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Die "professionelle Freundin" in Südostasien

"Sex work is work - defend our right to livelihood!"

"Save Us From Our Saviours!"

(Slogans des 'Women Network for Unity' in Kambodscha)


[Foto: Keller/Pattaya]

Eine der erfrischendsten Lektüren der vergangenen Wochen (neben belletristischen Werken Richard Brautigams) war die gut lesbare, wissenschaftliche Studie Heidi Hoefingers "Sex, Love and Money in Cambodia: Professional girlfriends and transactional relationships" (Routledge 2013, teuer, aber über die Fernleihe zu bekommen). Ausgiebige Erfahrungen mit solchen "Freundinnen" habe ich selbst gemacht, wenn auch in Thailand. Tatsächlich sprengten diese jedes Klischee über die Prostitution, in der die Frauen arbeiten. So kroch schon eine kurzfristig mit ihrem Kind bei mir unter, als sich ihr Thai-Lebensgefährte eine Nebenfrau nahm ("Ich kann ihn im Moment nicht mehr sehen. Meinst du vielleicht, es ist okay, wenn ich mir nun auch einen Nebenmann nehme?"), andere lud ich gemeinsam mit ihrem Thai-Lebenspartner zum Essen ein ("Ich habe schon einmal eine Freundin verloren, weil ein Ausländer (farang) sie mir wegnahm" - "Keine Sorge ..."), mit einer weiteren besuchte ich ihre Mutter auf dem Land, durfte im besten Bett des Hauses schlafen und bekam zum Essen das ganze Fleisch auf den Teller. Mit einer Bisexuellen ging ich auf "Brautschau" (sie war zu schüchtern, nach einer Partnerin zu suchen, und ihre Eltern sollten nichts von ihrer Neigung wissen), mit einer fuhr ich von Pattaya nach Koh Samui, um zu verstehen, warum sie nur einem dortigen Zahnarzt die monatliche Ausrichtung und Kontrolle ihrer Spange überlassen wollte, wo doch in jeder anderen Großstadt hinreichend Spezialisten zu finden waren ... Es gab unzählige vertraute Gespräche - und amüsante Überraschungen, z. B. als eine Masseuse permanent die Stellung wechselte und auf Nachfrage sagte, sie habe das in einem Buch gelesen und würde mir nun zeigen wollen, was sie kann. Nirgendwo habe ich in kurzer Zeit so oft "Danke!"  gehört (und gesagt) wie in Thailand. Einmal verbrachte ich den Geburtstag einer "käuflichen" Frau in Südostasiens wohl größtem botanischen Garten Nong Nooch (er ist viel schöner als diese Website [Nachtrag 2019: verlangt aber immer noch mehr Geld von uns als von Einheimischen - protestiert und lärmt gegen diese Art von Rassismus!]), und sie verknallte sich in mich, weil ihr noch niemand einen solchen Geburtstag bereitet hatte. Wie erfreulich, dass Heidi Hoefinger, die u. a. an der Universität von Chiang Mai "Gender and Sexuality Studies" lehrt, nun mit Klischees über asiatische Freudenmädchen aufräumt und den Begriff "professionelle Freundin" in der Wissenschaft zu etablieren sucht.
    Eine "professionelle Freundin" (in Khmer: srey sangsar achip), die "transactional sex" betreibt, knüpft mehrere Beziehungen zu Männern aus vornehmlich materiellen Gründen (von denen laut Hoefinger aber die jeweiligen Freier meist nichts wüssten) und zeigt dabei Intimität im ganzen Spektrum von vorgetäuscht bis authentisch (inklusive sexueller, romantischer oder respektvoller Zuneigung). Dabei wird auf das Problem verwiesen, dass im südostasiatischen Kulturkreis oft die materielle Versorgung mit Liebe verknüpft ist, während Männer aus dem Westen bevorzugt dann von Liebe sprächen, wenn sie unabhängig von materieller Zuwendung besteht (und dabei das "Persönliche" vom "Politischen" trennten, also von der Tatsache, dass auch in westlichen Beziehungen monetäre Aspekte eine Rolle spielen). Die Autorin folgt der Soziologin Viviana Zelizer, für die Intimität mit ökonomischer Aktivität zu vereinbaren bedeutet, Leben zu verbinden; sie spricht daher von solchen Beziehungen als "connected lives".
   Hoefinger sammelte ihr Material in persönlichen Begegnungen über einen Zeitraum von sieben Jahren und widmet den ethischen Fragen ihrer Arbeit ein eigenes Kapitel. Obwohl sie auch einige in meinen Augen verwerfliche NGOs zitiert, ist ihr Blick auf diese immerhin kritisch. Mit Laura Augustin, die über die internationale "Rettungsindustrie" schrieb (Sex at the Margins, London 2007), betrachtet sie sowohl das Stigmatisieren von Prostituierten zu prinzipiell machtlosen Opfern als auch das Selbstbild "gütiger Helfer" als unrechtmäßig pauschalisierende Fortsetzung des eurozentrischen Kolonialblickes.

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