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Der chinesische Meister Zibo Zhenke (1543-1604)


Wenn du den (Buddha-)Geist nicht entdecken kannst, 
führt Zazen nur zu weiterem karmischen Leid.
Hältst du jedoch Achtsamkeit aufrecht,
ist selbst das Schmähen von Buddhas noch wahre Praxis.“ 

Zibo (Daguan) Zhenke (jap. Takkan Shinka, 1543-1604), der „alte Wasserbüffel, der die Leere abschneidet“ (Selbstbeschreibung), ist ein hierzulande kaum bekannter Chan-Meister aus der Ming-Dynastie[1]. Nach umfangreichen Lehrreisen quer durch China wurde er wegen seiner Kritik am korrupten Herrscherhaus hingerichtet. Biografische Angaben zu seinem Leben lieferten vor allem sein Freund Hanshan Deqing (1546-1623)[2] auf einer Stupa-Inschrift (1616) und Zibos Schüler Lu Fu und Yong Dong. 
   Hier sind Auszüge aus seiner Lehre. Der gesamte 20-seitige Text inklusive biografischer Anmerkungen steht kostenlos zum Download bereit und ist ein kleines Dankeschön an die Leser zum 20-jährigen Bestehen des Angkor Verlags.

***

Wenn die Praxis der Konzentration und Weisheit verwirklicht wird, dann findet man gerade in der sinnlichen Bedrängnis Befreiung, und genau im emotionalen Bewusstsein das Licht der Weisheit. Darum heißt es im Vimalakîrti-Sutra: „Wer guten Gebrauch von seinem Geist macht, für den sind die 84.000 Kümmernisse 84.000 samâdhi (meditative Versenkungen).“

Wenn man einen Geist erzeugt, der nicht auf den Objekten basiert, dann strahlt er ohne Bedingtheit, dann sind Gefühle von innen und außen entleert; auf diese Weise wird die Natur der Wirklichkeit wiedererlangt. Wer die Dinge so wenden kann, für den werden sie zu Eingangstoren. Gefühle werden leer, ohne dass man sie vertreiben müsste.
   Durchdringen und Behindertsein, Ruhe und Bewegung werden zurückgelassen, und Duft und Geschmack sind wie Parfüm inmitten von Scheiße, oder wie Feuer im Eis. Wenn Freude und Loslassen, Geburt und Verlöschen getilgt sind, dann sind auch Erleuchtung und Unterscheidung nur Namen ohne Substanz. 

Es gibt drei Arten des stillen Sitzens: ein niederrangiges, ein gleichmütiges und ein kräftenährendes.
   Beim niederrangigen Sitzen kann man nur die Zunge an den Gaumen drücken, die Zähne aufeinanderpressen und mit verschränkten Händen und aufrechter Wirbelsäule sitzen, ohne zur Seite zu neigen. Hierbei dominiert der Glaube, man rezitiert Verse, Buddha-Namen und Mantras. Den Glücklicheren wird dabei der Schutz eines strengen Lehrers zuteil, die anderen bekommen Hilfe von ihren Glaubensbrüdern.
   Gleichmütiges Sitzen will Sinnesorgane, Sinnesobjekte und das Sinnesbewusstsein durchdringen, bis keine Zweifel mehr da sind. Beim Sitzen wird der Körper wie Wolken und Schatten und der Geist wie der Wind in einem Netz angesehen. Entschlossenes Sitzen vertreibt so Zerstreuung und schmerzhafte Erregung, so dass man mehrere Tage ohne Essen und Trinken praktizieren kann, dabei aber keine Energie einbüßt.
   Kräftenährendes Sitzen will zum ursprünglichen Buddha-Geist durchdringen. Dabei können die Erleuchtungsgeschichten der alten Meister helfen, die Gedanken zu beruhigen und in einen unwandelbaren Zustand einzutreten. Anfangs herrscht noch bedrückender Ärger vor, dann werden die Vorstellungen von selbst und anderen, heilig und gewöhnlich überwunden. In wenigen Minuten durchquert man so Äonen, ohne dies zu beabsichtigen, und alle Zeit und aller Raum werden zu einem einzigen Meditationspunkt, der sich endlos vor einem ausdehnt, bis plötzlich der Geistgrund aufbricht. Doch du brichst darüber nicht in Freudentaumel aus, denn du begegnest nur dem, was du zuvor schon hattest, was sollte daran also Besonderes sein? 

Bevor die Buddhas aufkamen, also noch vor dem Urbuddha, wer war da eigentlich der Lehrer? Es war das Leiden. Erst nach seiner Erleuchtung wurden ihm all die möglichen Ursachen fürs Erwachen anderer klar, und so haben die Buddhas fortan nicht nur Leiden, sondern auch Glückseligkeit und Tausende andere Umstände als geschickte Mittel eingesetzt. 

Im Wachzustand sieht jeder Form, wo Form ist, und nicht da, wo sie nicht ist. Im Traum sieht jeder Form, wo sie nicht ist, aber nicht da, wo sie ist. Wer den Weg beschreitet, nimmt die Tatsache, dass man im Traum Form sehen kann, wo keine ist, als Beleg dafür, dass auch im Wachzustand dort, wo Form gesehen wird, keine wirkliche Form ist. 

Die ersten fünf Bewusstseinsarten (der Sinne) sind eine einzige Achtsamkeit, erst die sechste (des Denkens) lässt Unterscheidung aufflammen. Welcher Fehler kann also in den Sinneswahrnehmungen von Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Fühlen liegen?

Gewöhnliche Menschen werden von Begierde verzehrt. Die Weisen aber verzehren Begierde. Sie sind inmitten von Begierde begierdelos. In ihren Alltagskörpern erfahren sie den Buddha-Körper.
 


 Über die Küche 

Der Buddha sagte: „Der Ort im Tempel, wo die Essensspenden für Buddha, Dharma und Sangha zubereitet werden, wird ‚Küche des angesammelten Duftes‘ genannt. Wenn diejenigen, die das Essen zubereiten, die drei Tugenden nicht verstehen oder zwischen den sechs Geschmäckern wertend unterscheiden, und wenn ihr Karma von Körper, Geist und Rede unrein ist, dann sollte man jedoch besser von einer ‚Küche angesammelten Drecks‘ sprechen.“
   Wie lauten diese drei Tugenden? Es sind Reinheit, Sanftmut und das Befolgen der Regeln. Wie lauten die sechs Geschmäcker? Es sind einfach, salzig, würzig, sauer, süß und bitter. Wenn die Nahrung, die Buddha und der Sangha angeboten wird, unrein ist und Fleisch oder Fisch enthält, dann wird die Tugend der Reinheit eingebüßt; wenn das Essen unangenehm und beißend schmeckt, geht die Tugend der Sanftmut verloren; wenn es nicht hinreichend und sorgfältig zubereitet und nicht zur rechten Zeit fertig ist und wenn es nicht vorher abgeschmeckt wurde, dann kommt die Tugend des Befolgens der Regeln abhanden. Werden diese drei Tugenden nicht harmonisch mit den sechs Geschmäckern verbunden, sind sie verloren.
   Der einfache Geschmack ist die Essenz von allen. Der salzige ist von Natur aus feucht und kann Muskeln und Haut Feuchtigkeit verleihen, weswegen man beim Mischen von Aromen mit Salz beginnen sollte. Der würzige Geschmack ist von Natur aus heiß und kann die Kühle der inneren Organe erwärmen; darum nennt man auch das Aroma von Pfeffern scharf. Der saure Geschmack ist von Natur aus kühlend und kann die nachteiligen Wirkungen anderer Würzen mindern; darum nennt man das Aroma von Essig sauer. Der süße Geschmack ist von Natur aus sanft, und er kann schonend auf Magen und Milz wirken; darum nennt man das Aroma von Zucker süß. Der bittere Geschmack ist von Natur aus kalt und kann die Hitze innerer Organe reduzieren.
   Da ihr nun die drei Tugenden und sechs Geschmäcker untersucht und versteht, wieso diese Tugenden und diese Geschmäcker ebensolche sind, und da ihr keine Konzepte von selbst und anderen, fühlenden Wesen und Langlebigkeit aufrecht erhaltet, setzt nun auch eure sechs Sinnesorgane und vier Gliedmaßen sorgfältig und geschickt ein, um das Essen zuzubereiten, dass Buddha und der Sangha dargebracht wird. So erlangt ihr Verdienst, das sogar größer ist als von einem, der endlose Zeitalter lang das Universum mit den sieben Schätzen anfüllte, ohne dabei je geizig oder erschöpft zu sein.
   Warum ist dies so? Wenn es nicht an den drei Tugenden und sechs Geschmäckern mangelt und ein Buddha oder Ordinierter solche Nahrung zu sich nimmt, ist das, als würde er Sandelholz riechen oder süßen Tau schmecken. Die fünf inneren Organe werden im Einklang sein, die Haut weich, der Körper behaglich und der Geist in Frieden, nach außen wird man mit körperlicher Stärke, nach innen mit geistiger Kraft ausgestattet sein. Dies macht einen gesunden Körper aus, mit dem man auf dem Weg voranschreiten, und einen ungestörten Geist, mit dem man die Weisheit der Versenkung leicht erlangen kann. Wird das Essen nicht gemäß dieser Regel vorbereitet, dann erkrankt der Körper, und der Geist ist von Ängsten erfüllt; so wird es unmöglich, zur Erleuchtung zu gelangen.
   Das Schicksal derjenigen, die den Weg praktizieren, ist untrennbar mit den in der Küche Tätigen verbunden. Deshalb nennt man Köche, die sich der drei Tugenden nicht bewusst sind und denen es an der Präzision beim Umgang mit den sechs Geschmäckern mangelt, die ‚Ochsenkopf-Folterer aus der Hölle‘. Die anderen Köche, die Tugenden und Geschmäcker begreifen und ihre Sinne und Glieder einsetzen, ohne an selbst und andere, fühlende Wesen und Langlebigkeit zu denken, werden mitempfindende Bodhisattvas genannt. Darum heißt es auch: „Die dreitausend Buddhas wurden alle in der Küche erschaffen.“
   Wenn einer stets gierig ist und die Tugendhaften nicht respektiert, wird er als hungriger Geist in der Hölle wiederkehren; wer verschwenderisch ist und zukünftige Schwierigkeiten nicht bedenkt, wird in Armut wiedergeboren. Wer jedoch Essen mit sechs unkontrollierten Sinnen, vier schmutzigen Gliedmaßen und neun ungezügelten  Körperöffnungen zubereitet, der wird als Made oder Bettwanze wiederkommen.

   Das Obige gründet auf Buddhas Worten. Wer das liest, soll ein Gefühl von Scham entwickeln, es mit Respekt praktizieren, so seine Unwissenheit überwinden und Weisheit gewinnen, seine Missetaten verringern und Verdienst, Geistesfrieden und Wohlbefinden erlangen. Wer sich an diese Regel hält, wird den höchsten Weg erreichen und zum Bodhisattva werden. Buddhas Worte sind wahr. Ein Kind Buddhas kann in der Küche den Buddha-Geist erlangen und vom Leiden befreit werden.

Bildquelle oben: terebess.hu


[1] Im Angkor Verlag erschienen bereits Zibo Zhenke: Kuhmist vom Landhaus zur Hohen Kiefer (Kindle Ebook), gedruckt in: Meister des Zen (2015), auf einer anderem Text Zibos basierend, und 
[2] Hanshan Deqing: Reise ins Traumland (2017).



A Zen Life - nicht ganz vollständige Doku über D. T. Suzuki (1870-1966).

Kommentare

  1. Danke für den Text, danke für die Bücher, danke für die informativen Texte.

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  2. Hallo GiDo kennst du diese Seite (auch) schon?

    http://chinaknowledge.de/index.html

    Gutes gelingen auch im neuen Jahr wünsche ich Dir

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