Direkt zum Hauptbereich

Missverständnisse im Buddhismus (I): Leiden

In seinem Buch "Weshalb Sie kein Buddhist sind" stellt Dzongsar Jamyang Khyentse aus Bhutan folgende Definition auf: Ein Buddhist ist, wer folgende Wahrheiten akzeptiere:

1. Alle zusammengesetzten Dinge sind unbeständig.
2. Alle Empfindungen sind schmerzvoll.
3. Kein Ding besitzt eine innewohnende Existenz.
4. Nirwana ist jenseits aller Vorstellungen.

Ich als Zen-Buddhist muss widersprechen. Da ist mein Alltag, und von dem habe ich doch recht klare Vorstellungen. Seltsamerweise ist er mit Nirwana identisch. Ein anderes Nirwana kümmert mich nicht.
   Punkt 2 habe ich übersetzt aus "All emotions are pain". Doch das ist nur der Fall, wenn man die FALSCHE Sichtweise auf die Emotionen hegt. Ist das nicht lustig? Mit der rechten Sicht verliert nämlich die Vergänglichkeit der Phänomene ihre Bedeutung und ihre GEGENWÄRTIGKEIT tritt in den Vordergrund. Einen Orgasmus erleben heißt dann einen Orgasmus erleben - und nicht nicht über seine Endlichkeit nachdenken. Selbst wenn man einzelne Sekunden, Minuten, Stunden usf. aus dem Leben der meisten Menschen isolieren würde - sie wären nicht schmerz-, sondern lustvoll, sie wären voller Glück. Weil sie so empfunden werden. Allerdings muss der Orgasmus im Wissen um seine Unbeständigkeit nicht auf einen Himmelsthron erhoben werden, denn was für ihn gilt, das gilt auch für andere Tätigkeiten und Erfahrungen unseres Lebens. Eine Ansicht wie die von Dzongsar Jamyang Khyentse macht es unmöglich, dass der Buddhismus sich weltweit als Lebensanschauung durchsetzt. Sie widerspricht der tatsächlichen Erfahrung der meisten Menschen - und der Zen-Lehre und Erfahrung einer "Einheit von Raum und Zeit". 

Es gibt keinen zwingenden Zusammenhang zwischen "Unbeständigkeit" (Punkt 1) sowie "Nicht-Substantialität" (Punkt 3) und Leiden. Die Erfahrung von Unbeständigkeit und Nicht-Substantialität birgt  nämlich auch Nicht-Leiden.

Kommentare

  1. Namste!

    Im Buddhistischen Bekenntnis der DBU heißt es diesbezüglich:

    "Alles Bedingte ist unbeständig.
    Alles Bedingte ist leidvoll.
    Alles ist ohne ein eigenständiges Selbst.
    Nirvana ist Frieden."

    Zumindest der zweite Punkt ist hier "besser" ausgeführt.

    Vielleicht wäre eindeutiger:
    "Alles Bedingte ist potentiell leidvoll".

    Was Nirvana ist weiß ich nicht.

    < gasshô >

    Benkei

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Benkei, ich will aus der Zen-Sicht noch Hakuins Ansicht ergänzen, die sich in seinem Herzsutra-Kommentar ausdrückt, auf den sich in Bälde noch im Blog eingehen will. Er fasst zusammen: Nirwana und Leiden sind untrennbar.

    Diese Sicht korrigiert m.E. auch die Tendenz, Nirvana als etwas von unserem Leben irgendwie/irgendwann Getrenntes anzusehen.

    AntwortenLöschen
  3. Hallo!
    Die Definition "leidvoll"/"schmerzvoll" sagt aus, dass glückliche Empfindungen wie der Orgasmus nicht beständig sind, sondern vorübergehen. Sie sagt nicht aus, dass diese Empfindungen in dem Moment leidvoll wären.
    Punkt 2 zeigt unsere Empfindungen lediglich in einer größeren Perspektive. Denn nach Glück kommt unweigerlich Nicht-Glück. Ich gebe aber zu, dass es keine wirklich angemessene Übersetzung für "Dukkha" gibt. Allerdings kommt man um das Nachdenken über diese Begriffe sowieso nicht herum, wenn man sich näher für Buddhas Worte interessiert.

    AntwortenLöschen
  4. Was aber geht vorüber, wenn es nur das Jetzt gibt?

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Das Sichten und Freischalten der Kommentare kann dauern.

Beliebte Posts aus diesem Blog

The poser Shi Heng Yi alias Tien Sy Vuong / Der Blender Shi Heng Yi vom Shaolin Tempel Europe

Hier alle autorisierten  Shaolin in Deutschland (Shi Heng Yis "Tempel" in Otterberg ist NICHT dabei!): Shaolin Zentrum Ilmkreis e.V. – Amt-Wachsenburg Shaolin Kultur Verein e.V. – Berlin Shaolin Tempel Deutschland – Berlin Shaolin Kung Fu Zentrum Düsseldorf Deutschland – Düsseldorf Shaolin Zentrum Frankfurt – Frankfurt Shaolin Xiu Kulturzentrum Deutschland – Grevenbreuch Kung Fu Akademie Kaiserslautern – Kaiserslautern. Shaolin Kung Fu Schule Yan Po – Köln Shaolinzentrum Deutschland – Schorndorf *** (English version first, translated with DeepL - zunächst auf Englisch, unten auf Deutsch) Since last year, I have been improvising a series of YouTube posts that deal with a certain "Shi Heng Yi". You can find the playlist here . Back in 2011, I took a critical look at the "Shaolin Temple Europe" (later the newspaper SZ reported on it). The "Shaolin Temple Europe GmbH " of the same name is now headed by Shi Heng Yi, who is said to have a business de...

Falscher "Shaolin-Mönch" aufgeflogen

Den aktuellen Artikel zu Shi Heng Yi (Tien Sy Vuong) findet Ihr hier.    Am Samstag, den 19.03.2011, ist in der Süddeutschen Zeitung ein größerer Artikel über den Fake-Abt (Shi Heng Zong alias Monroe Coulombe) des "Shaolin Temple Europe" erschienen - Seite 11: "Der Shaolin-Schwindel". Wir hatten bereits im Januar 2010 das Thema aufgegriffen. (Dank an Heino für den Tipp.) Hier alle autorisierten  Shaolin in Deutschland  (Shi Heng Yis "Tempel" in Otterberg ist NICHT dabei!): Shaolin Zentrum Ilmkreis e.V. – Amt-Wachsenburg Shaolin Kultur Verein e.V. – Berlin Shaolin Tempel Deutschland – Berlin Shaolin Kung Fu Zentrum Düsseldorf Deutschland – Düsseldorf Shaolin Zentrum Frankfurt – Frankfurt Shaolin Xiu Kulturzentrum Deutschland – Grevenbreuch Kung Fu Akademie Kaiserslautern – Kaiserslautern. Shaolin Kung Fu Schule Yan Po – Köln Shaolinzentrum Deutschland – Schorndorf (Stand: März 2024) ***

Die Kommerzialisierung der Shaolin

Am Samstag Abend lief unter "Spiegel TV" (d.h.: besserer Boulevardjournalismus) ein mehrstündiges Porträt über einen engagierten jungen Mann, der sich dem "Shaolin-Tempel" in Kaiserslautern angeschlossen hat. Sein Werdegang wurde über einen längeren Zeitraum verfolgt, Ausschnitte dieser Sendung hatte ich schon mal gesehen. Keine Frage, der junge Mann meinte es ernst und war sympathisch. Wie ein freundlicher, harmloser Herbergsvater kam dann sogar der Abt rüber, Shi Heng Zong genannt, oder auch: der Sitaigung. Da macht einen ja schon mal stutzig, dass ein bärtiger Deutscher nur noch mit chinesischen Namen tituliert wird. Dabei hat er die buddhistischen Essensgebete durchaus eingedeutscht, und auch die Aufnahmezeremonie des jungen Mannes als Mönch lief ganz verständlich und routiniert auf Deutsch ab. Man muss den Leuten hinter dem Tempel auch ihre Ehrlichkeit (oder Naivität?) lassen, mit der sie den Werdegang des Abtes beschreiben, den wir natürlich - bei seiner Le...