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Warum so viele Kambodschaner aus Thailand flohen

Die fluchtartige Rückkehr von über 200.000 Kambodschanern in ihr Heimatland dürfte eine komplexere Ursache haben als die bloße Furcht vor harschen Maßnahmen der thailändischen Militärregierung gegen illegale Einwanderer. Dafür spricht zum einen, dass auch viele legale Einwanderer das Land verlassen haben, zum anderen, dass es keine Massenflucht von Arbeitern aus Myanmar und Laos gab, die unter den gleichen unterschiedlichen Voraussetzungen (mal mit, mal ohne Pass) in Thailand arbeiten. Es ist ja bekannt, dass der kambodschanische Premier mit dem im Nachbarland geschassten Thaksin Shinawatra befreundet ist, und leicht kann man sich ausmalen, wie die beiden einen Plan ausheckten, die momentane Thai-Regierung zu destabilisieren und in Misskredit zu bringen. Dazu wurde zum einen das Gerücht gezielt gestreut, dass Einwanderer misshandelt oder gar ermordet worden seien (damit auch die Legalen Angst bekämen), zum anderen ging etwa unter den Illegalen die Mär um, wer nach dem 25. Juni nach Kambodscha ohne Pass zurückkehren wolle, dem würde die Einreise verweigert (was sogar Bettler auf Pattayas Straßen in Unruhe versetzte). Wäre am ersten Gerücht etwas dran gewesen, müsste man sich fragen, warum nicht auch etwa Burmesen in massive Nervosität gerieten. Das zweite Gerücht bewahrheitet sich nun auf eine perfide Art. 

Ein Kambodschaner, der einen Reisepass beantragte, musste dafür bis vor Kurzem 124 USD hinblättern, also etwa das Doppelte von dem, was ein Thai dafür bezahlt, und wesentlich mehr als uns Deutsche ein solcher Pass kostet. Wer es irgendwie eilig hatte  (z.B. Ausländer, die ihre Frau mit in die Heimat nehmen wollten und für sie Dokumente benötigten), durfte mit massiven Zuschlägen rechnen. Nun wurden vierzig angeblich zertifizierte Agenturen in Kambodscha beauftragt, ein Komplettpaket für die ausreisewilligen Arbeiter zu schnüren, für je 49 USD. Es beinhaltet den nun nur noch 4 USD teuren Reisepass, 20 USD für die Thai-Arbeitsgenehmigung, 10 USD für die kambodschanische Behörde, die ihrerseits eine Arbeitsgenehmigung fürs Ausland erstellt (!) sowie 15 USD für Transport und Verpflegung nach Thailand. Wenn man nur davon ausgeht, dass von den Rückkehrern die Hälfte bisher ohne Pass war, dann bedeutet dies, dass die kambodschanische Regierung mit den Neuanträgen über eine Million USD in kurzer Zeit verdienen würde. Da ich selbst schon für 15 Dollar von Kambodscha bis weit nach Thailand reiste, und das auf halbem Weg in einem VIP-Bus, machen auch die vierzig Agenturen dabei ihren Reibach (wer mal auf der Pritsche eines Wagens mit stehenden Arbeitern war, kann sich vorstellen, wie der Massentransport dort organisiert wird). Fragt sich nur noch, wem diese Agenturen gehören, mit dem das so genannte "trafficking" nun also legalisiert wird.

So verständlich das Anliegen der thailändischen Regierung ist, so offensichtlich auch die Heuchelei auf kambodschanischer Seite, die zunächst die Gegenseite heftig für den Exodus kritisierte und doch durch die horrenden Forderungen für Reisepässe die Ausbeutung der Khmer im Nachbarland erst ermöglichte. Kürzlich war ich mal wieder auf mehreren Baustellen, um ein paar Geschenke zu verteilen, und wie es meine Gepflogenheit ist, erkundigte ich mich nach dem jeweiligen Tageslohn. An einer Baustelle bekamen die Khmer nur 200 Baht (ca. 4,50 Euro, 300 Baht sind der gesetzliche Mindestlohn), und da ich schon beim Betreten von einem aggressiven, betrunkenen Thai, der dort die Security spielte, verfolgt und aufgefordert wurde, zu gehen (ich ignorierte ihn weitgehend, wie es die Khmer taten), war auch gleich klar, dass es sich hier um illegale Beschäftigungen handelte. Natürlich heißt das nicht, dass ich ins blanke Elend blickte - nebenan spielten etliche der Khmer am frühen Abend Ball, insgesamt war die Stimmung nicht anders als auf den besser bezahlten Plätzen. Wer seine Heimat für solch einen Tageslohn verlässt, der wählt wahrscheinlich auch nicht Hun Sen. Diesem ist tatsächlich zuzutrauen, dass er potentielle Oppositionelle eher aus ihrer Heimat aussperrt als ihnen dort Arbeit zu verschaffen. 

Wer nur mal eine Woche nach Angkor reist, vom Charme des Kulturerbes und der auch dort noch ländlich geprägten Khmer verzaubert wird, dem entgeht das Ausmaß der staatlich sanktionierten Dummheit Kambodschas. Einer der Höhepunkte aus den vergangenen Jahren bestand in einer Direktive, Ausländern über 50 Jahren das Heiraten von kambodschanischen Frauen zu verbieten. Ich erinnere mich noch gut, wie ein General sich im Jahr 1999 mir in den Ruinen Angkor Thoms vorstellte, umringt von seinen Bodyguards, und auf eine zwei Köpfe größere junge Schönheit an seiner Seite mit den Worten "She is my plaything" verwies. Der Anblick älterer Ausländer mit jüngeren Khmer hingegen hatte einen Politiker so abgetörnt, dass er jene rassistische Anordnung erließ, die es folglich sogar einem 51-jährigen Deutschen unmöglich machte, eine 49-jährige Khmer zu heiraten.

Dieser Blödsinn hat Methode, und wenn man sich die stundenlangen mit Schlangenzunge geführten Reden Hun Sens im Fernsehen anhört, kann man dann schon mal auf solche kruden Ideen verfallen wie der Abt der Tuol Krasaing-Pagode. In seinem Sportwagen fuhr er zur Beerdigung seines Vaters, als ihn unterwegs der Drang überkam, sich mit Bier vollaufen zu lassen. Dass nun ein paar Dinge nicht mehr zusammenpassten, war ihm klar. Gut vorbereitet zog er sich einfach eine Militäruniform über, die ihn als Leutnant auswies. Dann baute er einen Unfall und die Sache flog auf, er landete im Knast. Ein paar Gläubige wurden zitiert, sie würden seiner Pagode schon lange nichts mehr spenden. Ob das einen Mönch, der bereits einen Sportwagen fährt, kratzt? 

(Theravada-Mönche bei Bauarbeiten in einem Tempel Poi Pets; Foto: Keller)

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