Direkt zum Hauptbereich

Verschiedene Ansätze zur Kôan-Übung im koreanischen Zen (Seon)

Der im Westen wohl bekannteste Lehrer des koreanischen Zen (Seon), Seung Sahn, adaptierte eine japanische Methode des Kôan(gong’an)-Studiums mit dokusan, privaten Einzelgesprächen, und dem Abarbeiten zahlreicher Kôan. In Korea konzentriert man sich traditionell auf die entscheidende Phrase eines gong’an, das hwadu (chin. huatou), und es finden nur selten Zwiegespräche mit dem Lehrer statt, der die Erleuchtungserfahrung seiner Schüler eher nach dem beurteilt, was dieser vorausging, nicht nach dem, was aus ihr folgt. Laut einem von Koreas angesehensten Lehrer, Songdam sunim (geb. 1929), ist das entscheidende bei der Arbeit mit dem hwadu der Zweifel und das Beobachten des Zweifels an diesem hwadu, bis dieser Zweifel so stark wird, dass er „das ganze Universum erfüllt“. Es gehe nicht, wie im Rinzai, um das Einswerden mit dem Kôan (jap. narikiru) oder um eine passende Antwort darauf. Als Meditationstechnik empfiehlt Songdam sunim die Atemtechnik durch den Unterleib (kor. danjeon) und das Zählen der Atemzüge (kor. susikgwan). Danach wird dem Schüler das hwadu „Was ist es?“ gegeben: „Nach dem tiefen Einatmen wird der Atem etwa drei Sekunden lang angehalten und beim Ausatmen fragt man sich: ‚Was ist es?‘“ Allmählich wird diese Frage nur noch alle paar Atemzüge gestellt, während die ganze Zeit über auch bei Alltagstätigkeiten der Zweifel im Bewusstsein bleiben soll. Schließlich wird das hwadu ohne bewusste Anstrengung und selbst im Traum erwogen. Der eigentliche Durchbruch sei dann plötzlicher Natur.


Seongcheol sunim (1912-1993) war für seinen asketischen Lebensstil und das rigorose Training seiner Schüler bekannt und wurde 1981 zum Patriarchen (kor. Jongjeong) des Jogye-Ordens ernannt. Seine Wirkungsstätte war Haein-sa. Er sah nicht die Antwort auf das hwadu - etwa in der Art der Atmung -, sondern den Inhalt der Rezitation als entscheidend an. So könne das Wiederholen der Frage „Was ist es?“ den Geist auf äußere Objekte lenken, weshalb es besser sei, zu fragen: „Was ist dies, das weder Geist, Buddha noch ein materielles Ding darstellt?“ Die Wortwahl würde hier den rechten Zweifel erzeugen oder aber ggf. in die Irre führen. Wer in sich nach einem „es“ suche, obwohl dies nicht der Geist sei, könne in einen quitestischen samâdhi-Zustand verfallen, dem es an der nötigen Wachsamkeit (kor. seongseong) mangele, um Zweifel zu erzeugen. Beim Meditieren über das hwadu mu solle ergänzt werden: „Warum mu?“, damit sich ein solches samâdhi nicht manifestiere. Dieses galt Seongcheol sunim als eines von drei Hindernissen, zusammen mit der Ansicht, man sei erleuchtet (ohne es zu sein) und dem Anhaften an den Körper in Form von Atemübungen. Die Fortschritte von Schülern testete er mithilfe der „drei Stufen des Kultivierens“ (kor. sandan suhaeng) oder „drei Schranken“ (kor. samgwan). die jedoch nicht drei „Nachfragen“ wie im japanischen Rinzai entsprachen. Sie sollten vielmehr klären, ob der Übende drei besondere Phasen vor seiner Erleuchtung durchlebt hatte. Die erste Frage Seongcheols lautete, ob der Praktizierende fortwährend über sein hwadu meditieren könne, unabhängig davon, ob er sich bewege oder still sitze (kor. dongjeong yilyeo). Die zweite Frage erhob, ob dies auch während des Träumens (kor. mongjung yilyeo) möglich, also kein Unterschied bei der Übung i, Wachen und Träumen vorhanden war. Wenn auch dies bejaht wurde, war die dritte Frage, ob auch im traumlosen Zustand des Schlafens konstant das hwadu erwogen wurde (kor. sukmyeon yilyeo). Wurden alle drei Fragen bejaht, war „die große Erleuchtung weiten Durchdringens“ (kor. hwakcheol dae-o) verwirklicht.

Subul sunim (geb. 1953) machte die hwadu-Praxis unter buddhistischen Laien populär. Sein ihm nach der Erleuchtung gegebener Name bedeutet: „nichts mehr zu kultivieren“. Sein Meditationszentrum wird jährlich von Tausenden aufgesucht, bei denen er den besagten Zweifel auslösen will, indem er sie lediglich nach einer Antwort auf die Frage eines gong’an suchen lässt, ohne dass sie die eigentliche Frage im Geiste wiederholen. Wie oder was jemand rezitiert, wird damit unwichtig; sobald Kontext und Frage des gong’an verstanden sind, gilt es nur noch nach der Antwort zu suchen. Dies kann sogar ohne vorheriges Beruhigen der Gedanken geschehen, inmitten von Täuschungen, die von selbst schwänden, sobald der Zweifel angeregt sei. Die hwadu-Praxis müsse „durch den gesamten Körper“ erfahren werden, und der Zweifel würde sich in gewissen körperlichen Gefühlen (kor. yijeong) zeigen, bis hin zu Erstickungsanfällen. Solche Erfahrungen vergleicht Subul mit klassischen Beschreibungen wie der „Begegnung mit dem Silberberg und der Eisenwand“ (kor. eusan cheolpyeok) und dem „Schlucken der dornigen Kastanienknolle“ (kor. yulgeukbong). Der Körper fühle sich durch die Verwandlung des Zweifels in einen „Zweifelsballen“ (kor. yidan) wie ein Gefängnis an und würde quasi versteifen, was tagelang anhalten könne. Wenn dies nicht mehr auszuhalten sei, geschehe der Durchbruch, der Körper fühle sich dann federleicht und erfrischt an, es sei, als würde man fliegen. Auch Subul überprüft dieses Zerbrechen des Zweifels anhand von Fragen bezüglich der vorausgegangenen Erfahrungen des Praktizierenden. (Diese für das koreanische Seon so wichtige Lehre vom Zweifel stützt sich im Übrigen auf ein Erlebnis des Chan-Meisters Gaofeng Yuanmiao (1238-1295), wie es im Gaofeng Yuanmiao Chanshi Chanyao überliefert ist.)
     
(Zusammengefasst aus Ryan Bongseok Joo: “Gradual Experiences of Sudden Enlightenment: The Varieties of Ganhwa Seon Teachings in Contemporary Korea”, in: Ganhwa Seon: Illuminating the World, Conference Proceedings. Seoul 2010)


Kommentare

  1. Beim anklicken des Meditatonszentrum-Link gibts eine Firefox-WHinweis "Warnung: Mögliches Sicherheitsrisiko erkannt" So lass ich meine Meditationfinger doch lieber in mir ruhen ;-)

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Das Sichten und Freischalten der Kommentare kann dauern.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Falscher "Shaolin-Mönch" aufgeflogen

Den aktuellen Artikel zu Shi Heng Yi (Tien Sy Vuong) findet Ihr hier.    Am Samstag, den 19.03.2011, ist in der Süddeutschen Zeitung ein größerer Artikel über den Fake-Abt (Shi Heng Zong alias Monroe Coulombe) des "Shaolin Temple Europe" erschienen - Seite 11: "Der Shaolin-Schwindel". Wir hatten bereits im Januar 2010 das Thema aufgegriffen. (Dank an Heino für den Tipp.)

The poser Shi Heng Yi alias Tien Sy Vuong / Der Blender Shi Heng Yi vom Shaolin Tempel Europe

(English version first, translated with DeepL - zunächst auf Englisch, unten auf Deutsch) Since last year, I have been improvising a series of YouTube posts that deal with a certain "Shi Heng Yi". You can find the playlist here . Back in 2011, I took a critical look at the "Shaolin Temple Europe" (later the newspaper SZ reported on it). The "Shaolin Temple Europe GmbH " of the same name is now headed by Shi Heng Yi, who is said to have a business degree (MBA), among other things. This man, whose real name is Tien Sy Vuong and whom I have so far described as German-Vietnamese, is trying hard to market himself in social and other media as a " Shaolin master of the 35th generation " and also offers online courses. In the meantime, two people have reported "threats" and warnings to me via Messenger and in a forum. In one case, a critical video was deleted and only uploaded again in abridged form, in which a former student of Shi Heng Yi (S

Die Kommerzialisierung der Shaolin

Am Samstag Abend lief unter "Spiegel TV" (d.h.: besserer Boulevardjournalismus) ein mehrstündiges Porträt über einen engagierten jungen Mann, der sich dem "Shaolin-Tempel" in Kaiserslautern angeschlossen hat. Sein Werdegang wurde über einen längeren Zeitraum verfolgt, Ausschnitte dieser Sendung hatte ich schon mal gesehen. Keine Frage, der junge Mann meinte es ernst und war sympathisch. Wie ein freundlicher, harmloser Herbergsvater kam dann sogar der Abt rüber, Shi Heng Zong genannt, oder auch: der Sitaigung. Da macht einen ja schon mal stutzig, dass ein bärtiger Deutscher nur noch mit chinesischen Namen tituliert wird. Dabei hat er die buddhistischen Essensgebete durchaus eingedeutscht, und auch die Aufnahmezeremonie des jungen Mannes als Mönch lief ganz verständlich und routiniert auf Deutsch ab. Man muss den Leuten hinter dem Tempel auch ihre Ehrlichkeit (oder Naivität?) lassen, mit der sie den Werdegang des Abtes beschreiben, den wir natürlich - bei seiner Le