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Dôgens EIHEI KOROKU (XVIII):
Welche Sutren Dôgen liebte,
und welche nicht


        "Darum beschäftigt euch nicht mit den Aussagen von Konfuzius und Lao-tzu oder dem Shûramgamasamâdhi-nirdesha oder dem „Sutra über die vollständige Erleuchtung“; mein Meister hasste es, dass seine Zeitgenossen die oben genannten Sutren als grundlegend für den Zen-Buddhismus betrachteten. Studiert stattdessen die Texte der Buddhas und Patriarchen, von denen der vergangenen sieben Buddhas und des Bhagavat bis zu den heutigen. Wenn ihr absichtlich den üblen Weg von Ruhm und Gewinn einschlagt, wie könnt ihr das als buddhistische Übung bezeichnen? Der Tathâgata-Bhagavat, Mahâkâsh-yapa, die achtundzwanzig Patriarchen in Indien, die sechs in China, Ching-yüan und Nan-chüeh – wer unter ihnen betrachtete die oben genannten Sutren als das Schatzkammer-Auge des Wahren Dharma, den Wunderbaren Geist des Nirwana? Und welcher Patriarch sah Konfuzianismus und Taoismus als hervorragende Lehren der Buddhas und Patriarchen an oder neigte sich ihnen zu? Heutzutage sagen alle Sung-Mönche: ‚Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus sind eins.‘ Diese Ansicht ist weit gefehlt. Was für eine Schande! Ihr Dharma ist im Niedergang. All die altehrwürdigen, tugendhaften Mönche hassten es, den Bhagavat mit Lao-tzu zu vergleichen, doch heute heißt es: ‚Der Tathâgata ist eins mit Lao-tzu.‘ Ihr müsst wissen, dass ein solcher Trugschluss dem Fehlen von Erleuchteten geschuldet ist.
          Mönche! Wenn ihr Sutren lesen wollt, solltet ihr jene anschauen, die von Hui-neng dargelegt wurden: das Saddharmapundarîka-[1], das Mahâparinirvâna- und das Prajnâpâramitâ-Sûtra. Es hat keinen Sinn, darüber zu streiten, ob ihr Sutren lesen solltet, die nicht von Hui-neng erläutert wurden. Früher öffneten Mönche Sutren, um darin Weisheit (bodhi) zu finden; heute tun sie es aus Ruhm- und Gewinnsucht. Der Buddha legte Sutren und Lehren nur dar, damit fühlende Wesen bodhi verwirklichen können. Darum widerspricht das, was heutige Mönche tun, seinem Willen. Es ist dumm, dass sie ihr oberflächliches Wissen mit Buddhas vertieftem vergleichen. Da ihr nun glücklicherweise Mönche geworden und dem Staatsdienst und den weltlichen Wegen entkommen seid, dürft ihr nicht nach Äußerlichkeiten und Ruhm und Gewinn streben. Wenn ihr dies tut, seid ihr eine Schande für Mönche. Äußerlichkeiten sind der Grund für die fünf Begierden. Darum müsst ihr eure fünf Sinnesorgane gegen genauso viele Begierden[2] schützen. Wisst ihr nicht, was der Bhagavat sagte: ‚Ihr Mönche habt stets auf rechte Weise die Gebote empfangen. Darum müsst ihr eure fünf Sinnesorgane gegen genauso viele Begierden schützen. Es ist wie bei einem Kuhhirten, der mit einem Stock eine Kuh daran hindert, die jungen Reispflanzen der anderen zu zertrampeln. Wenn ihr euren fünf Sinnesorganen erlaubt, ihren eigenen Weg zu gehen, könnt ihr die fünf Begierden und den Bewusstseinsstrom so wenig kontrollieren wie eine Flut, die einen zerstörten Flussdamm überflutet.‘"


[1]    Bekannt als Lotus-Sutra. Es lehrt, dass der Buddha bereits vor mehreren Zeitaltern vollständige Erleuchtung erlangte und dies auch Anhängern des Theravada(Hînayâna)-Buddhismus möglich sei.
[2]    Die Begierde nach Eigentum, sexueller Liebe, Nahrungsmitteln, Ruhm, Schlaf.

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