1980 erschien in London Takashi James Koderas Studie Dogen’s formative years in China. Auch wenn für Teile davon neuere Erkenntnisse vorliegen, will ich einige Punkte Koderas widergeben. So weist er darauf hin, dass Dôgen in China zunächst bei Lehrern der Lin-chi (Rinzai-)Tradition lernte und von diesen sogar die Empfehlung stammte, den „authentischen Lehrer“ Ju-ching aus der Ts’ao-tung (Sôtô)-Schule aufzusuchen, der tatsächlich vom Lin-chi-Meister Wu-chi Liao-p’ai als Abt auf dem T’ien-t’ung-Berg eingesetzt worden war. Sowohl Ju-chings als Dôgens Kritik an der Lin-chi-Schule erscheinen so m. E. in einem anderen Licht.
Koderas Werk bezieht sich auf Dôgens Hôkyô-ki, für das ich gerade eine Übersetzung vorlegte. Kodera ist bewusst, dass wir uns bei vielem, was wir von Ju-ching erfahren, auf Dôgen als Quelle stützen müssen. Ju-ching glaubte, dass der wahre Dharma nur in sein Kloster übertragen worden sei (S. 60) und dass entschlossene Buddhisten bei längeren Sitzmeditationen auch mehr Freude (greater enjoyment) an ihrer Übung hätten (S. 60). Dôgen schreibt Ju-ching die Lehre vom „Fallenlassen von Körper und Geist“ zu und sagt, er habe die Übertragung von Angesicht zu Angesicht infolge dieses Loslassens (für manche auch „Abwerfen“) erhalten. Da Dôgen nicht genauer von seiner eigenen Erleuchtung berichtet, sind wir hier auf andere Dokumente wie das Kenzeiki angewiesen. Hiernach soll Dôgen erwacht sein (taigo), als Ju-ching einen neben ihm eingeschlafenen Schüler laut tadelte und auf die Notwendigkeit des Loslassens von Körper und Geist verwies (S. 61). Allerdings ist der jap. Ausdruck dafür (shinjin datsuraku) nur von Dôgen überliefert. In Ju-chings Worten (Ju-ching ho-shang yü-lu) heißt das: „den Staub vom Geist fallenlassen“. Das klingt zwar auf Japanisch gleich, im Chinesischen jedoch heißt es bei Ju-ching hsin-ch’en t’o-lo (statt shen-hsin t’o-lo in Dôgens Deutung). In diesem Fall ist m.E. interessant, dass Ju-chings Metapher an die von Hui-nengs Gegenspieler Shenhsiu erinnert, der ja noch meinte, der (Geist)Spiegel müsse entstaubt werden. Tatsächlich klingt auch Ju-chings Sterbegedicht etwas unreif: „Die Sünden, die ich 66 Jahre meines Lebens begangen habe, erfüllen das Universum: Während ich mich dafür geißele, falle ich lebendig in die Hölle.“ Dôgen greift diese Selbstgeißelung zum Zwecke des Abwerfens von Anhaftungen in seinem eigenen Sterbegedicht auf, sieht sich ebenfalls lebendig in die Hölle fallen, erkennt aber immerhin, dass es kein Selbst zu suchen gebe.
Koderas Werk bezieht sich auf Dôgens Hôkyô-ki, für das ich gerade eine Übersetzung vorlegte. Kodera ist bewusst, dass wir uns bei vielem, was wir von Ju-ching erfahren, auf Dôgen als Quelle stützen müssen. Ju-ching glaubte, dass der wahre Dharma nur in sein Kloster übertragen worden sei (S. 60) und dass entschlossene Buddhisten bei längeren Sitzmeditationen auch mehr Freude (greater enjoyment) an ihrer Übung hätten (S. 60). Dôgen schreibt Ju-ching die Lehre vom „Fallenlassen von Körper und Geist“ zu und sagt, er habe die Übertragung von Angesicht zu Angesicht infolge dieses Loslassens (für manche auch „Abwerfen“) erhalten. Da Dôgen nicht genauer von seiner eigenen Erleuchtung berichtet, sind wir hier auf andere Dokumente wie das Kenzeiki angewiesen. Hiernach soll Dôgen erwacht sein (taigo), als Ju-ching einen neben ihm eingeschlafenen Schüler laut tadelte und auf die Notwendigkeit des Loslassens von Körper und Geist verwies (S. 61). Allerdings ist der jap. Ausdruck dafür (shinjin datsuraku) nur von Dôgen überliefert. In Ju-chings Worten (Ju-ching ho-shang yü-lu) heißt das: „den Staub vom Geist fallenlassen“. Das klingt zwar auf Japanisch gleich, im Chinesischen jedoch heißt es bei Ju-ching hsin-ch’en t’o-lo (statt shen-hsin t’o-lo in Dôgens Deutung). In diesem Fall ist m.E. interessant, dass Ju-chings Metapher an die von Hui-nengs Gegenspieler Shenhsiu erinnert, der ja noch meinte, der (Geist)Spiegel müsse entstaubt werden. Tatsächlich klingt auch Ju-chings Sterbegedicht etwas unreif: „Die Sünden, die ich 66 Jahre meines Lebens begangen habe, erfüllen das Universum: Während ich mich dafür geißele, falle ich lebendig in die Hölle.“ Dôgen greift diese Selbstgeißelung zum Zwecke des Abwerfens von Anhaftungen in seinem eigenen Sterbegedicht auf, sieht sich ebenfalls lebendig in die Hölle fallen, erkennt aber immerhin, dass es kein Selbst zu suchen gebe.
Ein zentraler Punkt von Dôgens Lehre beruht auf einer Uminterpretation des Satzes aus dem Mahaparinirwana-Sutra (MPNS), nachdem alle fühlenden Wesen die Buddha-Natur besitzen und der Tathâgata ewig und unwandelbar sei. Ob Dôgen möglicherweise die chinesische Grammatik nur missverstand und darum zum Schluss kam, dass alle fühlenden Wesen die Buddha-Natur sind und diese bzw. der Tathâgata weder existent noch nicht-existent, aber wandelbar sei, muss in meinen Augen offen bleiben. (S. 62f.). Zumindest lässt sich so erklären, warum viele Dôgen-Anhänger ein Problem mit jener Lesart des MPNS haben, die die Buddha-Natur als ewig und rein ansieht, während Dôgen den Aspekt des Entstehens und Vergehens in der Welt betont.
Wichtig war für Dôgen neben dem Empfang der Bodhisattva-Gelübde ein explizites Übertragungsdokument. Nachdem er einige Originale selbst in Augenschein genommen hatte, schien er mehr und mehr besessen davon und steigerte sich in die Behauptung, dass nur einer unter hunderttausend Äbten (!) das Übertragungsdokument der Nachfolge kenne (S. 72f.). Dabei teilte er Ju-chings Meinung, dass selbst Shakyamuni Buddha die Lehre von einem anderen Buddha empfangen habe. Auch diese Position führt m. E. zu Widersprüchen nicht nur mit der Überlieferung im Pali-Kanon, sondern auch mit dem in der Zen-Geschichte bekannten Phänomen erwachter Lehrer, die keinerlei „dokumentierte“ Vorfahren haben. Einen davon, Dainichibô Nônin, kritisierte Dôgen scharf, obwohl er nachträglich ein Übertragungssiegel von Ta-hui in China bekommen hatte. Dainichbôs Schüler waren wohl deshalb in großer Zahl zu Dôgen gekommen, weil sie wussten, dass dieser selbst bei Ta-huis Schülern gewesen war. Nun aber hörten sie von ihm, dass nur Ju-chings Schule authentisch sei. Schließlich wurden für Dôgen auch andere Insignien der Nachfolge wichtig, etwa die Dharma-Robe Ju-chings, die er vor seiner Rückreise nach Japan erhalten haben soll – obwohl Ju-ching selbst sich weigerte, eine solche zu tragen, und auf die Lumpenkleidung verwies, die traditionell für Mönche angedacht war.
Auch gegen den Synkretismus soll sich Ju-ching ausgesprochen haben. Eine Vermischung des Zen mit Konfuzianismus und Taoismus kam für ihn wohl nicht in Frage. Eine solche ist m. E. noch beim 6. Patriarchen Huineng nicht von der Hand zu weisen, erst recht nicht bei Bodhidharma und seinem Umfeld und den von ihnen hinterlassenen Texten. Weitere Widersprüche mit anders gewachsenen Chan- und Zen-Traditionen sind damit vorprogrammiert. Ju-ching soll sich gar gegen die Bezeichnung „Chan-Schule“ für den großen Weg der Buddhas und Patriarchen gewehrt haben. Darauf geht das Insistieren vieler Dôgen-Anhänger auf den Gleichklang von Meditation, Weisheit und Ethik zurück.
Hier ein paar angebliche Zitate Ju-chings aus dem Hôkyô-ki, denen es nicht an einer gewissen Arroganz des Sprechers mangelt und die ein Festhalten sowohl am Inkarnationsglauben wie auch an der Wirkung des Karma über verschiedene Existenzen belegen - Kennzeichen, die sich dann auch in Dôgens Shôbôgenzô wiederfinden:
"Heute ist Ju-ching die vollständige Schatzkammer des Buddha-Dharma, und keiner in den unbegrenzten Chilikosmen kommt ihm gleich."
„Was Ch’ang-sha sagte, ist letztlich nicht richtig. Er hatte noch nicht erkannt, dass Karma in den drei Zeitaltern wirkt.“
"Falls sie behaupteten, es gäbe keine nächste Inkarnation, würden sie tatsächlich eine nihilistische Irrlehre verbreiten. Die Buddhas und Patriarchen begründeten zum Wohle der Menschen eine Lehre ohne solche Irrtümer. Gäbe es keine nächste Fleischwerdung, dann auch keine gegenwärtige. Doch die gegenwärtige Inkarnation besteht bereits, wie könnte es also keine folgende geben?"
Hier ein paar angebliche Zitate Ju-chings aus dem Hôkyô-ki, denen es nicht an einer gewissen Arroganz des Sprechers mangelt und die ein Festhalten sowohl am Inkarnationsglauben wie auch an der Wirkung des Karma über verschiedene Existenzen belegen - Kennzeichen, die sich dann auch in Dôgens Shôbôgenzô wiederfinden:
"Heute ist Ju-ching die vollständige Schatzkammer des Buddha-Dharma, und keiner in den unbegrenzten Chilikosmen kommt ihm gleich."
„Was Ch’ang-sha sagte, ist letztlich nicht richtig. Er hatte noch nicht erkannt, dass Karma in den drei Zeitaltern wirkt.“
"Falls sie behaupteten, es gäbe keine nächste Inkarnation, würden sie tatsächlich eine nihilistische Irrlehre verbreiten. Die Buddhas und Patriarchen begründeten zum Wohle der Menschen eine Lehre ohne solche Irrtümer. Gäbe es keine nächste Fleischwerdung, dann auch keine gegenwärtige. Doch die gegenwärtige Inkarnation besteht bereits, wie könnte es also keine folgende geben?"
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