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Kyong Ho (1849-1912): Die große Angelegenheit von Leben und Tod (Auszüge)

Kyong Ho (Gyeogheo) gilt als ein Begründer des modernen koreanischen Seon (Zen) und dessen 75. Patriarch. Nach einem Leben im Kloster, als Eremit und unter Laien zog er sich angeblich 1903 in ein Fischerdorf zurück, wo er arbeitete und Kinder unterrichtete. Ich übersetze hier einen gerafften Ausschnitt eines Textes, der mich amüsierte, weil er andeutet, wie man als Vogel oder Schmetterling wiedergeboren werden könnte (wäre das nicht schön?). Offenbar entgeht dem Meister hier der Dualismus, der einer Abwertung solcher Existenzformen zugrunde liegt (man beachte hierzu auch den letzten Absatz). Neben seinen offensichtlich brauchbaren Hinweisen zur Konzentration auf "Schlüsselfragen" ist er noch in der buddhistischen Kosmologie befangen - ein Phänomen, das man bis in unsere Zeit antrifft.

Kyong Hos Sterbegedicht ist so überliefert: 

"Das Mondlicht des klaren Geistes 
verschluckt die ganze Welt.
Wenn Geist und Licht verlöschen: 
Was ist dies?"
 
***
 
"Um Buddhaschaft zu erlangen, muss man seinen eigenen Geist entdecken, der bereits im eigenen Körper ist. Begreife, dass dein Körper nichts als ein Leichnam und die Welt nichts als ein Traum ist. Untersuche darum einfach nur zu allen Zeiten deinen Geist. Wie sieht das aus, was jetzt sieht, hört und denkt? Hat es eine Form oder nicht? Ist es groß oder klein, gelb oder grün, hell oder dunkel? Frage dich so selbst und erwecke Zweifel. Lasse damit bei deinen Alltagshandlungen nicht nach. 

Wenn jemand erwacht ist, muss er weder leben noch sterben und sein Leiden hat ein Ende. Diese Worte gilt es sorgsam zu bedenken. Meister Kwon meditierte von morgens bis abends; sobald die Sonne unterging, schlug er mit der Faust auf den Boden und rief: "Ich habe schon wieder einen Tag verloren, ohne Erleuchtung zu erlangen!" Eine solche Entschlusskraft benötigt es, bei der man sich nicht einmal übers Essen, Schlafen und die eigene Kleidung sorgt.
 
Kultiviere den Geist, ohne ihn von weltlichen Dingen beflecken zu lassen, dann wirst du die Freuden des Erwachens ernten. Mache deinen Geist zu einem Berg, lass ihn wie klarer und leerer Raum sein. Was andere davon halten, soll dir egal sein; kritisiere andere nicht. Verbringe dein Leben wie ein Säugling, der nichts mitbekommt, gehe einfach deinen Weg wie ein Narr. Sieh im Tod der anderen deinen eigenen.  

Viele Meister sagten, die jeweilige Art der Begierde oder des Ärgers entscheide darüber, in welche Hölle man fiele, und jeder Geisteszustand entscheide darüber, zu welcher Kreatur man würde. Aufgrund von Wut würde man ein Tiger, eine Biene, eine Schlange oder ein ähnliches Wesen, das sticht und beißt. Ein törichter Geist würde jemanden zu einem Vogel oder einem Schmetterling machen. Haftet der eigene Geist jedoch an nichts, wird man ein Buddha. Dazu darf keine Absicht zurückbleiben. Man erkennt den eigenen Geist als still; so gibt es keinen Ort für eine Wiederkehr. Nicht einmal ein "gut gesinnter" Geist ist anzustreben, der einem eine himmlische Wiedergeburt verspräche; denn daraus folgt unweigerlich der Abstieg in tierische und höllische Bereiche über aufeinanderfolgende Wiedergeburten. (...)

Im tiefen Tal, wo fortwährend der klare Strom fließt, singen allüberall die verschiedensten Vogelarten (sic!). Niemand besucht je diesen Ort. Man nennt ihn Sunims Aufenthaltsort, er ist friedlich und still. Hier sitze ich und kontempliere, was der Geist ist. Wenn dieser Geist nicht das ist, was Buddha ist, was dann? 

Du hast gerade eine seltene Rede gelesen. Studiere diese Angelegenheit eifrig, aber ohne Eile. Zwinge dich nicht, sondern gehe es gelassen an und wende dich fragend nach innen."


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