die Würdigung von weiblichen Praktizierenden. Folglich
wurde er von etlichen Chan-Zeitgenossen attackiert und seine Nachfolge des koreanischen Meisters Wuxiang angezweifelt. Wendi L. Adamek hat dem Meister mit The Teachings of Master Wuzhu. Zen and
Religion of No-Religion (New York 2011) eine ausführliche Arbeit gewidmet.
***
Meister Kim [Laienname von Wuxiang] benutzte gern Worte aus dem Nirwana-Sutra: „Der
Haushund entspricht dem täuschenden Denken, das Rotwild der Buddha-Natur.“ Er
sagte auch: „Nicht-Denken ist das vollständige Erfüllen von sila, samâdhi und
prajnâ.“
Meister Tang fragte mich, mit was ich mich auf dem Berg
Tiangu beschäftige. Ich antwortete: ‚Ich tue nichts, ich bin nur versunken und
vergesslich.‘ Da sagte Meister Tang erfreut: ‚Du bist vergesslich, und auch ich
bin vergesslich!‘
Betrachtet den direkt erfassenden Geist als bodhimanda (den
Ort der Übung). Betrachtet das Bestreben zu üben als bodhimanda. Betrachtet den
tiefgründigen Geist als bodhimanda. Betrachtet das Unbefleckte als bodhimanda.
Betrachtet Nicht-Ergreifen als bodhimanda. Betrachtet Nicht-Ablehnen als
bodhimanda. Betrachtet Nicht-Handeln als upâya. Betrachtet die Weite als upâya.
Betrachtet Gleichmut als upâya. Betrachtet das Überschreiten von Kennzeichen
als Feuer und die Befreiung als Weihrauch. Betrachtet Nicht-Widerstehen als
Reue. Betrachtet Nicht-Denken als Vorschriften, Nicht-Handeln und Nichtszuerlangen
als Meditation, Nichtdualität als Weisheit. Die künstlichen Rituale aber seht
nicht als bodhimanda an.
Sich nicht der Geburt fügend, unabhängig von Stille, ohne in
samâdhi einzutreten, ohne in sitzender Meditation zu verweilen, ist da
Nicht-Geburt und Nicht-Übung und der Geist kennt weder Verlust noch Gewinn.
Wie es im Dhammapada heißt: Wenn du den Dharma des ‚guten
Bestrebens‘ predigst, dann tust du dies aus Selbsttäuschung. Ohne
Selbsttäuschung gibt es kein ‚gut‘ oder ‚gutes Bestreben‘. Kannst du den Geist
ohne Täuschung erfahren, dann kennt wahres gutes Bestreben keine Grenzen.
Yijing fragte den Ehrwürdigen: „Chan-Meister, wie erzeugt
ihr Sitzmeditation (zuochan)?“ Wuzhu erwiderte: „Nicht erzeugen ist Chan.“
Absichtslosigkeit ist der Weg, Nicht-Besinnen ist Chan.
Weder ergriffen noch abgewiesen, kommen die Dinge an und sind doch nicht
erzeugt.
Im Fangguang jing heißt es: „Wenn ein einziger Gedanke das
samâdhi stört, ist das, als würden dreitausend mit Menschen angefüllte Welten
zerstört. Wenn ein einziger Gedanke im samâdhi ist, ist das, als würden
dreitausend mit Menschen angefüllte Wesen belebt.“
Im Vimalakirti-Sutra heißt es: „Der Geist weilt nicht innen
und existiert auch nicht außen – dies nennt man stilles Sitzen. Wer so sitzen
kann, wird von den Buddhas authorisiert.“
Man erklärt das Nirwana für sich selbst als gültig. Haltet
euch nicht an die unvollständige Lehre des Tathâgata. Zum eigenen Verständnis
zurückkehrend, regt Selbsterwachen die Übung an. Die Buddhas bestätigen einen
solchen Menschen als einen, der wahres samâdhi erlangt hat.
Beim Lernen wächst jeder Tag um Tag, beim Üben des Weges
schrumpft er Tag für Tag. Es mindernd und immer mehr mindernd, gelangt einer
schließlich zum Nicht-Handeln.
Wenn kein karmischer Lohn gesucht wird, dann tritt er von
selbst ein.
Werden keine täuschenden Gedanken gehegt, dann sind die
Vinaya-Vorschriften erfüllt. Es wäre besser, man zerstörte die sila, aber
nicht das wahre Sehen. Sila verursachen Wiedergeburt im Himmel und führen zu
mehr karmischen Fesseln, während wahres Sehen Nirwana erlangt.
Meister Zizai sagte: „Inmitten von Reinheit ohne die Kennzeichen
von Reinheit zu sein, das ist die wahre Reinheit der Buddha-Natur.“
Prajnaparamita ist Wirklichkeit und nicht Leere.
Namaste!
AntwortenLöschenLänger nicht mehr so berührt worden von den "Alten Buddhas"!
Meinen aufrichtigen Dank!
< gasshô >
Benkei
Hatte letztens ne Diskussion im butterland zum Thema Daoismus und Buddhismus, wo ich so den Eindruck hatte, da es für nen Zennie dort Daoismus so das Hinterletzte ist.
AntwortenLöschenDaher find ich es amüsant, daß Wuzhu hier Laozi wohl wörtlich übernimmt.
"Beim Lernen wächst jeder Tag um Tag, beim Üben des Weges schrumpft er Tag für Tag. Es mindernd und immer mehr mindernd, gelangt einer schließlich zum Nicht-Handeln."
Ja, richtig, im frühen Chan finden sich verständlicherweise Einflüsse des Taoismus.
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